Interview – Vize-Präs. Günther Wawrowsky: Plädoyer für eine Gesprächskultur

25.04.2011 | Politik



Nach einer mehrmonatigen Pause wegen des vom Hauptverband präsentierten „Masterplan Gesundheit“ tagte kürzlich wieder der Bundesärzteausschuss. In einigen Bereichen konnte Klärung erzielt werden, berichtet der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Günther Wawrowsky, im Gespräch mit Birgit Oswald.

ÖÄZ: Was genau ist eigentlich der Bundesärzteausschuss?
Wawrowsky: Das ist ein Treffen von Vertretern des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer – insbesondere der Kurie der niedergelassenen Ärzte, die Vertragspartner ist. Die Ärztekammer wurde durch Vizepräsident Wechselberger, aus den Bundesländern durch meine Kollegen Gert Wiegele, Jörg Pruckner und Walter Arnberger und durch mich vertreten. Von unserer Seite war auch noch der Kurienobmann aus Wien, Vizepräsident Johannes Steinhart, dabei. Oskar Schweninger aus Oberösterreich war diesmal entschuldigt. Für den Hauptverband hat Hans-Jörg Schelling teilgenommen. Von Seiten der Kassenobleute war nur der Vizeobmann der SVA, Peter McDonald anwesend. Die Funktionärsseite war sehr dünn besetzt, auch die Terminfindung hat lange gedauert.

Auf welchen Themen lag der Gesprächsfokus?
Das Treffen sollte unsere Betroffenheit bezüglich spezieller Inhalte des Masterplans ausdrücken. Diese Inhalte haben mich sehr an Diktionen aus dem Jahr 2008 erinnert, als wir Demonstrationen bis hin zum Rücktritt einer Regierung zu führen hatten. Es schien so, als wollten manche Geister wieder auferstehen. Der Masterplan ist nicht der große Plan der österreichischen Gesundheitspolitik, sondern eine Vorstellung des Hauptverbandes. Es wirkt, als ob jeder Vertreter im Hauptverband einen Wunschzettel geschrieben hätte, ohne an den Vertragspartner zu denken. Das musste von unserer Seite natürlich entsprechend dokumentiert werden, weil ich glaube, dass Vertragspartner eine regelmäßige ordentliche Gesprächskultur brauchen. Sonst bewaffnet man sich und sitzt sich in offener Konfrontation gegenüber. Das ist aber nicht das Ziel!

Werden die im Bundesärzteausschuss eingerichteten Arbeitsgruppen ihre Arbeit wieder aufnehmen?
Bezüglich unserer Vereinbarungen aus dem Jahr 2009 hatten wir damals lange Gespräche auf Basis von vier Arbeitsgruppen. Bei einer dieser Arbeitsgruppen ging es um Bedarfsplanung, wo beschlossen wurde, dass die Bedarfplanung beziehungsweise Bedarfsdeckung immer in Absprache mit den Vertragspartnern – also Sozialversicherung und jeweiliger Kurie – festgelegt werden muss. Im Masterplan steht jedoch, dass die Bedarfsplanung unabhängig von den Anbietern zu führen sei. Es gab nun eine Klarstellung wie wir diese Vereinbarung sehen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Hauptverband nicht der Meinung ist, dass es ohne uns geschehen soll. Der Hauptverband hat sich natürlich gewünscht, dass die Arbeitsgruppen wieder die Arbeit aufnehmen. Für mich ist es formell, dass die Beschlussfassung besteht. Ich werde das der Kurie entsprechend mitteilen und auch zur Diskussion stellen, ob die Arbeitsgruppen wieder ihre Tätigkeit aufnehmen sollen. Ich gehe aber davon aus, dass man versucht, die gemeinsamen Probleme gemeinsam zu lösen.

Wie schaut es mit der Qualitätssicherung aus?
Ein Thema war, wo die Qualitätssicherung letztlich stattfinden soll. In unserer Vereinbarung steht, dass das bei der ÖQMed unter Mitwirkung aus dem Hauptverband zu sein hätte, das war schon unterschrieben. Im Masterplan fand sich dann aber ein unabhängiges Qualitätsinstitut. Auch hier wurde der gemeinsame Weg verlassen. Aber zur Zeit steht die ÖQMed nicht zur Diskussion. Die ÖQMed sehe ich als das einzig funktionierende Instrument im Gesundheitsbereich in Österreich.

Wurde auch das Thema Mammographie-Screeningprojekt angesprochen?
Ja, wir haben uns über die entsprechenden Pläne des Hauptverbandes dazu unterhalten. Das Problem dabei ist kein Problem der Vertragsparteien an sich, sondern eines der handelnden Personen. Aber ich hoffe, dass das auch unser Gegenüber irgendwann einsieht. Ich hoffe inständig, dass bis Ende Juni ein Plan für das Mammographie-Screening erarbeitet wird. Ansonsten sehe ich keine Chance dieses Screening in Österreich zu etablieren, denn die Pläne vom Hauptverband, die uns bekannt wurden, werden wir sicher nicht mittragen. Auch in der Bevölkerung gibt es schon laute Gegenstimmen.

Welche strittigen Themen wurden noch diskutiert?

Auch das Vorgehen um die Vorsorgekoloskopie kam zur Sprache. Dabei wird versucht, um uns herum einen Weg zu finden, die sogenannte Bundesqualitätsleitlinie einzusetzen. Das ist etwas ganz Bizarres. Dieser Vorschlag zur Qualitätssicherung bei der Vorsorgekoloskopie, der meiner Meinung nach vollkommen überspitzt, überzogen und in keinem Verhältnis zur Realität ist, riskiert, dass die Vorsorge-Koloskopie im niedergelassenen Bereich nicht mehr durchgeführt werden könnte. Ähnlich ist die Problematik in der Hörgeräteverordnung, wo der Hauptverband ebenfalls einen eigenen Weg geht und die Lösungen nicht mit uns sucht. Außerdem ging es um die Einführung von Richtlinien, also um ein adäquates Leitlinien-gerechtes Verhalten. Bei Verstößen soll es zu einer Sanktionierung kommen. Das sind grauenvolle Ideen, medizinische Versorgung darf nicht über die Restringierung und Bedrohung funktionieren!

Wie soll sich die Arbeit im Bundesärzteausschuss künftig gestalten?
Der Bundesärzteausschuss ist im ASVG festgelegt. Schon 2008 war es mein Bemühen, dass die Vertragspartner die Gesprächsbasis nutzen und nicht aneinander vorbei gesundheitspolitische Absichten durchsetzen. Das belastet das gemeinsame Tun und die Atmosphäre. Besonders für die betroffenen Patienten ist das irritierend. Daher plädiere ich dafür, dass man diese Gesprächsbasis wieder aufleben lässt. Dazu gehört vor allem Respekt voreinander.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2011