Kommentar – Univ. Prof. Hildegunde Piza: Wenn Ärzte werben

25.01.2011 | Politik

Wieviel Werbung verträgt der Arztberuf? Ab wann sind die Grenzen der Seriosität überschritten? Vermutlich haben sich das nicht nur Mediziner gefragt angesichts des Trends, der inzwischen auch Österreich erreicht hat: Ein österreichisches Boulevardblatt lockt Leser mit der Verlosung von Beauty-OPs – durchgeführt von „Österreichs besten Chirurgen“. Kurz davor standen selbige samt „Kundinnen“ und Privatleben im Mittelpunkt einer achtteiligen Privat-TV-Serie über „Schönheitschirurgen“. Wann ist die Grenze des Verbots der „Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche bzw. marktschreierische Darstellung“ (vgl. Werberichtlinie der ÖÄK 2003, Art. 3, c) überschritten – und wann bloß jene des guten Geschmacks?

Sicherlich: Das ärztliche Berufsbild hat sich gewandelt, die Informationstechnologien bieten neue Möglichkeiten. Aus ethischer Sicht ist aber auch klar, dass sich das spezifische Verhältnis von Arzt und Patient von anderen Dienstleistungs- und Informationsverhältnissen unterscheiden muss. „Medizinische Informationen und Leistungen sind nicht Dienstleistungen wie alle anderen. Grundsätze wie ‚nihil nocere’ und ‚neminem laedere’ gelten für ärztliche Werbung und Kommunikation nicht weniger als für die eigentliche ärztliche Behandlung“, betonte erst kürzlich die Zentrale Ethikkommission bei der Deutschen Bundesärztekammer (ZEKO). Auf die vom ZEKO im Oktober 2010 veröffentlichte Stellungnahme mit dem Titel „Werbung und Informationstechnologie: Auswirkungen auf das Berufsbild des Arztes“ näher einzugehen, ist lohnend. Anlass waren die gravierenden Veränderungen des Berufsbilds des Arztes angesichts ökonomischer und rasanter informationstechnologischer Entwicklungen, der Liberalisierung des Werberechts für freie Berufe und den daraus resultierenden Fragen nach den Grenzen der Werbung im Medizinbereich.

In technischer Hinsicht haben neue Kommunikationsformen wie Internet, interaktive Medien und E-Mail die Tätigkeit des Arztes und das Verhältnis zwischen Arzt um Patient verändert. In ökonomischer Hinsicht versuchen viele Ärzte, sich mehrere Standbeine und damit neue Erwerbsquellen zu erschließen. Insofern entsteht ein „Gesundheitsmarkt“, für dessen Angebote auch geworben wird. Wenn also auf dem Gesundheitssektor etwas nicht „auf Krankenkasse“ geht, sondern aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss, wird es zur „Ware“, der Patient zum umworbenen Kunden. Es ist offenbar ein großer Bedarf an solchen ärztlichen Leistungen entstanden, die nicht der Therapie von Krankheiten dienen, sondern „proaktiv“ auf gesteigerte Fitness, physische und psychische Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und langfristige Vorsorge abzielen. Nicht nur Kranke, sondern zunehmend auch Gesunde werden insofern zu „Konsumenten“ medizinischer Leistungen.

Werbung reagiert nicht nur auf Bedürfnisse, sie weckt diese auch. Wenn Patienten mit Informationen überschwemmt werden, die das kritische Verständnis des Laien übersteigen beziehungsweise falsche Hoffnungen wecken (wunscherfüllende Medizin, Enhancement usw.), dann kommt es zur weiteren Entkopplung der Arzt-Patienten-Beziehung. Ärzte werden zu Dienstleistungsanbietern, die dann auch konkurrenzorientierten Bewertungsformen unterworfen werden in Form von fragwürdigen Rankings wie „Die 100 besten Ärzte“ usw.

Zweifellos: Werbung von Ärzten kann durch fundierte und sachgerechte Information die Selbstbestimmung des Patienten fördern und das Vertrauen zwischen Arzt und Patient stärken. Für die ethische und rechtliche Bewertung ist festzuhalten, dass Grundsätze wie nicht zu schaden und die persönliche Integrität auch für die ärztliche Werbung gelten müssen. Der Patient muss weit entfernt vom Verdacht gehalten werden, im Arzt einem profitorientierten Vermarkter von Gesundheitsleistungen zu begegnen.

Die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der Deutschen Bundesärztekammer darf durchaus als mutig und innovativ bezeichnet werden. Sie regt ethisch dringend gewordene Standards an. Mal sehen, was davon bis nach Österreich dringt.

Tipp:
www.zentrale-ethikkommission.de/
(Stellungnahmen–Werbung und Informationstechnologie)

*) Univ. Prof. Dr. Hildegunde Piza ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von IMABE – Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2011