Ärztinnen in Salzburg: Positive Beispiele fehlen

10.04.2011 | Politik


Kinderbetreuungsplätze in ausreichender Zahl sind zwar wichtig, aber nicht die alleinige Lösung, damit mehr Frauen Führungspositionen inne haben. Eine von der Ärztekammer Salzburg in Auftrag gegebene Studie befasste sich mit der Berufs- und Lebenssituation von Salzburger Ärztinnen und Ärzten.

Die von der Ärztekammer Salzburg im Jahr 2006 in Auftrag gegebene Studie wurde in einem dreistufigen Prozess, der sich aus einer Sekundäranalyse, einer Online-Befragung und Leitfaden-Interviews mit 32 Ärztinnen und Ärzten aus dem Bundesland Salzburg zusammensetzt, durchgeführt. Die Rücklaufquote des Online-Fragebogens betrug 19,9 Prozent; 50,5 Prozent der Teilnehmer waren dabei männlich. Die Erhebung der Berufs- und Lebenssituation von Salzburger Ärztinnen und Ärzten bestätigt jene bekannten Faktoren, die für Frauen immer noch Karrierehindernisse sein können.

So geht etwa aus den Leitfaden-Interviews hervor, dass selbstständiges Arbeiten und Gestaltungsfreiheit besonders wesentlich für alle Gesprächspartner sind; das scheint auch vorrangiger Grund für die befragten Ärzte und Ärztinnen zu sein, Führungspositionen anzustreben (siehe Abb.). Weiters zeigt sich, dass Frauen, die sich bereits in Führungspositionen befinden aber auf dem Weg dorthin mit Hürden zu kämpfen hatten und eher in kleineren Abteilungen oder in medizinischen Randbereichen tätig sind. In der Literatur wird dieses Phänomen als „ausschließende Einschließung“ bezeichnet. In der Online-Befragung beurteilen beide Geschlechter das Ausüben einer Führungsposition durchschnittlich allerdings als „weniger wichtigen“ Aspekt ihres Berufslebens. Ein Geschlechtsunterschied zeigt sich nur bei Ärzten und Ärztinnen mit eigenen Kindern; bei den kinderlosen Medizinern geht diesbezüglich kein geschlechtsbedingter Unterschied hervor.

Vorbilder und Unterstützung fehlen

Als Grund, wieso Frauen keine Führungsposition anstreben, nennen Frauen neben einer bewussten inhaltlichen Prioritätensetzung vor allem die Schwierigkeit, Beruf und Familien zu vereinen. Hier fehlen der Studie zufolge positive Beispiele, die „gerade für junge Mütter sehr wichtig wären, denn diese weisen einerseits zwar eine große Leidenschaft für den Beruf auf, andererseits haben sie aber auch mit großer Unsicherheit bezüglich des Wiedereinstiegs nach der Karenz und der Umsetzbarkeit der eigenen beruflichen Wunschvorstellungen zu kämpfen“.

Diesbezüglich sollten laut Studienautoren die Führungskräfte zum Thema Karenz, Wiedereinstieg und Vereinbarkeit sensibilisiert werden. Vernetzungsangebote für niedergelassene Ärztinnen in Karenz wären sinnvoll, um sich austauschen zu können sowie Kinderbetreuungsangebote bei Fortbildungen und Kongressen. Kurse für Wiedereinsteiger, ein Leitfaden zur Thematik und eine Servicestelle, die alle Fragen rund um Karenz und Wiedereinstieg beantworten kann sowie die Stärkung des Stellenwerts von Männern in Karenz sind ebenfalls Handlungsfelder.

Besonders berufserfahrene Ärztinnen betonen die Bedeutung einer frühzeitigen Karriere- und Familienplanung, die auch externer Unterstützung wie etwa durch Coachings bedarf. Nur ein geringer Teil der Online-Befragten fühlt sich von Vorgesetzten unterstützt, obwohl in den Gesprächen dieser Unterstützung eine große Bedeutung zukommt. Die befragten jungen Ärztinnen und Ärzte rechnen oft gar nicht damit, aktive Unterstützung durch Vorgesetzte erhalten. Bereits die Möglichkeit, aus eigener Initiative Fragen an Vorgesetzte stellen zu können, wird als sehr unterstützendes Klima wahrgenommen. Ärztinnen sollten laut Studie wie ihre männlichen Kollegen auch durch Mentoring-Programme unterstützt werden. Darüber hinaus ergab die Online-Befragung, dass es ein starkes Interesse an einem Netzwerk für Salzburger Ärztinnen gibt.

Teilzeit mit Hindernissen

Vor allem im angestellten Bereich ist Teilzeitarbeit nur selten möglich; wenn, dann arbeiten vor allem Frauen in dieser Beschäftigungsform. Teilzeitmodelle werden vor allem von Interviewpartnerinnen, denen diese Möglichkeit zum Wiedereinstieg nach der Karenz geboten wurde, als unterstützend bewertet. In der Realität wird Teilzeit aber leider häufig mit Faulheit assoziiert, wie es in der Studie heißt; die übrigen Kollegen fühlen sich oftmals stärker belastet. In einigen Abteilungen entspricht dies derzeit der Studie zu Folge auch der Wirklichkeit. Für junge Ärztinnen ohne Kinder kommen Teilzeitmodelle künftig nicht in Frage. Ärztinnen mit kleinen Kindern hingegen drücken sehr deutlich den Wunsch nach Teilzeit oder Wiedereinstiegsmöglichkeiten aus; allerdings ist die Einforderung derselben mit großer Angst behaftet.

Die Studienautoren sehen vor allem bei der Flexibilität der Arbeitszeit- und Teilzeitmodelle Handlungsfelder: Die Modelle sollten an den Bedarf der jeweiligen Abteilung abgestimmt sein. Hier könnte eine Orientierung am Beispiel des Pflegepersonals erfolgen; auch bei der Einteilung der Bereitschafts- und Nachtdienste sollten Betreuungsaufgaben und Ferien berücksichtigt werden. Außerdem sollte prinzipiell eine Offenheit gegenüber Teilzeit und auch eine gewisse „Rückendeckung“ von Seiten der Vorgesetzten gegenüber den Teilzeitkräften an den Tag gelegt werden, um dem Nimbus der „Faulheit“ entgegenzuwirken.

Ärztinnen mit mehrjähriger Berufserfahrung befürworten sowohl in den Gesprächen als auch in der Online-Befragung Angebote, die den wissenschaftlichen Einstieg für junge Kollegen – wie etwa Seminare für Frauenförderung – erleichtern. Diese Seminare sind auch für Frauen interessant, die bisher noch keine wissenschaftliche Karriere anstreben. Dabei wird im Rahmen der Studie Handlungsbedarf vor allem bei der Initiierung von Mentoring-Programmen (Seminare zu Statistik, Rhetorik, Präsentationstechnik, etc.) für angehende Wissenschafterinnen gesehen. Auch Modelle, die für junge Mediziner die Integration von Wissenschaft in die Arbeitszeit ermöglichen, werden befürwortet.

Gläserne Decke existent

Während die wenigsten der jungen Interviewpartnerinnen offene Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erlebt haben, zeigt sich bei den Ärztinnen mit Berufserfahrung ein anderes Bild. Vor allem kinderlose Ärztinnen haben auf die eine oder andere Weise Bekanntschaft mit der gläsernen Decke gemacht. Ärztinnen mit Kindern erleben die Schwierigkeiten dann vor allem bei einer Schwangerschaft und der Gründung einer Familie. Der Blick durch die gläserne Decke lässt den Weg nach oben frei erscheinen; spürbar wird sie erst, wenn man gegen sie stößt.

Ausreichende Kinderbetreuungsplätze sind laut Studienautoren wesentlich, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, jedoch nicht die alleinige Lösung, um die Frauenquote in Führungspositionen zu erhöhen. Es werden daher aufeinander abgestimmte Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen gefordert.
BO

Priorität der beruflichen Ziele

Alle Befragten

Ärzte

Ärztinnen

1.

Freude an der Arbeit

Freude an der Arbeit

Freude an der Arbeit

2.

PatientInnenkontakt

eigenverantwortliche Tätigkeit

PatientInnenkontakt

3.

Persönliche Entfaltungsmöglichkeiten

PatientInnenkontakt

Persönliche Entfaltungsmöglichkeiten

4.

eigenverantwortliche Tätigkeit

Persönliche Entfaltungsmöglichkeiten

eigenverantwortliche Tätigkeit

5.

anderen Menschen helfen können

materielle Absicherung

anderen Menschen helfen können

6.

materielle Absicherung

anderen Menschen helfen können

materielle Absicherung

7.

hohes Einkommen

hohes Einkommen

hohes Einkommen

8.

Karriere machen, voran kommen

Führungsposition

Karriere machen, voran kommen

9.

Führungsposition

Karriere machen, voran kommen

Ansehen, Prestige

10.

Ansehen, Prestige

Ansehen, Prestige

Führungsposition

Quelle: Berufs- und Lebenssituation Salzburger Ärztinnen und Ärzte, Online-Befragung

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2011