Mammographie-Screening: Fortschritt = Rückschritt?

25.01.2011 | Politik

Diese Frage stellten sich die Vertreter der Kurie niedergelassene Ärzte angesichts der geplanten Neustrukturierung des Mammographie-Screenings in Österreich: So soll es künftig nur noch 20 Institutionen für solche Untersuchungen geben. Und: Die niedergelassenen Ärzte spielen bei der Überweisung keine Rolle mehr.
Von Agnes M. Mühlgassner

Konkret ist Folgendes für das Mammographie-Screening geplant: Die Einladung erfolgt via Call-/Recall-System zu einem bestimmten Termin in eines der Zentren. Eine Wahlmöglichkeit der Frauen zwischen verschiedenen Einrichtungen oder eine Überweisung vom niedergelassenen Arzt/Facharzt ist nicht mehr vorgesehen. Die Mammographie selbst erfolgt ohne Arztkontakt; zwei Radiologen befunden die Bilder. Werden verdächtige Strukturen gefunden, wird die Frau mittels Brief zu einer neuerlichen Untersuchung einberufen, im Zuge derer ein Ultraschall, eine weitere Röntgenaufnahme oder eine MR-Mammographie erfolgen. „Unzumutbar“ ist es für Franz Frühwald, Vorsitzender der Fachgruppe Radiologie in der ÖÄK, dass den Frauen erst nach 14 Tagen mitgeteilt wird, wie die Mammographie ausgefallen ist. „Solche Ergebnisse müssen Ärzten ihren Patientinnen mitteilen, ihnen auch die erforderlichen Informationen geben und die entsprechenden Betreuungsmaßnahmen setzen.“

Statt 200 nur 20

Gedacht ist, dass künftig alle Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren im Rahmen dieses Projekts erfasst werden sollen. Allerdings soll es nur noch zwischen zehn und 20 solcher Stellen geben – und dies vor allem in den Landeshauptstädten – was eine wesentlich schlechtere Zugängigkeit für die Frauen bedeutet. Nur zum Vergleich: Heute gibt es rund 200 Institutionen, in denen eine Mammographie durchgeführt werden kann. Frühwald sieht insgesamt nicht den geringsten Änderungsbedarf an der jetzt praktizierten Vorgangsweise: „Österreich ist gemessen an der bereits erfolgten Reduktion der Brustkrebs-Mortalitätsrate auf 18 von 100.000 Frauen mit seinem opportunistischen Screening genauso erfolgreich wie etwa die skandinavischen Länder, wo es zentralisierte Einrichtungen gibt“.

Wieso man dieses Erfolgsmodell Österreich dann umstellen will? „Der Hauptverband sieht darin Einsparungsmöglichkeiten und beabsichtigt offenbar, Mittel aus der Diagnostik in die eigene Verwaltung umzuleiten“, sagt Frühwald. Aus medizinischer Sicht gibt es darüber hinaus einen weiteren negativen Punkt im neuen Screening-Projekt: Ein zusätzlicher Ultraschall oder eine zusätzliche MRT sind dann nicht mehr unmittelbar im Anschluss an die Mammographie möglich. Das ist auch der Grund, wieso im Moment bei diesem Projekt Funkstille angesagt ist – man konnte sich hier einfach nicht einigen. In der Steuerungsgruppe, dem Lenkungsgremium, wurde der Beschluss gefasst, dass sowohl die Doppelbefundung erfolgen möge als auch der Ultraschall Teil der Früherkennungsuntersuchung sein solle. Im Protokoll wurde jedoch lediglich festgehalten, „über den Ultraschall als additive Methode nachzudenken“, weiß Frühwald. Dagegen haben die stimmberechtigten Landesräte aus Vorarlberg und Salzburg ebenso wie die ÖÄK schriftlich protestiert. Auf die Protokoll-Berichtigungswünsche wurde bis dato nicht reagiert; von Seiten der Projektbetreiber hat man insofern (nicht) reagiert, als die Steuerungsgruppe, in der das Protokoll beschlossen werden soll, bisher nicht mehr einberufen wurde.

Dass es hier um eine nicht unbeträchtliche Gruppe an Betroffenen geht, veranschaulichen folgende Zahlen: Bei rund 30 Prozent aller Frauen ist die Dichte der Brust deutlich erhöht. Die Mammographie ist in diesen Fällen nur eingeschränkt verwertbar. Durch eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung kann die Sensitivität von 50 Prozent auf 80 Prozent angehoben werden. Die Position der Standesvertreter formuliert Frühwald wie folgt: „Es ist für uns nicht tolerabel, dass der Ultraschall bei dichter Brust nicht verpflichtend ist.“

Ohne Überweisung

Darüber hinaus ist auch vorgesehen, dass die Mammographie in Zukunft nur noch mit einem Einladungsbrief möglich ist, das heißt: ohne Überweisung vom niedergelassenen Arzt oder Facharzt. Weiters gab es bereits von Mitarbeitern der Sozialversicherung Ankündigungen, die E-Card aller Frauen zwischen 50 und 69 Jahren für eine kurative Mammographie zu sperren. „Damit ist keine Überweisung mehr vom Arzt zum Radiologen möglich“, erläutert der Radiologe Frühwald. De facto sind die Allgemeinmediziner und die niedergelassenen Gynäkologen von der Betreuung der Frauen in puncto Brustkrebsvorsorge ausgeschlossen – „ein unzumutbarer Rückschritt“, wie Frühwald betont. „Für eine sinnvolle Beteiligungsrate ist eine solche Zentralisierung kontraproduktiv. Schließlich wissen wir, dass gerade die niedergelassenen Ärzte einen wesentlichen Faktor darstellen, Frauen zur Teilnahme an der Mammographie zu bewegen und natürlich dann auch eine enorm wichtige Rolle bei der Besprechung von allfälligen verdächtigen oder pathologischen Befunden haben.“ Und eines ist für Frühwald auch ganz klar: „Die Annahme der Projektbetreiber, ein derartiges Unterfangen ohne die Unterstützung der österreichischen Ärztinnen und Ärzte erfolgreich umsetzen zu können, ist völlig realitätsfern.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2011