Ultrafeinstaubbelastung in Wiener Lokalen: Ergebnisse „erschreckend“

25.11.2011 | Politik

Das Nichtraucherschutzgesetz bietet nicht genügend Schutz vor den Folgen des Passivrauchens. Selbst in abgegrenzten Nichtraucherbereichen sind die Ultrafeinstaub-Konzentrationen gefährlich hoch, wie eine Studie der Medizinischen Universität Wien zeigt.
Von Birgit Oswald

Mit dem Ende der Übergangsfrist des neuen Tabakgesetzes am 1. Juli 2010 müssen alle Einraumlokale, die größer als 50 Quadratmeter sind, Nichtraucherlokale sein oder aber der Raucher- vom Nichtraucherbereich getrennt sein. Die Bilanz nach einem Jahr ist ernüchternd, wie eine Studie des Instituts für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien zeigt. Das derzeitige Nichtraucherschutzgesetz ist demnach keineswegs in der Lage, Besucher in und Mitarbeiter von gastronomischen Betrieben ausreichend zu schützen. Die Ergebnisse werden von Studienautor Armin Schietz sogar als „erschreckend“ bezeichnet: „Es reicht weder die Trennung der Räumlichkeiten aus, noch wird das Nichtrauchergesetz ausreichend ausgeführt.“

Konkret wurden im Zeitraum vom 6. November 2010 bis 6. Mai 2011 mittels Spezialgeräten Messungen in 114 Räumen von 88 Wiener Lokalen – 16 Cafés, 51 Bars und Pubs, 14 Restaurants sowie sieben Diskotheken – vorgenommen. In jedem Bereich wurde 20 Minuten in den Hauptbetriebszeiten der Lokale gemessen. 22 Lokale waren Nichtraucherlokale, 20 Raucherlokale, 46 verfügten sowohl über Raucher- als auch Nichtraucherbereiche. Besonders auffällig war Schietz zufolge die hohe Zahl an Verstößen gegen das Tabakgesetz: „61 Prozent haben ein- oder mehrfach gegen das Gesetz verstoßen. Das hat etwa Kategorien wie die Abgrenzung und die Kennzeichnung der Räume betroffen“, erläutert Schietz. In zwölf Betrieben waren Raucher- und Nichtraucherräume gar nicht oder falsch gekennzeichnet; in 24 war die Verbindungstür ständig geöffnet. In 14 Lokalen fehlte ein abgetrenntes Nichtraucherzimmer, obwohl dieses gesetzlich vorgeschrieben ist. In sechs Gaststätten war der Hauptraum als Raucherraum ausgewiesen. 13 Lokale gestatteten den Konsum von Zigaretten auch im Nichtraucherbereich. Besonders negativ fielen die getesteten Diskotheken auf: Nur eine einzige der sieben überprüften Diskotheken hat den Vorgaben des Nichtrauchergesetzes entsprochen.

Die gemessene Ultrafeinstaub- und Feinstaubbelastung war in Raucherlokalen mit Werten von 66.000 pt/cm3 und PM2.5-Werten von 172,3 μm/m3 am höchsten. Selbst verkehrsreiche Straßen verfügen demnach über deutlich bessere Luftverhältnisse. Die Nanopartikel-Konzentration in den untersuchten Räumen hat die Vergleichswerte in den angrenzenden Straßen bis zum Elffachen überschritten. Weiters waren die Unterschiede zwischen reinen Nichtraucherlokalen und Nichtraucherbereichen mit angrenzenden Raucherräumen signifikant. Bereiche, die an die Raucherzone angrenzen, sind ebenfalls stark belastet und weisen bis zu dreieinhalb Mal so hohe Belastungswerte wie Nichtraucherlokale auf. „Bereits das kurze Öffnen der Türe beim Betreten oder Verlassen des Raucherraums führt dazu, dass die Ultrafeinstaub- und Feinstaubbelastung im Nichtraucherraum steigt“, veranschaulicht Schietz. Vor allem für Menschen, die in dieser Umgebung arbeiten müssen, stellen Erkrankungen, die mit der hohen Passivrauchbelastung einhergehen, eine Gefahr dar. „Die gefährlichen Feinstaubpartikel sind mit freiem Auge nicht sichtbar und dringen über die Atemwege bis tief in die Lunge und ins Blut, wodurch die Entzündungsfaktoren steigen“, erklärt Univ. Prof. Manfred Neuberger vom Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien.

Akuter Handlungsbedarf

Für Ärztekammer-Präsident Walter Dorner besteht angesichts der Studienergebnisse „akuter Handlungsbedarf“. „Das jetzige Gesetz stellt eine nicht zufriedenstellende Lösung dar“, betont Dorner und erneuert seine Forderung, „ein generelles Rauchverbot, wie es bereits in Italien oder Irland Praxis ist, auch in Österreich einzuführen“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2011