Stand­punkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Kran­ken­häu­ser à la Potemkin

10.11.2011 | Standpunkt

(c) Gregor Zeitler

Unter dem Begriff „redu­zierte Ver­sor­gungs­for­men“ könnte man die vom Gesund­heits­mi­nis­ter nun kürz­lich vor­ge­legte Novelle zum Kran­ken- und Kur­an­stal­ten­ge­setz (KAKuG) zusam­men­fas­sen. Schon allein die ver­wen­dete Ter­mi­no­lo­gie sollte hell­hö­rig machen.

Das, was hier nach außen hin unter dem der­zeit so modi­schen Begriff der „Fle­xi­bi­li­tät“ ange­prie­sen wird – Spi­tä­ler sol­len ihre Leis­tun­gen dem Bedarf anpas­sen – ist in Wirk­lich­keit nichts ande­res als ein gesetz­lich legi­ti­mier­ter, strik­ter Spar­kurs in den Spi­tä­lern. Kon­kret kann das näm­lich bedeu­ten, dass ein­zelne Fach­ab­tei­lun­gen nicht mehr rund um die Uhr offen­hal­ten müs­sen. Oder aber auch, dass ein­zelne Leis­tun­gen in Tages- oder Wochen­kli­ni­ken aus­ge­la­gert wer­den kön­nen, die aber nur noch ein ein­ge­schränk­tes Leis­tungs­an­ge­bot auf­wei­sen.

Der Clou an dem Gan­zen: Das Kran­ken­haus als Gebäude bleibt – auch für die Bevöl­ke­rung offen­sicht­lich – bestehen. Dass aller­dings das Innen­le­ben – sprich die medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen – radi­kal her­un­ter­ge­fah­ren wer­den und nur noch eine Min­dest­ver­sor­gung mög­lich ist, das erfährt ein Pati­ent erst, wenn er es braucht: im Ernst­fall. Feld­mar­schall Gri­gori Potem­kin hat sich bei der Errich­tung sei­ner Dör­fer ähn­li­cher Mit­tel bedient, indem er vor dem Besuch der rus­si­schen Zarin Katha­rina Dör­fer aus bemal­ten Kulis­sen errich­ten hat lassen.

Der­zeit ist jedes öffent­li­che Spi­tal ver­pflich­tet, eine eigene Chir­ur­gie und eine Interne Abtei­lung mit jeweils min­des­tens 30 Bet­ten zu betrei­ben. In Zukunft soll nur noch die Interne Abtei­lung mit einer Min­dest­bet­ten­an­zahl ver­pflich­tend sein; aus der Chir­ur­gie kann in einem Schi­ge­biet auch eine Unfall­chir­ur­gie wer­den oder eine Unfall­chir­ur­gie wer­den oder – falls erfor­der­lich – auch in eine Abtei­lung für Alters­me­di­zin umge­wan­delt wer­den.

Die Stel­lung­nahme der ÖÄK zu die­sen Plä­nen könnte kla­rer nicht sein: Wir leh­nen die­sen Ent­wurf im Sinn des Pati­en­ten­wohls ent­schie­den ab. Denn damit wird den Spi­tals­trä­gern die Mög­lich­keit gebo­ten, das Leis­tungs­an­ge­bot unauf­fäl­lig her­un­ter­zu­fah­ren und die Kran­ken­an­stal­ten medi­zi­nisch aus­zu­höh­len. Den Trä­gern wird damit über­dies die Mög­lich­keit eröff­net, aus rein wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen Schmal­spur-Orga­ni­sa­tion- und Betriebs­for­men ein­zu­rich­ten. Das hat natür­lich Aus­wir­kun­gen auf Pati­en­ten wie auf Ärzte. Die Pati­en­ten wer­den im „redu­zier­ten“ Spi­tal nicht mehr die bis­he­ri­gen Leis­tun­gen erhal­ten. Außer­dem steht die vom Minis­ter geplante völ­lig freie Hand für die Län­der hin­sicht­lich der künf­ti­gen Kran­ken­haus­struk­tur in völ­li­gem Gegen­satz zu dem eben von die­sem Minis­ter geplan­ten ein­heit­li­chen Spitalsgesetz.

Dass mit die­sem Vor­ha­ben die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung gefähr­det ist, steht wohl außer Zwei­fel. Die Qua­li­tät der Ver­sor­gung in der Peri­phe­rie wird noch wei­ter geschwächt. Es wird aber auch Pro­bleme mit der Aus­bil­dung geben, wenn an vie­len Stand­or­ten nicht mehr gelehrt und gelernt wer­den kann. Allen Ärz­ten, die in sol­chen Kran­ken­häu­sern tätig sind, wird künf­tig wohl der Wech­sel in ein ande­res Kran­ken­haus ver­wehrt blei­ben. Wer will schon einen Arzt aus einem Kran­ken­haus anstel­len, wo nur noch Mini­mal­me­di­zin ange­bo­ten wird?

Die öster­rei­chi­schen Spi­tals­ärz­tin­nen und Spi­tals­ärzte sind ein­mal mehr bereit, kon­struk­tiv an sub­stan­ti­el­len Ände­run­gen in der öster­rei­chi­schen Spi­tals­land­schaft mit­zu­ar­bei­ten.

Für Kran­ken­häu­ser à la Potem­kin sind wir aller­dings nicht zu haben.

Harald Mayer
Vize-Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2011