Leserbriefe

25.02.2011 | Service


Zum Beitrag „Unrichtig und unwürdig!“ von Dr. Karlheinz Kux, der in der ÖÄZ 23-24 vom 15. Dezember 2010 erschienen ist, ist folgender Leserbrief eingelangt:

In der ÖÄZ 23/24 2010 war eine Kritik des Kammeramtsdirektors der Österreichischen Ärztekammer an einigen Funktionären der niederösterreichischen Ärztekammer zu lesen. Dies wirft mehrere Fragen auf und wird wohl viele zum Nachdenken anregen. Mit welcher Rechtfertigung nimmt ein Angestellter einer Ärztekammer zu politischen Statements von gewählten Vertretern der Ärzteschaft Stellung? Unter diesem Blickwinkel kann man wenigstens den Titel des Textes „Unrichtig und unwürdig!“ berechtigt stehen lassen.

Zunächst freuen wir uns, dass der Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer das Niederösterreichische Consilium liest. Dies ist für uns eine Bestätigung, dass wir hier den richtigen Ton treffen und auch für die Österreichische Ärztekammer wichtige Informationen liefern.

Warum schreibt kein Funktionär?

Unabhängig von der inhaltlichen Beurteilung des mehr durch Polemik als durch greifbaren Inhalt auffallenden Textes ist es seltsam, dass sich zur Problematik von Kassenvertragsablösen kein Funktionär äußert, sondern ein Angestellter der ÖÄK. Machen in der ÖÄK die Angestellten und nicht die Funktionäre Politik? In der niederösterreichischen Ärztekammer sind wir der Ansicht, dass Kammerpolitik ausschließlich Angelegenheit der gewählten Funktionäre ist, die sich auch der Wiederwahl stellen müssen. Kammerangestellte haben ausschließlich die Aufgabe, die Politik der Funktionäre im Hintergrund durch ihre Tätigkeit zu unterstützen.

Kux ignoriert die Meinung der Kurien

Zum Thema verpflichtende Ordinationsablöse gibt es in der Bundeskurie der Angestellten eine klare Beschlusslage und ein klares ‚Nein’. Die Bundeskurie der Niedergelassenen Ärzte hat die Meinungsbildung zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen. Warum also schreibt Dr. Kux zu diesem Thema?

Andere Spielregeln

Überhaupt scheinen für Angestellte der ÖÄK andere Spielregeln zu gelten. Dr. Kux hat das thematisierte Bertl-Gutachten beim Hauptverband vorgestellt, und zwar ohne dass es zuerst im Kammervorstand der ÖÄK und in der Kurie der Angestellten Ärzte der ÖÄK vorgestellt wurde. Dazu sei der nachfolgende Beschluss der Bundeskurie der Angestellten vom 6.10.2010 zitiert:

Dr. Mayer stellt folgenden Antrag:

Die BKAÄ hält fest, dass die Präsentation des „Bertl-Gutachtens“ beim Hauptverband nicht der Vereinbarung entspricht, das „Bertl-Gutachten“ im Vorstand zu besprechen, ehe es an die Öffentlichkeit geht und fordert die BKNÄ auf, diesen Vertrauensbruch rasch zu beheben (um wieder ein Miteinander zu ermöglichen).
Beschluss: einstimmig angenommen

Weiters hat die Bundeskurie der Angestellten ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die Grundlagen des Bertl-Gutachtens bewerten soll. Auch dieser Beschluss der Bundeskurie der Angestellten vom 6.10.2010 sei zitiert:

Dr. Walla stellt folgenden Antrag:
Die BKAÄ gibt ein Rechtsgutachten in Auftrag, das feststellen soll, ob bei einer Übernahme einer Kassenvertragspraxis der Kassenvertrag, der Patientenstock und die Patientenkartei als wirtschaftlich zu bewertendes Gut zu sehen ist. Mit dem Gutachten soll Prof. Dr. Konrad Grillberger aus Salzburg betraut werden. Dafür wird ein Rahmen von bis zu 10.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Beschluss: einstimmig angenommen

Erster Versuch fehlgeschlagen

Dr. Kux hat bereits im Herbst 2009 begonnen, an der verpflichtenden Ablöse zu arbeiten und hat einen Brief an das Bundesministerium verfasst, in dem er die gesetzliche Verpflichtung für eine Ordinationsablöse fordert. Ohne Diskussion in einem Gremium! Ohne jedwede Beschlussgrundlage!

Er hat sich zwar für dieses Vorgehen in der Vollversammlung und im Vorstand der ÖÄK im Herbst 2009 entschuldigt, was die Sache an sich jedoch nicht bereinigt. Es ist aus unserer Sicht inakzeptabel, dass ein Angestellter einer Ärztekammer Kammerpolitik betreibt, und ganz besonders in diesem Ausmaß.

Fachliche Kompetenz

Was die fachliche Beurteilung angeht, ist es traurig, dass der oberste Jurist der Österreichischen Ärztekammer gerade in dieser heiklen Thematik offenbar nur unzureichend über das benötigte Fachwissen verfügt. Dr. Kux behauptet, dass sich aus der Übernahmeverpflichtung der Dokumentation (Patientendatei) durch den Übernehmer einer Kassenplanstelle keine Übergabepflicht durch denjenigen ergibt, der eine Kassenstelle kündigt. Das zuständige Ministerium hat bereits 2002 gegenüber der niederösterreichischen Ärztekammer bestätigt, dass diese Übergabeverpflichtung sehr wohl existiert.

Weiters ist zu betonen, dass die Notwendigkeit der „Pflege“ der Dokumentation aus dem Ärztegesetz ableitbar ist und daher auch bereits über das Honorarsystem als abgegolten zu betrachten ist.

In der logischen Folge stellt sich daher die Frage, wofür verpflichtende Ablösen gezahlt werden sollen? Wenn dies für die Einrichtung, Geräte oder Investitionen in die Ordination gelten soll, würde dies einer Verabschiedung vom Arzt als freiem Unternehmer gleichkommen. Dieser könnte dann nicht mehr an einen anderen Standort innerhalb der Kassenplanstelle gehen, könnte sich nicht für bestimmte Ausstattung entscheiden, bestimmte Ordinationsgröße oder bestimmte Ordinationsschwerpunkte.

Undifferenzierte Betrachtungsweise

Dr. Kux unterscheidet in seinem Kommentar nicht zwischen Kunden und Patienten. Gerade diese differenzierte Betrachtungsweise ist jedoch
bei dieser Thematik unbedingt erforderlich.

Der „Patientenstock“ ist bereits durch das Kassenvertragssystem (Behandlungspflicht in der Ordination gegenüber allen Anspruchsberechtigten) garantiert, daher lässt sich auch hier keinerlei vernünftige Notwendigkeit einer Pflichtablöse ableiten. Der Kundenstock (zusätzlich erworbene Patienten aus anderen Regionen, auf Grund von Schwerpunkten, Zusatzausbildungen etc.) könnte sicherlich unter Berücksichtigung von sinnvollen Begleitmaßnahmen abgelöst werden (Einführung des Nachfolgers, Übernahme der Telefonnummer, gemeinsames Marketing etc.). Jedoch NIE VERPFLICHTEND und immer nur feiwillig.

Dokumentation verpflichtend, Karteiübergabe verpflichtend

In Bezug auf die Kartei gibt es keine Verpflichtung zur Verwendung, nur zur Aufbewahrung. Sie dient dem Patienteninteresse. Dieser kann die Krankengeschichte einsehen, der Arzt kann nur mit Zustimmung des Patienten die Kartei für ärztliche Zwecke verwenden. So steht es eindeutig im Gesetz. Mit welcher Begründung sollte man dafür eine verpflichtende Ablöse einführen? Das käme einer Verpflichtung zum Kauf eines Autos gleich, mit dem man nicht fahren darf. Auch ist die Stellungnahme des Bundesministeriums eindeutig.

Derzeitige Judikatur

Zu guter Letzt bleibt die klare Judikatur des OGH: Ein Kassenvertrag ist nicht veräußerbar, er stellt keine Handelsware dar. Bereits damit ist eigentlich alles gesagt. Das führt uns zurück zum Titel des Textes „Unrichtig und unwürdig!“: Es ist beschämend, wenn in der ÖÄK von Angestellten Kammerpolitik gemacht wird. Es ist beschämend und zusätzlich hochgradig gefährlich, wenn sich diese auf derart wichtiger fachlicher Ebene nur unzureichend informiert zeigen.

Weichen für die Zukunft gestellt, weitere Fragen offen

Es stellt sich aber auch noch die Frage, warum die Österreichische Ärztekammer in Zukunft 2 (zwei) Kammeramtsdirektoren benötigen wird. Ist der eine mit dem Arbeitspensum nicht zurechtgekommen? Hat er seine Arbeit nicht gut gemacht? Warum ist er nicht mit Erreichen des Pensionsantrittsalters in Pension gegangen?

Abschließend wiederholen wir, die von Dr. Kux kritisierten Funktionäre der niederösterreichischen Ärztekammer, unsere Meinung:

  • Ein JA zu Hilfsmitteln, um den Wert einer Ordination zu bestimmen.
  • Ein klares NEIN, diesen ermittelten Wert verpflichtend für eine Ablösezahlung heranzuziehen.
  • Ein klares JA, wenn sich zwei Ärztinnen oder Ärzte auf eine Ablöse und Übergabe einer Ordination einigen.
  • Ein klares JA, eine bestehende Ordination samt Personal zu übernehmen und weiterzuführen, mit vielen Vorteilen für den Übernehmer.
  • Ein klares NEIN zu einer Ordinationsübernahme „um jeden Preis“.

Dr. Christoph Reisner
Präsident der niederösterreichischen Ärztekammer
Dr. Gerrit Loibl, MSc,
Erster Vizepräsident der niederösterreichischen Ärztekammer

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Replik auf die Replik
von Präs. Reisner und VP Loibl

Zum Politikvorwurf: Die Frage, ob für die Hingabe einer Leistung (die ordnungsgemäße Erstellung und ordentliche Führung einer Patientendatei ist nämlich eine Leistung und obendrein noch umsatzrelevant!), ob also für eine solche Leistung ein angemessenes Entgelt zu entrichten ist, ist nicht nur eine politische, sondern auch eine juristische und betriebswirtschaftliche Frage. Nun weiß man ja, dass politische Positionen ideologisch, pragmatisch oder auch nur opportunistisch motiviert und damit bisweilen unbegründbar sind. Juristische und betriebswirtschaftliche Positionen hingegen müssen sachlich begründet und begründbar sein! Es stünde gerade der niederösterreichischen Standespolitik gut an, sich an fundierter, erfahrener juristischer, betriebs- und finanzwirtschaftlicher Beratung zu orientieren.

Zum Zitat des Schreibens vom BMG vom August 2002: Diese Stellungnahme erging vor einer juristischen Diskussion dieses Themas mit der ÖÄK; man wird sehen, wie die Diskussion weitergeht. Außerdem: Selbst dieses Schreiben enthält keine Aussage über eine entgeltliche oder unentgeltliche Übergabe einer Patientenkartei. Ein unentgeltlicher Enteignungsvorgang lässt sich weder aus dem § 51 ÄrzteG noch aus dem Schreiben des BMG ableiten und wird auch in Niederösterreich so nicht gehandhabt. Von einer obligatorischen Ablöse ist in meinem kritisierten Beitrag auch gar keine Rede, sondern lediglich von einem Regelungsbedarf. Die zitierte Judikatur des OGH zur Nichtveräußerbarkeit des Kassenvertrages hat mit dem Thema nichts zu tun und ist selbstverständlich in der Österreichischen Ärztekammer seit langem bekannt.

Zu den Beschlüssen der BKAÄ: Diese sind zwar richtig, werden aber unvollständig wiedergegeben. Denn die für diese Frage zuständige BKNÄ hat dieses Thema auf die Verhandlungsagenda mit dem Hauptverband gesetzt. Im Übrigen ist diese Vorgangsweise inzwischen kammerintern abgestimmt.

Zur Behauptung „Erster Versuch fehlgeschlagen“: Der zitierte Vorgang war kein Versuch, sondern eine offizielle Vorgangsweise. Die „Entschuldigung“ war mit der Erklärung verbunden, dass der Brief an das BMG aufgrund einer politischen Initiative aus dem Parlament als offizielles Schreiben der ÖÄK erfolgte und gleichzeitig allen Landesärztekammern als Rundschreiben zur Kenntnis gebracht wurde. Von eigenständiger Kammerpolitik also keine Rede!

Zu den abschließenden Fragen von Loibl und Reisner meine Person betreffend: Man wird ausschließlich aus Erfolgsgründen über das Pensionsantrittsalter hinaus – zwei Mal sogar – verlängert. Und in Zukunft wird es in der Österreichischen Ärztekammer nicht einen Kammeramtsdirektor und zwei hochqualifizierte Stellvertreter geben, sondern zwei Kammeramtsdirektoren ohne Stellvertreter. Aus einer Dreier-Leitung wird also eine duale Führung. Dies hat das Präsidium der Österreichischen Ärztekammer, dem weder Reisner noch Loibl angehören, einstimmig beschlossen.

Dr. Karlheinz Kux
Kammeramtsdirektor der Österreichischen Ärztekammer

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Zahlreiche Reaktionen gab es zum Beitrag „Mammographie: Fortschritt = Rückschritt“, der in der ÖÄZ 1-2 vom 25. Jänner 2011 erschienen ist.

Die Zukunft der Medizin: wohnhaft in Wulkaprodersdorf, untersucht in St. Pölten, befundet in Mumbai, ärztliche Beratung im Nirgendwo. Ich finde diese Pläne einfach ungeheuerlich! Wehrt Euch! Der Hauptverband möchte – in bewährter zentralistischer Art – zum „Vorteil“ der Gesundheitswirtschaft (= Großinstitute) eure Betreuung institutionalisieren, rationalisieren, kontrollieren und ökonomisieren. … und befundet wird in Indien, Tele-Radiologie machts möglich: dort bekommt man zwei (oder mehr) Röntgenologen zum Preis von einem: Geiz ist Geil! Ich möchte gerne die „Fachleute“, die sich das ausgedacht haben, persönlich kennenlernen. Ich denke, es würde mir einiges einfallen, das ich ihnen sagen würde.
Dr. Christian Husek
Arzt für Allgemeinmedizin/Wien


So ein Schwachsinn kann ja nicht wirklich ernst gemeint sein!!! Aber dafür haben wir ja schließlich unsere Ärztekammer, um das Szenario abzuwenden, oder? Die diesbezüglichen Verträge der Röntgen-Institute und der Krankenkasse müssten doch auch von der Ärztekammer abgesegnet werden? Was sagt der Patientenanwalt dazu?
Dr. Maria Müllner
Ärztin für Allgemeinmedizin/Wien

Auch in der Pharmaindustrie werden uns die Referenten wegrationalisiert, wir sollen nur mehr über Internetportale billig beworben werden. Henry Ford hat einmal einem Gewerkschafter gesagt, welch tolle Errungenschaft die Automatisierung sei und dass er von einer Fabrik träume, in der alles automatisch läuft. Da kam von dem schlagfertigen Gewerkschafter die Antwort, dass dann die Autos von Ford wohl auch von Automaten gekauft würden! Da hat die Schwärmerei dann aufgehört.
Dr. Wolfgang Werner
Arzt für Allgemeinmedizin/Wien

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Zum Beitrag „Husslein und seine ‚Verirrungen’“ (ÖÄZ 3 vom 10. Feber 2011)

Danke für den ausgezeichneten Artikel! Die Keule der Haftung ist wirklich das dümmste Argument zur Qualitätssicherung! Internationale Studien zeigen, dass das empathische bio-psycho-soziale Verständnis und die geschulte Kommunikation in einer tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung Qualität und Patientenzufriedenheit sichern können.
Dr. Hans-Peter Edlhaimb
Arzt für Allgemeinmedizin/Baden

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Zum Beitrag „ELGA: Wer profitiert wirklich?“ (ÖÄZ 23-24 vom 15. Dezember 2010) gab es folgende Reaktion

Der Artikel gibt das Grundproblem der ELGA richtig wieder. Ich danke Ihnen dafür, denn dies kann nicht oft genug erfolgen, möchte man ein adäquates Problembewusstsein und eine Bereitschaft zur Lösung des Problems bewirken. Der Beitrag wird hoffentlich dazu beitragen.
Prof. Dr. Heiko Burchert
FH Bielefeld, Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2011