Mammographie-Screening: Rasche Umsetzung gefordert

25.03.2011 | Politik

Nachdem unter Mitwirkung namhafter, internationaler ExpertInnen in wesentlichen Punkten Konsens hinsichtlich einer Neustrukturierung der Brustkrebsfrüherkennung in Österreich erzielt werden konnte, plädiert der Fachgruppenobmann Radiologie in der ÖÄK, Franz Frühwald, für eine rasche Umsetzung.
Von Birgit Oswald

In die Diskussion rund um das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm ist nun Bewegung gekommen. Ein internationales Expertengremium hat die Kritik der österreichischen Radiologen gegenüber dem vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger geplanten Mammographie-Screening-Programms bestätigt. Die internationalen und nationalen Fachleute tagten auf Einladung des Gesundheitsministers Anfang März 2011 in Wien. „Das internationale Expertengremium hat die Meinung der österreichischen Radiologen untermauert. Daher ist der Weg frei, ein optimales Programm für die österreichischen Frauen umzusetzen. Wir würden das sehr begrüßen“, betont der Obmann der Bundesfachgruppe Radiologie der Österreichischen Ärztekammer, Franz Frühwald.

Konsens erzielten die Experten darüber, dass bei dichtem Brustgewebe oder sonstigen Auffälligkeiten sofort nach der Mammographie ein Ultraschall erfolgen soll. Die Befundauswertung soll unmittelbar nach der jeweiligen Untersuchung erfolgen. Die Übereinstimmung der Experten stellt die Kontraposition zur bisher geplanten Vorgehensweise des Hauptverbandes dar – nämlich erst dann einen Ultraschall vorzunehmen, wenn die Frau einen positiven Mammographie-Befund erhalten hat. Dazu hätten die Betroffenen erneut zum Untersuchungszentrum anreisen müssen. „Im Gegensatz zu den wegen dichten Brustgewebes oder anderen Auffälligkeiten erforderlichen 40 Prozent wären auf diesem Weg nur fünf Prozent der Frauen zu einer erneuten Untersuchung einberufen worden. Viele Frauen wären nicht mehr zur weiteren Abklärung gekommen“, erklärt Frühwald. Das Vorhaben des Hauptverbandes wäre – auch im Hinblick auf evidenzbasierte Medizin – nicht patientinnenorientiert gewesen, wie Rita Offenberger, Juristin in der ÖÄK, untermauert: „Der Patientenwunsch ist in der Definition von evidenzbasierter Medizin enthalten. Man hätte den Patientinnen quasi sagen müssen, dass sie die Ultraschalluntersuchung bei dichtem Brustgewebe oder einer Auffälligkeit nicht wie bisher sofort bekommen, sondern erst, wenn das der zweitbefundende Arzt bestätigt.“

Besonders hohe Wellen hatte das Vorhaben des Hauptverbandes – Frauen schriftliche die Befunde zu übermitteln, ohne den Vertrauensarzt einzubeziehen – geschlagen. Die Betroffenen wären dann mit einem eventuell positiven Befund allein gelassen gewesen. Für das vom Expertengremium vorgeschlagene flächendeckende Mammographie-Screening ist daher die Übermittlung einer Befundkopie an den genannten Vertrauensarzt vorgesehen, wenn die Patientin diesen angibt.

Auch in punkto der umstrittenen Doppelbefundung konnte Einigkeit erzielt werden. Wie Frühwald im Gespräch mit der ÖÄZ erläutert, zeigte sich, dass die Trennung von Ultraschall und Doppelbefundung nicht haltbar ist. Die verblindete Doppelbefundung wird von Seiten der Bundesfachgruppe Radiologie befürwortet, wobei die getrennte Erfassung der Befunde hierbei besonders wichtig sei.

Besonders erfreut zeigt sich Frühwald über das geplante Einladungssystem, wo Frauen im Alter von 45 bis 70 Jahren rechtzeitig zu einem Mammographie-Screening eingeladen werden sollen. Ärzte können aber weiterhin in Verdachtsfällen zu kurativen Mammographie-Untersuchungen überweisen. Bekanntlich sollte nach den Plänen des Hauptverbands der Zugang zum Screening nur mit einer schriftlichen Einladung durch die Sozialversicherung möglich sein.

Hervorragende Projektergebnisse

Die österreichischen Radiologie-Experten hatten schon anhand sensationeller Projektergebnisse in Salzburg und Tirol auf das nun durch das Expertengremium bestätigte Vorgehen gedrängt. Die aktuellen Beschlüsse des Expertengremiums decken sich großteils mit den Ergebnissen des Projekts in Salzburg. Dort erhielten Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren alle zwei Jahre eine schriftliche Einladung, um am Screening teilzunehmen. Arzt und Untersuchungs-Termin konnten frei gewählt werden. Alle Frauen hatten während der Untersuchung Arztkontakt und mussten einen Vertrauensarzt, der anschließend einen Befund erhielt, festlegen. Bei dichtem Brustgewebe (ACR 3 und 4) wurde sofort nach der Mammographie geschallt, dies war bei 27 Prozent der Fall. Außerdem fand eine verblindete Doppelbefundung durch zwei Radiologen statt. Konnten sich der Erst- und Zweitbefunder nicht einigen, wurde eine Drittbefundung durch den radiologischen Projektleiter durchgeführt. Die Frauen bekamen sofort nach der Erstbefundung Auskunft über ihren Gesundheitszustand; nach der Doppelbefundung wurde die endgültige Diagnose mitgeteilt. Zusätzlich zum persönlichen Gespräch folgte ein schriftliches Schreiben. In den ersten beiden Jahren wurden 6.495 Frauen untersucht; insgesamt wurden 32 Karzinome gefunden, davon mussten nur 1,2 Prozent der Frauen wieder einbestellt werden. Dieses Ergebnis deckt sich nach Angaben des Salzburger Projektleiters Christian Weismann mit den Ergebnissen des Tiroler Projekts. Von den gefundenen Karzinomen waren drei noch nicht invasiv und elf kleiner oder gleich zehn Millimeter. Drei Karzinome konnten allerdings nur mit Ultraschall gesehen werden. „Die Ergebnisse sind besser als die EU-Vorgaben , das ist wirklich ausgezeichnet. Das Projekt kann als repräsentative Stichprobe für Österreich gesehen werden. Es ist wirklich wünschenswert, das Projekt österreichweit so umzusetzen“, so Weismann.

Ähnlich lief das Projekt in Tirol ab: Die Tiroler Frauen wurden schriftlich zur Mammographie eingeladen, das Einladungsschreiben diente aber nicht als Zugangsvoraussetzung zur Untersuchung. Die Zuweisung erfolgte durch Gynäkologen oder praktische Ärzte. Wie im Salzburger Projekt standen auch Ärzte und Termine zur freien Auswahl. Der wesentliche Unterschied lag darin, dass im Tiroler Projekt keine Mammographie – Doppel- oder Drittbefundung stattgefunden hat. Unmittelbar im Anschluss an die Mammographie wurde bei auffälligen Befunden geschallt. „Wir hatten eine Recall-Rate von 1,4 Prozent und eine Biopsierate von 0,89 Prozent. Als einziges österreichisches Modellprojekt führen wir seit drei Jahren regelmäßige Evaluierungen nach EU-Leitlinien durch und haben sämtliche von der EU geforderten Ergebnisqualitäts-Parameter auf Anhieb erreicht und übertroffen. Das sind exzellente Ergebnisse. Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass durch den zusätzlichen Einsatz des Ultraschalls bei Frauen mit dichter Brust 41 Prozent mehr Karzinome entdeckt wurden als mit der Mammographie allein“, resümiert der Tiroler Projektleiter Univ. Prof. Wolfgang Buchberger.

Finalisierung notwendig

Nun gehe es darum, die noch offenen Punkte zu klären, wie ÖÄK-Juristin Offenberger anmerkt: „Man wird mit den medizinischen Ergebnissen des Expertengremiums in der Steuerungsgruppe weiterarbeiten und jene Punkte, die noch offen sind, wie etwa die wissenschaftliche Begleitung, weiter abklären. Bis Anfang Juli soll die endgültige Entscheidung fallen.“ Die Daten, die aus den Screenings erhoben werden, sollen den Radiologen für die wissenschaftliche Analyse zur Verfügung gestellt werden. Frühwald pocht indessen auf eine schnelle Umsetzung der Empfehlungen und appelliert an die Politik: „Ob und wann das organisierte Brustkrebs-Screening-Programm umgesetzt, wird nicht an uns Radiologen liegen, aber auch nicht an uns scheitern! Es wären jetzt etliche Hindernisse aus dem Weg geräumt. Es ist ein Konsens hergestellt, wie das medizinisch zu sein hätte. Wir wünschen uns eine baldige Umsetzung“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2011