Standpunkt – Vize-Präs. Günther Wawrowsky: Was ich für meinen Stand tun kann!

10.05.2011 | Standpunkt

(c) Foto Weinwurm

Arzt-sein ist nicht leicht. Eine unvergleichlich lange, intensive Ausbildung ohne jede Garantie für das Erreichen des idealen Berufszieles. Ein Arbeitsalltag voller schicksalsschwerer Entscheidungen, oft in hochemotionalen Extremsituationen. Das alles bei voller Handlungsverantwortung. Und selbst bei allem richtigen Vorgehen und Handeln ist das Ende oft tragisch und es bleiben Trauer und Leid, vielleicht sogar Vorwürfe und Schuldzuweisungen.

Doch auch deshalb ist dieser Beruf nicht aus dem Leben der Menschen und dem Funktionieren einer Gesellschaft wegzudenken. Aber nur deshalb zu hoffen, dass gerade diese Menschen aus eben dieser Gesellschaft sich um uns, die Ärztinnen und Ärzte in unseren Arbeitsbedingungen, sorgen, wäre blauäugig und realitätsfremd.

„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“, so lautet ein Sprichwort. Doch wollen wir den Herrgott nun nicht über Gebühr beanspruchen, wo die göttliche Reaktionszeit mitunter nicht der Länge unseres Geduldfadens oder der Grenze unserer Belastbarkeit entspricht.

Bleibt also vor allem die Selbsthilfe. Nimmt man sein eigenes Schicksal nicht selbst in die Hand, tun es andere. In Zeiten von sozialer Deregulierung und einer wahrlich drohenden „Gesundheitsreform“ wären das dann Landes- oder Bundespolitiker, deren Parteien, politisch eingesetzte Krankenkassenfunktionäre – vielleicht beraten durch von Landesfürsten inthronisierte Patientenanwälte.

All das scheint mir selbst bei sehr optimistischer Betrachtung doch eher Besorgnis erregend. Sicher sind diese Personen ehrenwerte Herrschaften. Aber keiner von ihnen rettet um drei Uhr früh Menschen aus dem Lungenödem, keiner kümmert sich um vor Schmerzen brüllende Kinder und deren hochgradig irritierten Eltern, keiner steuert im Morgengrauen eine Risikogeburt und keiner muss einem jungen, schwer Verunfallten das Bein amputieren. Kurz gesagt: Keiner stellt sich dem medizinischen Alltag.

Wer – wenn nicht wir – steht den davon Betroffenen, den Menschen in diesem Land, unseren Patienten, in diesem so hochsensiblen Bereich näher? Wer – wenn nicht wir – soll daher die Entscheidungen einer Gesundheitspolitik vorbereiten? Denn die volle Verantwortung tragen ohnehin schon jetzt wir Ärztinnen und Ärzte.

Eine Gesundheitsreform steht an, die Bundesländer können sich ihre eigene Spitalspolitik nicht mehr leisten, die Entwicklung der Kassenmedizin hat schon im letzten Jahrtausend gestottert. Es wird um‘s Geld gehen! Die Politik bevorzugt elegante Lösungen und diese ohne viel Aufsehen zu erregen.

Wir Ärzte stellen zahlenmäßig eine nur kleine Gruppe dar, sind aber nicht wegzudenken und stören daher durch unseren Status als Freiberufler so manchen Entscheidungsträger sehr. Haben diese nicht schon in der jüngsten Vergangenheit versucht, uns zu willfährigen Abhängigen des Systems zu machen? Wir haben uns gewehrt. Aber es ist noch nicht vorbei, es geht um die Zukunft!

Wir brauchen auch Ihr Wissen, sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, wir brauchen auch Ihre Erfahrung, Ihren Einsatz als politisch interessierte und engagierte Menschen in der Vertretung unseres Standes.

Ich weiß wohl, wie schwer dieser Einsatz neben den beruflichen Anforderungen und den Versuchen, einen spärlichen Rest an Privatleben zu erhalten, wiegt. Auch gibt es kaum Honorierung, nicht Ruhm, nicht Ehr‘ und oft bleibt der einzige Ausdruck von Dank und Anerkennung, nicht gescholten zu werden. Dafür ist Ihnen Kritik aus der Kollegenschaft gewiss. Vertreten Sie doch dann eine akademisch gebildete, sehr erfahrene, täglich in voller Entscheidungsverantwortung stehende Gruppe, die eine breite Meinungsvielfalt und große Ausdruckskraft auszeichnet.

Gerade deswegen brauchen wir in Zukunft beherzte Ärztinnen und Ärzte!

„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage: was kann ich für mein Land tun?“ John F. Kennedy

Kontakt: g.wawrowsky@aerztekammer.at


Günther Wawrowsky

Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2011