Externe Aufklärung: Haftungsrechtliches Dilemma?

10.05.2011 | Politik


Die Patientenaufklärung an die zuweisenden Institutionen zu delegieren, wie dies bereits hie und da geschieht, könnte immense haftungsrechliche Probleme zur Folge haben. Bei der Klausur der angestellten Ärzte Anfang April war dieses Szenario Anlass für einige Diskussionen.

Von Marion Huber

Arzt A führt die Aufklärung des Patienten durch, Arzt B an einer anderen Institution übernimmt die Untersuchung. Diese Vorgehensweise, wie sie sowohl vom AKH Wien als auch von der Internen Abteilung des Krankenhauses Güssing im Burgenland gefordert wird, sorgte Anfang April bei der diesjährigen Klausur der angestellten Ärzte in St. Leogang/Salzburg für heftige Diskussionen. Konkret verlangte die Abteilung für Gastroenterologie am AKH Wien vor dem geplanten Eingriff, dass die zuweisende Abteilung – in diesem Fall die Chirurgische Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Eisenstadt – die Aufklärung vornehmen sollte. Die Interne Abteilung des Krankenhauses Güssing wiederum hatte in einem Schreiben die niedergelassenen Ärzte aufgefordert, schon in der Ordination die Aufklärung für die im Krankenhaus geplante Endoskopie vorzunehmen.

Wieso überhaupt eine externe Aufklärung? Argumentiert wird grundsätzlich damit, dass gemäß der Rechtsprechung in einem ausreichenden Abstand zur Untersuchung aufzuklären ist. „Aber wie viel Zeit ist denn ‚ausreichend’?“, gibt Michael Lang, Präsident der Ärztekammer Burgenland, zu bedenken. Die Rechtsprechung ist in diesem Fall „vage“ (Lang) und lässt Raum zur Interpretation. Wie Lang weiter ausführt, legen einzelne Juristen dies dahingehend aus, dass die Aufklärung mindestens 24 Stunden vor einer geplanten nicht dringlichen Untersuchung erfolgen muss. Das bedeutet, dass der Patient einmal zur Aufklärung und einmal zur eigentlichen Untersuchung ins Krankenhaus kommen muss. Das Hauptargument für die externe Aufklärung ist, dass man dem Patienten damit ersparen würde, für einen Eingriff das Krankenhaus zweimal aufsuchen zu müssen. Dem entgegnet Lang: „Ein niedergelassener Facharzt, der endoskopiert, muss seine Patienten auch zweimal bestellen. Interessanterweise denken diese Fachärzte aber überhaupt nicht daran, die Aufklärung zu delegieren.“ Den Aufwand für den Patienten erkennt auch der burgenländische Ärztekammer-Präsident an, dennoch betont er: „Ich kann vonseiten der Ärztekammer nicht tolerieren, dass sowohl die Kollegen, die die Aufklärung im Vorfeld durchführen als auch der Kollege, der in der Folge die Untersuchung durchführt, dadurch möglicherweise in ein haftungsrechtliches Dilemma gestürzt werden.“

Lang spricht damit die Rechtsunsicherheit für den Erst-Aufklärer und die Frage der Haftung an, die gänzlich ungeklärt ist. Seine Kritik: „Damit löse ich überhaupt keine Probleme!“ Speziell in Zeiten eines „sehr umstrittenen Haftungsrechtes“ (Lang) würde man sich durch eine Delegierung der Aufklärung mehr Probleme aufbürden als notwendig. Auch der Kollege, der delegiert, lässt sich hier auf ein gefährliches Spiel ein. Er haftet nämlich für die Qualität der Aufklärung durch jemand anderen. Mathias Resinger, Leiter der Abteilung Chirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Eisenstadt, verdeutlicht das Spannungsfeld: „Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht geklärt, wie eine externe Aufklärung für den Erst-Aufklärer haftungsrechtlich abgedeckt ist.“ Viele angestellte Ärzte seien überdies nur durch die Haftpflichtversicherung des eigenen Krankenhauses abgesichert und verfügen über keine eigene Versicherung. Muss nun ein angestellter Arzt eine Aufklärung für eine Untersuchung machen, die außerhalb des eigenen Krankenhauses durchgeführt wird, ergibt sich daraus im Falle einer Komplikation ein haftungsrechtliches Problem. „Der Arzt haftet schließlich für die Rechtmäßigkeit seiner Aufklärung“, unterstreicht Resinger. Diese Vorgangsweise sei möglicherweise für den Untersucher eine Vereinfachung, aber „haftungsrechtlich gesehen enthebt sie ihn nicht von der Pflicht der Aufklärung und außerdem gibt sie keine Sicherheit“, ergänzt Lang.

Dennoch sind sich sowohl Resinger als auch Lang darin einig, dass die Aufklärung in einem gewissen Maß durchaus delegierbar ist – allerdings müssen dafür jedenfalls zwei Kriterien gewährleistet sein: erstens die Haftung und zweitens die Qualität. Es kann beispielsweise auch dazu kommen, dass die zuweisende Institution die Aufklärung für eine Untersuchung übernehmen muss, ohne diesen Eingriff überhaupt durchzuführen. „Ein Kollege, der eine bestimmte Untersuchung nicht kennt oder durchführt und sie vielleicht nur einmal gesehen hat, hat noch lange nicht die Erfahrung, eine kompetente Aufklärung zu machen. Das ist auch nicht sein Job!“, umreißt der burgenländische Ärztekammer-Präsident das Problem.

„Auslagerung“ problematisch

In der Delegierung der Aufklärung sieht Lang den Versuch, „etwas auszulagern, was grundsätzlich ureigene Sache des Untersuchers selbst ist“. Und Resinger bringt noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein: die Kosten. „Die Aufklärung verursacht schließlich auch Kosten, man denke an die Arbeitszeit des Arztes oder den Aufklärungsbogen selbst. Hier wird die Tätigkeit hinausverlagert und der aufklärende Arzt wird nicht einmal dafür entschädigt.“ Für Resinger auch Grund genug, aktiv zu werden: „Ich habe den Ärzten auf meiner Abteilung verboten, für eine Untersuchung, die wir in unserem Haus nicht durchführen, eine Aufklärung vorzunehmen. Ich sehe überhaupt nicht ein, dass wir das machen sollen!“ Zwar werden der Aufklärungsbogen sehr wohl zum Durchlesen an den Patienten ausgehändigt; ein Arzt werde in die Aufklärung aber nicht eingebunden.

Wie paradox die Vorgehensweise in der Praxis aussehen könnte, zeigt Resinger anhand eines fiktiven Beispiels: „Ein Patient möchte zum Beispiel bei uns im Krankenhaus eine Leistenbruchoperation durchführen lassen. Wir klären aber nicht selbst auf, sondern fordern den praktischen Arzt auf, das zu tun. Die Operation erfolgt anschließend bei uns. Damit hätten wir uns die Aufklärung erspart. So kann es aber sicher nicht sein!“ Im Zweifelsfall müsse der Patient den „Pferdefuß“ (Resinger) in Kauf nehmen, dass er das Krankenhaus zweimal – einmal zur Aufklärung, ein weiteres Mal zur Untersuchung – aufsuchen muss. Der Vorteil ist, dass er dann aber kompetent und ausreichend aufgeklärt ist – und zwar von der Institution, die die Untersuchung auch wirklich durchführt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2011