Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Universitäten sind kein Sparverein

15.07.2011 | Standpunkt

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In Zeiten der Hochkonjunktur war es für die Menschen schon immer nahezu eine Selbstverständlichkeit, etwas auf die Seite zu legen – um etwas für die schlechten Zeiten zu haben.

Eine völlige Umkehrung dieses umsichtigen Handelns müssen wir derzeit an der Meduni Wien feststellen. So wurde im Jahr 2010 ein Überschuss von mehr als 300.000 Euro erwirtschaftet. Sage und schreibe 20 Millionen Euro wurden überdies als Rücklagen angesammelt.

Wie aber ist die Reaktion der Verantwortlichen der größten medizinischen Universität Österreichs auf diese Situation? Die Antwort lautet: Sparen. So plant der Rektor der MUW, von den derzeit 170 Diensträdern am Wiener AKH mit 1. Jänner 2013 weitere 20 bis 25 einzusparen. Wenn man aber weiß, dass die VAMED vor dem Umzug in’s neue AKH berechnet hat, dass jedenfalls 230 Ärzte benötigt werden, um den medizinischen Betrieb aufrecht zu erhalten, dann bleibt einem nur noch ungläubiges Staunen. Übrigens: Wo diese Diensträder eingespart werden, ist bis dato nicht bekannt. Auf der anderen Seite ist gleichzeitig das Verwaltungspersonal angestiegen; selbst auf mehrmalige Anfrage bei der MUW war diesbezüglich jedoch keine konkrete Auskunft zu erhalten.

Aber das ist noch nicht alles: Seit Jahresanfang gibt es einen Aufnahmestopp an der Meduni Wien und Dienstverträge, die auslaufen, werden nicht verlängert. Zahlreiche Umfragen bestätigen, dass Spitalsärztinnen und Spitalsärzte hoch motiviert sind. Die entscheidende Frage lautet: Wie lange noch?

Schaut man sich die Arbeitsbedingungen an, unter denen Spitalsärzte arbeiten müssen, kann dies eigentlich nur Kopfschütteln hervorrufen: Das Burnout-Risiko unter Spitalsärzten ist dramatisch hoch; in Wien sind nahezu 60 Prozent gefährdet. Und Administration und Dokumentation sind nach wie vor diejenigen Faktoren, die von den Ärzten in Befragungen als am meisten belastend genannt werden.

Zu glauben, dass immer weniger Ärzte den gleich starken Andrang in die Spitalsambulanzen bewältigen können, ohne dass das Folgen für diese Ärzte nach sich zieht, ist blauäugig. Denn schon jetzt gelangen viele unserer Kollegen tagtäglich durch die enorme Belastung eines Spitalsbetriebes an ihre Grenzen; sie fragen sich zu Recht, wie das weiter gehen soll. Denn eines muss schon auch klar sein: Die schon jetzt dramatische Situation der Burnout-Gefährdung von Ärztinnen und Ärzten wird sich dadurch noch weiter verschärfen.

Während also bei den Ärzteposten gespart wird, gibt es einen Bereich, wo munter Personal aufgenommen wird: in der Verwaltung. Es kann nicht sein, dass hier völlig falsche Wertigkeiten gesetzt werden! Universitäten sind nun einmal kein Sparverein!

Und unsere jungen Kolleginnen und Kollegen stimmen mittlerweile mit den Füßen über ihre Zukunft ab: Rund 2.500 von ihnen haben nach dem Medizinstudium dem österreichischen Gesundheitswesen den Rücken gekehrt und arbeiten mittlerweile bei unseren deutschen Nachbarn.

Sparen war und ist eine gute Sache – aber nicht am falschen Platz!

Die vermeintlichen Spareffekte werden uns in Wirklichkeit in wenigen Jahren als folgenschwerer finanzieller Bumerang nur so um die Ohren fliegen.

Harald Mayer
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2011