Vorarlberg: Entlastung für ältere Ärzte

10.03.2011 | Politik

Die Vorarlberger Spitalsärzte fordern seit langem eine Gehaltsreform und bessere Arbeitsbedingungen. Nun werden erste Maßnahmen gesetzt, um ältere Spitalsärzte zu entlasten.
Von Kurt Markaritzer

Bisher waren es die knappen Mittel im Ländle-Budget, die eine umfassende Lösung bei der Gehaltsreform und den Arbeitsbedingungen verhindert haben. Jetzt werden allerdings erste Schritte gesetzt, um wenigstens die dringendsten Verbesserungen vornehmen zu können. Burkhard Walla, Obmann der Kurie angestellte Ärzte in Vorarlberg: „Ein ganz wichtiges Ziel muss es sein, dass die Ärzte länger im Spitalsdienst verbleiben. Das ist aber nur dann erreichbar, wenn die Belastung der älteren Kolleginnen und Kollegen spürbar reduziert wird.“

Die Forderung nach einer merkbaren Entlastung für die älteren Spitalsärzte wird in Vorarlberg plausibel begründet. Bei repräsentativen Tiefeninterviews mit 24 Ärzten in den Krankenhäusern Bregenz, Dornbirn, Hohenems, Rankweil, Feldkirch und Bludenz stellte sich sehr deutlich heraus, dass die Arbeitsbedingungen vielfach bereits als unzumutbar empfunden werden. Nur sieben der 24 Ärzte zeigten sich damals mit den Dienstzeiten einverstanden; für die Mehrzahl ist die pauschalierte Grundarbeitszeit von 48 Stunden zu hoch. Außerdem wurden in Vorarlberg bisher Überstunden kaum angegolten – weder in Zeit noch in Geld.

Groß ist die Unzufriedenheit der Spitalsärzte insbesondere bei der Nachtdienstregelung. Steine des Anstoßes: die durchgehende Arbeitszeit von bis zu 26 Stunden – im Gegensatz zum Pflegepersonal haben Ärzte keinen Wechsel nach zwölf Stunden – sowie die Häufigkeit der Dienste. Sechs bis sieben Mal pro Monat müssen Vorarlbergs Spitalsärzte Nachtdienst leisten, was vor allem für Ärzte über 45 Jahren eine enorme Belastung mit sich bringt.

Die stressreichen Arbeitsbedingungen haben Folgen für das Gesundheitswesen. Immer mehr Fachärzte verlassen das Spital und gehen in die Praxis, wo es weder Nacht- noch Wochenenddienste gibt. Die Konkurrenz für die Spitäler kommt nicht nur aus dem niedergelassenen Bereich, sondern auch aus dem Ausland, weil die Arbeitsbedingungen in Deutschland und der Schweiz mittlerweile deutlich besser sind als im Ländle.

Jetzt gibt es aber erste Anzeichen einer Änderung zum Positiven, berichtet Walla: „Die Politik hat eingesehen, dass die derzeitigen Zustände unhaltbar sind und zumindest in den Krankenhäusern Feldkirch und Bregenz erste Reformschritte ermöglicht.“ Die wesentlichste Neuerung, die vor allem auch den älteren Spitalsärzten zugute kommt, betrifft den Nachtdienst, der bisher pauschal abgegolten wurde, ohne zusätzlichen Zeitausgleich. Seit heuer bekommen die Nachtdienst-Ärzte in Dienst-intensiven Abteilungen in Feldkirch vier Stunden Zeitausgleich und in Bregenz zwei Stunden. Ab dem kommenden Jahr werden für alle Ärzte über 50 von vornherein zwei Stunden gut geschrieben, wenn sie Nachtdienst versehen.

Die dafür nötigen Budgetmittel wurden für das Jahr 2011 im Landtag bereits beschlossen, für die Regelung im kommenden Jahr gibt es Zusagen der Politik.

Burkhard Walla dazu: „Die Neuerung gilt für alle Kolleginnen und Kollegen. Sie wird aber vor allem eine Erleichterung für die älteren Spitalsärzte bringen, die jetzt die Möglichkeit haben, ein zusätzliches Zeitguthaben zu sammeln, das sie für die Erholung nutzen können.“

Nachtdienst = Dauerstress

Wie dringend notwendig die Möglichkeiten zur Regeneration sind, hat sich im Vorjahr bei einer Enquete „Ärzte an den Grenzen“ in Dornbirn gezeigt. Bei der Tagung referierte der Wissenschafter Florian Ernst, der Koautor einer Studie der Medizinischen Universität Innsbruck ist, bei der untersucht wurde, welche Auswirkungen auf den Körper im Nachtdienst gemessen werden können. Seine alarmierenden Feststellungen: „Während des Journaldienstes mit einer 24-stündigen Rufbereitschaft besteht für Mediziner ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. Der Nachtdienst ist quasi ein ‚Dauerstresszustand’, bei dem Herzfrequenz und Blutdruck ständig hoch reguliert sind.“

Nachtdienste und verlängerte Arbeitszeiten schädigen nicht nur die Gesundheit der Ärzte nachhaltig, sondern stellen auch ein allgemeines Sicherheitsrisiko dar, warnte Ernst: „Es liegen Daten vor, dass die Reaktionsfähigkeit der Ärzte nach langen Diensten ähnlich wie bei einer leichten Alkoholisierung mit etwa 0,8 Promille ist.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2011