Steuer: Aktuelle Judikatur – Teil 1

25.06.2011 | Service


1. Normverbrauchsabgabe als Teil der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage – EU-rechtswidrig (EUGH vom 22.12.2010, C/433/09)

Die Einbeziehung der Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeuges erhobenen MWSt ist EU-rechtswidrig. Die Analyse der NoVA durch den EuGH hat ergeben, dass Hauptentstehungstatbestand der NoVA die erste Zulassung des Fahrzeuges im Inland ist. Steuern dürfen aber in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer nur dann einbezogen werden, wenn sie bei der Lieferung von Gegenständen anfallen. Die NoVA fällt aber wie erwähnt mit der ersten Zulassung an, sodass der unmittelbare Zusammenhang zwischen Lieferung und der NoVA fehlt und somit die Voraussetzung für die Einbeziehung dieser Steuer in die MWSt-Bemessungsgrundlage nicht gegeben ist.

Anmerkung: An sich würde das ja bedeuten, dass sowohl die Käufe von Kraftfahrzeugen im Inland als auch die Importe billiger werden müssten. Das hat das BM für Finanzen unter Hinweis auf das NoVA-Gesetz (§ 6 Abs. 6) aber insofern unterbunden, als es erlassmäßig festgestellt hat, dass zwar die NoVA nicht in die MWSt-Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist, dass aber die NoVA selbst im Sinn des § 6 Abs. 6 sich um 20 Prozent erhöht. Im entsprechenden Erlass findet sich auch eine Übergangsregelung.

2. Ausschluss des Verlustvortrags für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung – verfassungswidrig (VfGH vom 30.09.2010 G 35/10 – 9)

Nach den Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes sind Vorträge von Verlusten, die im Jahr der Erzielung mit positiven Einkünften nicht ausgleichsfähig sind, nur für betriebliche Einkunftsarten zulässig, das heißt von den Gewinnen der kommenden Jahre abzugsfähig, wobei bei Überschussrechnern dieser Vortrag auf die Verluste der letzten drei Jahre eingeschränkt ist. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Verluste, die im betreffenden Jahr nicht ausgeglichen werden können, nicht vortragsfähig. Der Verfassungsgerichtshof hat daher diese einschränkenden Verlustausgleichsbestimmungen mit Wirkung vom 31.12.2011 aufgehoben. Dies mit der Begründung, dass zwar nach § 28 EStG Instandsetzungsaufwendungen im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf zehn beziehungsweise gewisse Herstellungsaufwendungen auf 15 Jahre verteilt werden können, dies aber für außerordentliche Kosten und Ausgaben nicht gilt. Durch die Unmöglichkeit, solche Verluste in den kommenden Jahren geltend zu machen, zahlt der Steuerpflichtige Einkommensteuer von einem Einkommen, das er real nicht erzielt hat. Konkret sind die Verluste aufgrund der hohen Abbruchkosten des Gebäudes, aus dem in den Vorjahren immer Gewinne erklärt wurden, entstanden. Dieser Verlust konnte im gleichen Jahr nicht ausgeglichen werden.

Anmerkung: Das Bundesministerium für Finanzen hat sehr rasch reagiert und im Budgetbegleitgesetz 2011 eine Korrektur vorgenommen. Nicht in der erwarteten Form, nämlich dass der Verlustvortrag auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gilt, sondern es wurde eine neue Möglichkeit so ähnlich wie die erwähnten Verteilungsmöglichkeiten bei Instandsetzungsaufwendungen insofern geschaffen, als die entsprechenden Aufwendungen auf zehn Jahre verteilt werden können.

3. Terrassenbepflanzung auch bei körperlicher Behinderung keine außergewöhnliche Belastung (VwGH vom 22.03.2010 2007/15/0256)

Der Steuerpflichtige konnte die notwendigen Arbeiten im Zusammenhang mit der Bepflanzung einer Terrasse, wie Reinigung, Ein- und Auswinterungsmaßnahmen nicht selbst durchführen und hat daher für die Erledigung dieser Arbeit Kosten aufwenden müssen. Ungeachtet der Behinderung sind diese Kosten keine außergewöhnliche Belastung, da ihnen dafür das notwendige Kriterium der Zwangsläufigkeit fehlt. Die Benützung der Wohnung für den Behinderten war ohne die Bepflanzung der Terrasse zumutbar.

4. Vertragsabschlüsse mittels E-Mail – gebührenpflichtig (VwGH vom 16.12.2010, 2009/16/0271)

Der Mietvertrag über einen Büroraum wurde in der Form abgeschlossen, dass ein Angebot per E-Mail gelegt wurde und die Annahmeerklärung ebenfalls per E-Mail mit sicherer digitaler Signatur übermittelt wurde. Nach dem Gebührengesetz sind die aufgezählten Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde verfasst wird. Da aber nicht die Beurkundung, sondern das Rechtsgeschäft selbst Gegenstand der Abgabenerhebung ist, und sich im Gebührengesetz selbst keine Definition des Begriffs „Urkunde“ findet, ist ein E-Mail, das am Bildschirm lesbar ist und das gespeichert wird, einer Urkunde gleichzuhalten. Die Unterzeichnung der Urkunde als Voraussetzung liegt im Vorhandensein der digitalen Signatur im konkreten Fall vor. Die elektronische Signatur ist also der händischen Unterschrift gleichzusetzen. Es wurde die Gebührenpflicht dieses Vertragsabschlusses per E-Mail bestätigt.

5. Gemischte Reisen – anteilige Betriebsausgaben oder Werbungskosten (VwGH vom 27.01.2011, 2010/15/0197)

Die Abzugsfähigkeit der Kosten einer unstreitig betrieblich veranlassten Reise nach China, der allerdings einige Tage einer privaten Reise nach Tibet vorgeschalten waren, wurden seitens des Finanzamts im Hinblick auf die einkommensteuerliche Rechtslage und Judikatur unter dem Titel „Gemischte Reise“ abgelehnt. Der Unabhängige Finanzsenat hatte eine entsprechende anteilige Anerkennung der Reisekosten ausgesprochen, woraufhin das Finanzamt Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ergriffen hat. Dieser hat tendenziell der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes und der erwähnten Rechtsprechung der österreichischen Unabhängigen Finanzsenate folgend, die bisherige eindeutige restriktive Haltung relativiert; zunächst hat er zwar festgestellt, dass im Falle einer untrennbaren Gemengelage von privaten und mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Umständen die Reiseaufwendungen weiterhin grundsätzlich keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Wenn sich aber betriebliche oder beruflich veranlasste Reiseabschnitte klar und einwandfrei von den privat veranlassten trennen lassen, steht nunmehr dem teilweisen Abzug der Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft hinsichtlich der betrieblich und beruflich veranlassten Reiseabschnitte nichts mehr entgegen. Dabei ist für den Aufenthalt auf die Tage abzustellen, das heißt es ist pro Tag die betriebliche oder berufliche Veranlassung zu überprüfen, sollte diese vorliegen, sind die entsprechenden Tages- und Nächtigungsgelder als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig. Bei den Kosten der Hin- und Rückfahrt, also Fahrtkosten und allfälligen Tages- und Nächtigungsaufwendungen (nicht pauschale Tages- und Nächtigungsgelder!) während der Zeit der Hin- und Rückfahrt, ergibt sich daraus die Möglichkeit der Aufteilung im Verhältnis der ausschließlich betrieblich beziehungsweise beruflich veranlassten Aufenthaltstage zu den übrigen Aufenthaltstagen.

Bei den Fahrtkosten ist aber nicht nur das zeitliche Ausmaß der Reiseabschnitte wesentlich, sondern es ist auf den auslösenden Moment für das betriebliche oder berufliche Ereignis abzustellen. Wenn ein unzweifelhaft fremdbestimmtes betriebliches oder berufliches Ereignis als auslösendes Ereignis für die Reise vorliegt, zum Beispiel die Anordnung durch einen Dienstgeber, so steht dem uneingeschränkten Abzug der Fahrtkosten als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nichts entgegen, auch dann nicht, wenn anlässlich einer solchen Reise private Unternehmungen stattfinden.

Zusammenfassend stellt der Verwaltungsgerichtshof fest: Wenn Reisen voneinander abgrenzbare, einerseits durch die Einkünfteerzielung und andererseits privat veranlasste Teile enthalten, sind die durch die Einkünfteerzielung veranlassten Teile Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten. Für den Fall einer qualitativ oder zeitmäßig völlig untergeordneten Mitveranlassung durch die Lebensführung beziehungsweise die Erwerbstätigkeit, richtet sich das steuerliche Schicksal der Fahrtkosten nach der unzweifelhaft und eindeutig im Vordergrund stehenden Veranlassung.

6. Chemotherapie: Perücke als außergewöhnliche Belastung (UFS Wien vom 31.8.2010, RV/2532-W/10)

Wenn Haarverlust in unmittelbarem Zusammenhang mit der verabreichten Chemotherapie steht, also direkte Folge dieser durchgeführten Behandlung ist und wenn versucht wird, die hohe psychische Belastung durch das Tragen einer Perücke vor allem in der Öffentlichkeit zumindest zu begrenzen, entspricht dies der allgemeinen Lebenserfahrung. Das heißt, die Kosten für diese Perücke erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und dienen dem Erträglichmachen der Krankheit. Sie sind daher als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wobei die Notwendigkeit der Perücke so offenkundig ist, dass es der Vorlage einer ärztlichen Verschreibung für die Anschaffung der Perücke ebenso wenig bedarf wie der Vorlage einer Bestätigung eines Facharztes für Psychiatrie.

7. Treppenlift für Behinderten – außergewöhnliche Belastung (UFS Wien vom 5.10.2010, RV/1828-W/09)

Krankheitskosten, die für einkommensschwache Angehörige, zum Beispiel den Vater, übernommen werden, können beim Zahler eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Eine rechtliche Verpflichtung zur Tragung solcher Kosten ergibt sich aus der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern. Daneben kann auch eine sittliche Verpflichtung bestehen. Die konkreten Aufwendungen für einen Treppenlift zu den im Obergeschoß gelegenen Wohnräumlichkeiten der Eltern waren unbestritten durch die Krankheit des Vaters bedingt. Diese Aufwendungen hätten daher auch beim Vater selbst eine außergewöhnliche Belastung dargestellt, die auch nicht um das vom Vater bezogene Pflegegeld zu kürzen wäre. Wäre allerdings eine Wertsteigerung der Wohnung oder des Hauses vorgelegen, so wäre dies der Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung entgegengestanden. Im Allgemeinen erfährt aber eine Wohnung oder ein Haus durch den Umstand einer behindertengerechten Ausgestaltung keine Wertsteigerung, sodass die Kosten als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig waren.

8. Versicherungsprämien für KFZ – Kürzung nach der Angemessenheitsgrenze/Tageszeitungen als Fachliteratur (UFS vom 28.10.2010, RV/0052-L/08)

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der UFS festgestellt, dass eine Kürzung der Betriebskosten des KFZ dann vorzunehmen ist, wenn für ein Fahrzeug, bei dem die Anschaffungskosten zu kürzen sind, aufgrund seiner gehobenen Ausstattung tatsächlich höhere Kosten wie zum Beispiel höhere Servicekosten anfallen. Treibstoffkosten sind in der Regel voll abzugsfähig, wertabhängige Kosten – zum Beispiel Versicherungsprämien und Zinsen – sind hingegen nur abzugsfähig, soweit diese auf die angemessenen Anschaffungskosten entfallen.

Kosten für Fachliteratur, die im Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre stehen, sind als Betriebsausgaben absetzbar, wobei es genügt, wenn die Aufwendungen an sich auch ohne konkret erkennbare Auswirkungen auf die Einkünfte geeignet sind, die Berufschancen zu erhalten oder zu verbessern. Kosten für Literatur, die auch bei nicht in der Berufssparte des Steuerpflichtigen tätigen Personen von allgemeinem Interesse sind, stellen keine steuerlichen Ausgaben dar. Die Aufwendungen für den Bezug von mehreren Tageszeitungen oder Wochenmagazinen sind daher grundsätzlich nicht abzugsfähig und den Kosten der Lebensführung zuzurechnen.

*) HR Dr. Herbert Emberger, Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2011