Interview – Vize-Präs. Günther Wawrowsky: Gemeinsam mehr erreichen

10.03.2011 | Politik

Für einen Neubeginn der Kommunikation zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherungen spricht sich Günther Wawrowsky, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, im Gespräch mit Kurt Markaritzer aus.


ÖÄZ: Im Zusammenhang mit dem so genannten Masterplan Gesundheit des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wurden sehr kritische Stellungnahmen der Ärzte veröffentlicht. Jetzt soll es dazu gemeinsame Gespräche geben. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Wawrowsky: Es gab nicht nur kritische Stimmen, sondern eine eindeutige Ablehnung der Pläne des Hauptverbandes. Die Vollversammlung der ÖÄK hat sich Mitte Dezember entschieden gegen das Konzept ausgesprochen, weil es grundsätzliche Inhalte einer gültigen Vereinbarung zwischen ÖÄK und Hauptverband verletzt. Die Kurie niedergelassene Ärzte hat damals vorerst alle Gespräche mit dem Hauptverband ausgesetzt. Inzwischen war genügend Zeit für eine Nachdenkpause auf allen Seiten und damit ergibt sich die Chance auf einen neuen Anfang der Kommunikation zwischen Hauptverband und Ärztekammer.

Was wird konkret geschehen?

Der Bundesärzteausschuss, der aus Delegierten der Ärztekammer und des Hauptverbandes zusammengesetzt ist, wird zu einer Aussprache über das prinzipielle Vorgehen in der Gesundheitspolitik zusammenkommen. Wir werden dabei die Gelegenheit nützen, neuerlich unsere grundlegenden Vorschläge zu einer Reform der Gesundheitspolitik in Österreich vorzulegen. Man wird dann sehen, wo Gemeinsamkeiten bestehen und wo eventuell Gegensätze überwunden werden müssen. Wir sind jedenfalls grundsätzlich daran interessiert, dass die Kommunikation zwischen Sozialversicherungsträgern und Ärzteschaft wieder funktioniert und wir hoffen, dass im Hauptverband dabei jene Kräfte zu Wort kommen, die an einer konstruktiven Gemeinsamkeit interessiert sind.

War das in der Vergangenheit nicht der Fall?
Ich will nicht auf Fehler in früheren Zeiten eingehen, denn davon hat niemand etwas. Es hat da sicher manche Enttäuschungen gegeben, aber das ist vorüber. In der Politik soll und darf man nicht nachtragend sein, sondern sich immer bemühen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen.

Die Gesprächsbasis soll also besser werden?
Das hoffe ich sehr und das hat auch seine Gründe, denn es hat sich gezeigt, dass wir gemeinsam viel erreichen können. Ich erinnere daran, dass wir im Jahr 2009 in vier Arbeitsgruppen Reformvorschläge zu den Krankenkassen entwickelt haben, deren Ergebnisse erst vor kurzem sichtbar geworden sind: Die Krankenkassen in Österreich bilanzieren – ausgenommen die Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft – alle positiv. Neben der Politik der Ärzteschaft, die sich bei den Honorarverhandlungen moderat verhalten, Honorarabschlüsse weit unter der Inflationsrate akzeptiert und auch die Bestrebungen zu Einsparungen bei den Medikamenten aktiv unterstützt hat, war es vor allem der gemeinsame politische Druck, der Erfolg gehabt hat. Es ist der Ärztekammer zusammen mit den Repräsentanten des Hauptverbandes gelungen, den politischen Parteien begreiflich zu machen, welchen Stellenwert das Sozialversicherungssystem in Österreich hat. Und wir haben gemeinsam die Einsicht der Politik herbeigeführt, dass dafür auch öffentliche Mittel flüssig gemacht werden müssen. Zusammen sind wir einfach stärker und können im Interesse der Patienten mehr erreichen.

Was zum Beispiel?
Ich will den Gesprächen im Bundesärzteausschuss nicht vorgreifen, aber es muss klar sein, dass aus der positiven finanziellen Entwicklung der Krankenkassen keine falschen Konsequenzen gezogen werden dürfen. Es wird wichtig sein, dass die Gewinne nicht ausschließlich zum Abdecken von Defiziten verwendet werden, sondern dass auch Investitionen in die Entwicklung der Kassenmedizin möglich sind.

Wo besteht besonderer Handlungsbedarf?
Ich nenne ein paar Beispiele: Medizinisch empfehlenswerte Untersuchungen wie die flexible Endoskopie im HNO-Bereich, die onkologische Therapie bei Internisten und Allgemeinmedizinern oder Entwicklungs-neurologische Untersuchungen von Kindern müssen derzeit bei einzelnen Kassen selbst bezahlt werden; das benachteiligt die dort versicherten Österreicherinnen und Österreicher. Zudem gehört der Stellenplan endlich angepasst, um Spitalsambulanzen zu entlasten und teure stationäre Aufnahmen zu verhindern. Und es darf auch nicht so bleiben, dass Österreich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie europaweit das Schlusslicht bildet, was die Versorgung betrifft.

Die Knackpunkte

Bei der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer im Dezember des Vorjahres wurde der Masterplan Gesundheit in einer Resolution noch scharf kritisiert. Wörtlich hieß es damals unter anderem:

Dieser Masterplan verletzt ganz grundsätzliche Inhalte der geltenden Vereinbarung mit der Österreichischen Ärztekammer vom 10. Juni 2009.

In dieser wurde zum Beispiel die Bedarfsprüfung und -versorgung für den ambulanten Bereich der jahrzehntelangen und bewährten Rechtslage entsprechend zwischen Sozialer Krankenversicherung und Österreichischer Ärztekammer vereinbart. Laut Masterplan soll in Zukunft die Bedarfsplanung für die Versorgung mit Gesundheitsleistungen nur mehr von den Financiers erstellt und entwickelt werden. Da diese einen ganz anderen, nämlich finanzpolitischen Zugang dafür haben, lehnen wir diese Position ab, weil die Ärztinnen und Ärzte aus ihrer täglichen Arbeit mit den Patientinnen und Patienten bei der Bedarfsprüfung und -entwicklung unverzichtbar sind.

Auch die Qualitätsentwicklung, Prüfung und Evaluierung wurde für die ambulanten Versorgungseinrichtungen im Vertrag vom 10.6.2009 im Wege des partnerschaftlichen Modells der ÖQMed vereinbart, an der der Hauptverband mitwirkt; im Masterplan hingegen wird anstelle dessen ein unabhängiges Institut gefordert. Das ist ein glatter Vertragsbruch.

Der Masterplan wird aber auch deshalb zur Gänze abgelehnt, weil es dem Hauptverband insbesondere für den Spitalsbereich um seine Einflussnahme mit finanzbeherrschenden Maßnahmen geht, ohne auf den Fortschritt der Medizin und die Behandlungsbedürfnisse der Patienten auch nur einzugehen.

Der Masterplan wird letztlich auch deshalb ganz grundsätzlich abgelehnt, weil der Hauptverband für sich eine Position für die Planung, Steuerung, Finanzierung und Controlling des Gesundheitswesens gleichrangig mit Bund und Ländern fordert. Dafür fehlt ihm aber jegliche demokratische Legitimation, weil im Unterschied zu den demokratisch gewählten Organen auf Bundes- und Landesebene die Organe des Hauptverbandes weder durch die Versicherten noch durch die österreichische Bevölkerung gewählt werden. Der Hauptverband möge sich daher darauf besinnen: eine von der Politik gesetzlich eingerichtete Institution zur Umsetzung gesundheitspolitischer Vorgaben und Systeme – insbesondere für den ambulanten Versorgungsbereich – innerhalb vom Gesetzgeber festgelegter rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen zu sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2011