Ärzte-Haftpflicht: Kind als Schaden?

25.01.2011 | Politik

Zu heftigen Diskussionen hat eine von Justizministerin Bandion-Ortner präsentierte Gesetzesnovelle geführt, im Rahmen derer die Aufhebung der ärztlichen Haftungspflicht im Fall einer nicht diagnostizierten Behinderung von Babys in der Schwangerschaft vorgesehen ist.

Die von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) vorgelegte Gesetzesnovelle war Anlass für eine Fernsehdiskussion „Im Zentrum“, die unter dem Thema „Schadensfall – neue Gesetze für Kinder mit Behinderung“ stand. Im Zuge dieser Diskussion meinte der Gynäkologe Univ. Prof. Peter Husslein vom Wiener AKH, dass Ärztinnen und Ärzte nur unter Strafandrohung das Patientenwohl gewährleisten und sorgfältig arbeiten würden. ÖÄK-Präsident Walter Dorner wies diese Aussage mit aller Vehemenz zurück. „Das ist eine Rufschädigung eines Berufsstandes, insbesondere der Gynäkologen“.Husslein hatte weiter gemeint, dass das Prinzip der gesetzlichen Regelung der Arzthaftung das beste Mittel zur Qualitätssicherung sei.

Für den ÖÄK-Präsidenten ist das Verhalten von Husslein inakzeptabel; seine Aussagen „gehen völlig an der Realität vorbei“, da Empathie, Vertrauen und fachliche Kompetenz, die sich Ärzte in jahrelanger Ausbildung, lebenslanger Fortbildung und Erfahrung erarbeiteten, „nicht durch Sanktionen erzwungen werden“ könnten. „Es ist nachgewiesen, dass Sanktionen zu Defensivmedizin führen, die niemandem nützt, Angst bei Ärzten und Patienten verbreitet und immense Kosten verursacht“, so Dorner weiter. Darüber hinaus wandte sich der Ärztekammer-Präsident gegen eine voreilige Vermengung des Schadenersatzrechtes mit grundsätzlichen ethischen Fragen, die nicht nur Ärzte, sondern die ganze Gesellschaft betreffen“.

Soziale Aspekte

Außerdem müsse auch die soziale Komponente in dieser Diskussion bedacht werden: Behinderte Menschen und deren Angehörige benötigen „jegliche finanzielle Unterstützung und vor allem so etwas wie gesellschaftliche Geborgenheit“. Nach genauer Prüfung des Sachverhaltes behalte man sich auch weitere Schritte gegen Husslein vor.

Für den Obmann der Bundesfachgruppe Gynäkologie und Geburtshilfe in der ÖÄK, Gerhard Hochmaier, sind die Aussagen von Husslein „falsch und unethisch“ und ein „Schlag ins Gesicht all jener, die sich Tag für Tag, rund um die Uhr um das Wohl der ihnen anvertrauten Patientinnen bemühen.“ Husslein diskreditiere alle österreichischen Gynäkologinnen und Gynäkologen; dieses Verhalten sei „verwerflich“ und erfordere auch entsprechende Konsequenzen.

Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (S) kündigte ihren Widerstand gegen diese Gesetzesnovelle an und zweifelte an den finanziellen Möglichkeiten, einen Fonds für Eltern von behinderten Kindern zu schaffen, wie dies Bandion-Ortner plant. Mit der Schaffung eines Fonds will die Justizministerin Unterstützung für Betroffene bieten und der Ungleichbehandlung von behinderten Kindern entgegenwirken. Welche Summe für den Unterstützungsfonds vorgesehen ist, obliege aber nicht ihr, hier sei der Sozialminister gefragt. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (S) aber teilt den Standpunkt von Heinisch-Hosek, die ihr Veto gegen die Gesetzesnovelle ankündigte.

Und auch Gesundheitsminister Alois Stöger (S) äußerte sich kritisch zur Gesetzesnovelle und zum Unterstützungsfonds. Er sei gegen diese Regelung, weil sie „kein guter Vorschlag“ und „nicht ausgereift“ sei. Stöger sorge sich vor allem um die Rechte der Patienten und die Transparenz im Gesundheitswesen. Eine negative Stellungnahme kommt auch von Seiten der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt. Sie lehnt die Gesetzesnovelle aus „verfassungsrechtlichen, ethischen und rechtspolitischen Gründen ab“. Die Ethiker kommen zum Schluss, dass die Verantwortung der Ärzte durch ein solches Gesetz nachteilig beeinflusst würde.
MH

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2011