Steuer: Aktuelles zum Budgetbegleitgesetz 2011

25.09.2011 | Service

Das Budgetbegleitgesetz 2011 hat bekanntlich eine weitreichende Neuregelung der Wertpapierkapitalertragsbesteuerung gebracht; dies insbesondere durch Erweiterung auf die Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen und auf die Einkünfte aus Derivaten. Banken wurden verpflichtet, die entsprechenden Beträge an Kapitalertragssteuer einzubehalten und abzuführen.

Überdies ist unter dem Titel der Budgetsanierung im Familienlastenausgleichsgesetz eine deutliche Herabsetzung des Bezugsalters der Familienbeihilfe vom bisher vollendeten 27. beziehungsweise 26. Lebensjahr nun auf das vollendete 25. beziehungsweise 24. Lebensjahr erfolgt. Im Familienlastenausgleichsgesetz wurde weiters der Mehrkinderzuschlag deutlich reduziert; das heißt mit je 20 Euro ab dem dritten und weiteren Kind festgesetzt.

Diese weitreichenden gesetzlichen Veränderungen haben – nicht überraschend – einige Arbeit für den Verfassungsgerichtshof bedeutet, der zur Frage der Verfassungskonformität dieser Bestimmungen und auch zur Frage der Studienbeihilfen mehrfach angerufen wurde.

Kapitalertragssteuer

VfGH vom 16.06.2011, G 18/11-14: Der Verfassungsgerichtshof hat zu den Anträgen etlicher österreichischer Banken festgestellt:

  • Die Frist für das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen, nämlich der 1.10.2011, ist im Hinblick auf die notwendigen umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen der Banken unzulässig kurz und somit verfassungswidrig. Unabhängig davon hat allerdings das Bundesministerium für Finanzen im Abgabenänderungsgesetz 2011 ohnedies eine Verlängerung dieser Frist, das heißt die Wirkung der neuen Bestimmungen mit 1.4.2012, formuliert, sodass den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes insofern schon Rechnung getragen wurde beziehungsweise wird.
  • Die Einbeziehung der Wertsteigerungen in die Kapitalertragssteuerpflicht ist verfassungskonform.
  • Der Gesetzgeber kann die Mitwirkungspflicht Dritter bei der Steuererhebung vorsehen.
  • Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Verfassungswidrigkeit dieser Mitwirkungspflicht wegen allfälliger höherer Kosten. Auch keine Verfassungswidrigkeit, wenn die Einhebungskosten im Verhältnis zum Ertrag relativ hoch sind.
  • Dass die Einhebungskosten vom Kunden nicht ersetzt werden, macht diese Verpflichtung zur Einhebung nicht verfassungswidrig.

Verfassungswidrig ist also nur die relativ kurze Frist von neun Monaten bis 1.10.2011 für die entsprechenden Vorbereitungen seitens der Banken. Die Einbeziehung der Banken in die Abzugs- und Abfuhrverpflichtung, also die Formulierung der weitgehenden Mitwirkungsverpflichtung, ist unter anderem auch unter Hinweis auf die schon bestehenden Mitwirkungsverpflichtungen, zum Beispiel bei Arbeitgebern im Bereich der Lohnsteuer, nicht verfassungswidrig.

Familienbeihilfe

VfGH vom 16.06.2011 G 6/11-6 Beschwerdeführer Landesregierung Vorarlberg und vom 16.06.2011 G 28,29/11-7 Beschwerdeführer Landesregierung Kärnten:

  • Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich eingeräumt wird, nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bewegungsmöglichkeiten hinauf zu setzen oder auch wieder herab zu setzen, sofern er dabei sachlich vorgeht. Mit der Herabsetzung der Altersgrenze ist der dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum nicht überschritten und ist diese somit verfassungskonform.
  • Es liegt aber auch keine verfassungsrechtlich bedenkliche Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes vor. Es geht bei den Familienbeihilfen nicht um beitragsfinanzierte Anwartschaften, sondern um abgabenfinanzierte Transferleistungen, bei denen ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf unveränderten Fortbestand grundsätzlich nicht besteht; der Gesetzgeber hat auch durch diese Begünstigung die Betroffenen nicht zu besonderen Aufwendungen oder Dispositionen, wie zum Beispiel die Aufnahme eines Studiums, veranlasst!

Die Einschränkung der 13. Familienbeihilfe auf Kinder zwischen dem sechsten und dem vollendeten 16. Lebensjahr bei gleichzeitiger Reduzierung auf 100 Euro ist nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, neben den zwölf Teilbeträgen einen 13. Betrag, also eine Sonderzahlung, vorzusehen. Ist die 13. Sonderzahlung vorgesehen, ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass in der Altersgruppe der Sechs- bis 15-Jährigen, somit im Wesentlichen der Pflichtschüler, bei Schulbeginn typischerweise ein besonderer Mehraufwand besteht, der durch die allgemeine altersabhängige Staffelung der Familienbeihilfe nicht hinreichend berücksichtigt ist. Die Herabsetzung auf die Altersgruppe zwischen dem sechsten und 16. Lebensjahr und des Betrages ist somit verfassungskonform.

Der Antrag des Landes Kärnten zum reduzierten Mehrkindzuschlag (20 Euro ab dem dritten und jedem weiteren Kind) wurde als unzulässig zurückgewiesen, also inhaltlich vom Verfassungsgerichtshof nicht behandelt. Wenn man allerdings den Tenor der sehr umfassenden und vorstehend kurz wiedergegebenen Entscheidungen sieht, ist kaum zu erwarten, dass der Verfassungsgerichtshof von seiner die Verfassungsmäßigkeit bestätigenden Meinung zu diesem Punkt bei einer allfälligen künftigen weiteren Beschwerde abweicht.

Den Reigen der einschlägigen Verfassungsgerichtshofentscheidungen beschließt die nicht unmittelbar zum Bereich Budgetbegleitgesetz 2011 oder Familienlastenausgleichsgesetz gehörende Entscheidung zu den Studienbeiträgen und zur Befreiung von diesen. Der Verfassungsgerichtshof (G 10/11, V 6/11) hat die Verfassungswidrigkeit insofern festgestellt, weil das Gesetz nicht präzise genug regelt, wann Studienbeiträge zu bezahlen sind und wann nicht, weil dabei auf die Studienzeit pro Studienabschnitt abgestellt wird. Es gibt aber nur mehr für die auslaufenden Diplomstudien Studienabschnitte. Für alle anderen Studien ist diese Gliederung nicht mehr vorgesehen. Es bleibt also unklar, wie nun die Studienzeit, die für die Befreiung von Studienbeiträgen maßgeblich ist, zu bestimmen ist. Der Verfassungsgerichtshof hat hiezu eine Reparaturfrist bis zum 29.2.2012 eingeräumt. Kein Wunder, dass damit die Diskussion um das kostenlose Universitätsstudium oder die Einhebung von Studienbeiträgen massive neue Nahrung erhält.


*) Präs. Dr. Artur Wechselberger ist Leiter des Referats für Steuerangelegenheiten in der ÖÄK;
HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2011