Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Nur das Bessere ist der Feind des Guten

25.05.2011 | Standpunkt

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Die modernen Kommunikationstechnologien machen es möglich: Egal, an welchem Ort man ist, kann man Informationen und Neuigkeiten aus aller Welt abrufen – und man kann seine beruflichen und privaten Kontakte weiter aufrecht erhalten.

Allerdings: So wie jede neue Errungenschaft nicht nur Vorteile hat, gibt es auch bei der elektronischen Kommunikation Nachteile. Das Datenleck bei einem der weltweit größten Kommunikationsunternehmen hat vermutlich erst einem Großteil der Bevölkerung vor Augen geführt, wie schnell es gehen kann, dass vermeintlich sichere Daten plötzlich für Dritte zugängig sind. Selbst ein IT-Unternehmen, von dem man annehmen sollte, dass die höchstmögliche Sicherheit der Daten seiner Kunden eine Selbstverständlichkeit sein sollte, konnte dies nicht erfüllen.

Dass die ÖÄK in ihren Bedenken ELGA gegenüber neuerlich bestätigt wurde, sei hier gleich vorweg festgehalten. Begonnen hat es ja damit, dass ELGA in Begutachtung geschickt wurde, ohne dass die Vorschläge der ÖÄK beachtet wurden.

Schon jetzt gibt es in Österreich genügend Beispiele für gut funktionierende Übermittlungssysteme, mit denen Befunde von Labors oder Röntgeninstituten zu den niedergelassenen Ärzte übermittelt werden; auch zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern gibt es hier schon unzählige, einwandfrei funktionierende Systeme.

Wieso glaubt man, das Rad neu erfinden zu müssen?

Die Schwachstellen von ELGA in der derzeit vorliegenden Form sind bekannt: Nach wie vor besteht die Möglichkeit, dass der Patient jegliche Informationen „ausblenden“ kann – was ja ELGA schon an sich ad absurdum führt. Wie uns auch Datenschutzrechtler bestätigt haben, muss es für ELGA jedenfalls eine Opt in-Regelung geben; d.h. der Patient muss aktiv seine Zustimmung geben. Derzeit ist ja eine Opt out-Regelung vorgesehen, so dass jeder Patient zunächst bei ELGA erfasst wäre. Die Haftung ist nach wie vor ungeklärt, ebenso auch die Kosten; mehrfache diesbezügliche Anfragen unsererseits im Gesundheitsministerium sind bis heute unbeantwortet geblieben.

Die erste Teilanwendung von ELGA, die E-Medikation, die ja derzeit als Pilotprojekt läuft, lässt Schlimmes erahnen. Nicht genug, dass der Hauptverband vom Bundesvergabeamt verurteilt wurde, weil es im Vorfeld keine Ausschreibung gab, gehen aktuelle Studien nun davon aus, dass mit einer regelrechten Kostenexplosion zu rechnen ist. Entgegen den kolportierten 30 Millionen wird das Projekt E-Medikation wesentlich höhere Kosten verursachen. Hinzu kommt, dass nach wie vor ungeklärt ist, wer diese Kosten trägt. Und das in Zeiten, in denen moderne Leistungen auf Kassenkosten nicht finanzierbar sind und in einigen Bundesländern begonnen wird, aus finanziellen Überlegungen Betten in Krankenhäusern zu streichen und Abteilungen zu schließen. Da frage ich mich: Und für ELGA gibt es Geld?

Warum wartet man nicht die Ergebnisse der Pilotprojekte ab? Es besteht nicht der geringste Grund für eine derartige Eile.

Übrigens: In Finnland, wo es bereits seit 2001 die elektronische Gesundheitsakte gibt, haben allein in der Region Helsinki mit rund 600.000 Einwohnern 5.000 Personen (Ärzte, Krankenschwestern, Laborbedienstete, RTAs, Schreibkräfte usw.) Zugriff auf die Gesundheitsakten…


Walter Dorner

Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2011