EU-Transparenzrichtlinie „neu“: Kaum Handlungsbedarf in Österreich?

10.10.2011 | Politik



Auch wenn die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zur Verbesserung der Arzneimittel-Preisfestsetzung und -Erstattung im Rahmen der EU-Transparenzrichtlinie abgeschlossen hat, ortet die österreichische Pharmaindustrie auf europäischer Ebene nur bedingt Handlungsbedarf.

Von Ruth Mayrhofer

Die Arzneimittelpreise in der Europäischen Union sollen (noch) transparenter werden. Dazu hat die Europäische Kommission im März eine öffentliche Konsultation über die Modernisierung der Regeln für die Transparenz der Entscheidungen der Mitgliedstaaten über die Festsetzung der Preise von Arzneimitteln sowie deren Erstattung mittels Online-Fragebogen gestartet. Alle Interessierten – Beteiligte im Gesundheitswesen genauso wie die Bürger – waren eingeladen, sich zur Vorbereitung neuer EU-Initiativen an der Befragung zu beteiligen. Die Einreichungsfrist von Beiträgen endete am 25. Mai 2011. Das Konsultationspapier ist im Internet unter der Adresse abrufbar: http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/healthcare/publicconsultation/index_de.htm

Diese Konsultation verfolgt das Ziel, erste Vorarbeiten für weitere EU-Initiativen zur Überarbeitung der so genannten Transparenzrichtlinie einzuleiten. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission die Ansichten der Beteiligten in Erfahrung bringen, um zu bestimmen, wie die bestehenden EU-Rechtsvorschriften zur Transparenz der Preisfestsetzung und der Erstattungsverfahren für Arzneimittel modernisiert werden könnten.

Wogen geglättet?

Mit Hilfe der Konsultation will die Kommission ermitteln, wie die bestehenden Regeln am besten aktualisiert werden, um so Arzneimittelpreise zu senken, transparente einzelstaatliche Verfahren zu gewährleisten und für einen breiteren schnelleren und leichteren Zugang zu Arzneimitteln zu sorgen. Daher stehen unter anderem folgende Fragen im Vordergrund: mögliche Verzögerungen bei den Verfahren zur Preisfestsetzung und Erstattung; die Vereinbarkeit bestehender Transparenzregeln mit der Entwicklung innovativerer Produkte; die Ausarbeitung von Kostendämpfungsregelungen für Arzneimittel in den Mitgliedstaaten und die Rolle bei der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), der die bestehenden Vorschriften bisher immer weit ausgelegt hat, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten. Die Transparenzrichtlinie gilt somit auch für jenes Verfahren, nach dem Medikamente in Österreich in den Erstattungskodex aufgenommen werden. Schon 2001 wurde die Republik Österreich vorrangig wegen fehlender festgelegter Fristen und mangelnder Einspruchsmöglichkeiten vom EuGH deswegen verurteilt. Heute – nach einer neuerlichen Mahnklage im Jahr 2005 und entsprechenden Änderungen im ASVG und Erstattungskodex (EKO) – scheinen sich die Wogen geglättet zu haben.

Probleme liegen im Detail

„Die Transparenzrichtlinie ist sinnvoll und Österreich ist bei der formalen Umsetzung der derzeitigen Richtlinie gut unterwegs“, attestiert Helga Tieben, Director Regulatory, Compliance & Innovation des Branchenverbandes Pharmig. Es gäbe kein Problem mit der EU-Richtlinie per se, vielmehr liegen die Probleme im Detail – also in der nationalen Umsetzung, betont sie, „und 27 Länder mit sehr unterschiedlichen Erstattungssystemen kann man nicht in einer sehr detaillierten Richtlinie abbilden“.

Tieben ortet „keinen großen Reformbedarf“ bei der EU-Richtlinie selbst. Die in der Transparenzrichtlinie genannten Fristen seien angemessen und sinnvoll, um den Patienten einen raschen Zugang zu Medikamenten zu gewährleisten. Mängel ortet sie allerdings bei der Transparenz der Entscheidungsprozesse auf nationaler Ebene, wenn es um die Aufnahme von Medikamenten in den Erstattungskodex (EKO) geht. Wichtig ist der Pharmaindustrie eine sachlich fundierte, nachvollziehbare und transparente Entscheidungsfindung. „Letztendlich muss gewährleistet sein, dass auch innovative Arzneimittel den Patienten zur Verfügung stehen und nicht nur das Diktat des Preises relevant ist“, betont Tieben. Die medizinische, pharmakologische und ökonomische Bewertung seien gleichrangig zu berücksichtigen, und die Entscheidungsfindung müsse transparent und nachvollziehbar sein.

Erst prüfen, dann erst ändern

Ronald Pichler, Generalsekretär des Verbandes der forschenden Pharmaindustrie (FOPI) stellt fest, dass in Österreich bei den prozeduralen Verfahrensregeln die festgelegten Fristen in Zusammenhang mit der Erstattung die Minimum-Standards „insgesamt eingehalten“ werden. Allerdings, so Pichlers Ratschlag, sollte die EU-Kommission trachten, zunächst einmal sicherzustellen, dass in allen 27 Mitgliedsländern die Transparenzrichtlinie ganz generell eingehalten würde, bevor man überhaupt Änderungen anstrebt.

Die Transparenzrichtlinie (89/105/EWG) ist seit 1989 trotz eines grundlegenden Wandels des Arzneimittelmarktes nicht geändert worden. Auch wenn über die Preise von Arzneimitteln und über deren Erstattung auf nationaler Ebene entschieden wird, soll mit einer überarbeiteten Transparenzrichtlinie der freie Arzneimittelverkehr in der EU erleichtert werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2011