122. Vollversammlung der ÖÄK: Klare Positionierung

25.01.2011 | Politik


Der vom Hauptverband kürzlich präsentierte „Masterplan Gesundheit“ wurde von der 122. Vollversammlung der ÖÄK Mitte Dezember entschieden abgelehnt, da er grundsätzliche Inhalte einer zwischen ÖÄK und Hauptverband geltenden
Vereinbarung verletzt.

Von Agnes M. Mühlgassner

Mit einem Festvortrag von Paul Röttig, einem internationalen Unternehmensberater und Universitätslehrer, zum Thema „Ärztin und Arzt als Führungskraft“ begann die diesjährige Winter-Vollversammlung der ÖÄK im Dezember in Wien (Details siehe S. 14).

ÖÄK-Präsident Walter Dorner befasste sich in seinem Bericht ausführlich mit dem „Masterplan Gesundheit“, den der Hauptverband kurz zuvor der Öffentlichkeit präsentiert hatte. Entgegen der im Juni 2009 zwischen Hauptverband und ÖÄK unterzeichneten Vereinbarung, wonach der Bedarf für Vertragsärzte beziehungsweise Vertragsgruppenpraxen zwischen den Vertragspartnern erhoben wird, fordert der Hauptverband in dem nun vorgelegten Papier eine Bedarfsplanung auf Bundes- und Landesebene ohne Leistungserbringer. Dorner dazu: „Mit der Forderung, die Bedarfsplanung in Zukunft ausschließlich durch die Financiers ohne Leistungserbringer zu entwickeln, verletzt der Hauptverband nicht nur unseren Vertrag, sondern er wirft auch das sozial- und vertragspartnerschaftliche System des ASVG über Bord.“

Auch im Bereich der Qualität strebt der Hauptverband Änderungen an: So soll künftig die Qualität nicht mehr durch die ÖQMed, sondern durch ein unabhängiges Qualitätsinstitut evaluiert werden. „Auch das widerspricht der Vereinbarung zwischen Hauptverband und ÖÄK, wonach wir das partnerschaftliche Modell für die ÖQMed vereinbart und auch im Gesetz verankert haben.“

Generell ist in finanzieller Hinsicht eine fixe Bindung der Gesundheits- beziehungsweise Spitalsausgaben an das Brutto-Inlandsprodukt vorgesehen ebenso wie mittelfristige Budgets, die Festlegung von Konsolidierungszielen, die strikte Einhaltung eines Konsolidierungskurses im Spitalswesen sowie ein begleitendes Controlling.

Worum es dem Hauptverband dabei in erster Linie gehe, erläuterte Dorner folgendermaßen: „Damit will der Hauptverband gesundheitspolitisch eine gleichrangige Position mit dem Bund und den Ländern für die Planung, Steuerung, Finanzierung und das Controlling eines einheitlichen Gesundheitswesens. Ich sehe darin nichts Anderes als den Drang nach einer blanken Machtposition, denn der Hauptverband übersieht dabei, dass er im Unterschied zu Bund und Ländern keine demokratische Legitimation hat.“ Er, Dorner, habe dem Hauptverbandsvorsitzenden Schelling in einem Schreiben Anfang Dezember alle Kritikpunkte detailliert übermittelt, aber bis jetzt noch keine Rückmeldung erhalten. Ebenso wurde Gesundheitsminister Alois Stöger gebeten, „das unserer Auffassung nach vertragswidrige Verhalten des Hauptverbandes aufsichtsbehördlich zu überprüfen.“

Entsprechend angeregt verlief die anschließende Diskussion. Für Günther Wawrowsky, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, ist die Vorgangsweise des Hauptverbandes „unerträglich“. Immerhin stehe man seit zwei Jahren in einem Dialog mit dem Hauptverband. Und weiter: „Wir haben damals vereinbart, dass Vereinbarungen vor Gesetz gehen und wir haben versucht, einen Weg des Konsens zu gehen.“ Die Tatsache, was im Masterplan Gesundheit nun alles zu finden und was entgegen der Vereinbarung sei, mache es ihm, Wawrowsky, möglich, „anders als bisher gegen den Hauptverband vorzugehen.“ ÖÄK-Vizepräsident Artur Wechselberger hob hervor, dass in dem Papier als Bezeichnung für die Ärztinnen und Ärzte durchwegs nur noch der Begriff „Gesundheitsdienstleister“ verwendet werde. „Ärzte sind nicht nur Gesundheitsdienstleister“, so Wechselberger. „So wie es einen Unterschied zwischen einer Führungskraft und einem Manager gibt, gibt es einen Unterschied zwischen Ärzten und Gesundheitsdienste-Anbietern. „Wir Ärzte sind diejenigen, die die Anordnungen machen. Ich finde es eine Unverfrorenheit, wenn wir nur auf eines reduziert werden, auf Gesundheitsdienstleister. Das sind wir nicht. Wir sind Ärzte.“

Die Resolution (siehe Kasten), in der dem Masterplan Gesundheit eine Absage erteilt wird, wurde von den Mitgliedern der Vollversammlung einstimmig angenommen. Schon im Vorfeld der Vollversammlung hatten sowohl die Kurie der angestellten Ärzte als auch die der niedergelassenen Ärzte Resolutionen gegen den Masterplan Gesundheit einstimmig angenommen.

In seinem Bericht referierte Wechselberger weiters über aktuelle Entwicklungen bei den medizinischen Assistenzberufen. Eine Änderung in der Ausbildung dieser Berufsgruppe (dazu zählen etwa Arzt-Assistentin, OP-Gehilfe, Gipser, Laborgehilfe etc.) hätte Auswirkungen auf die Arztpraxen, die Abschaffung der diplomierten medizinisch-technischen Fachkräfte sogar enorme Auswirkungen. „Jede Änderung hier führt dazu, dass die Angehörigen der DMTF nicht mehr in den Ordinationen einsetzbar sind.“ Erstaunt zeigte sich Wechselberger diesbezüglich über die Vorgangsweise des Ministeriums, speziell der dafür zuständigen Beamtin, die hier „nicht sehr viel Informationen weitergegeben habe.“ Wechselberger appellierte, „einen kommunikationsfreundlicheren Weg zu wählen, der es uns möglich macht, auf Vorschläge des Ministers zu reagieren“.

E-Medikation: ab 1. April

Entgegen den ursprünglichen Plänen konnte 2010 nicht die Pilotphase für die E-Medikation gestartet werden; als neuer Termin wird nun der 1. April 2011 angepeilt. „Allerdings völlig ungeklärt sind noch Haftung und Finanzierung für den Weiterbestand des Projekts, wenn die Pilotphase abgeschlossen ist“, so die Kritik von Wechselberger. Und weiter: „Die Ärzte kommen der Republik entgegen, indem sie bereit sind, an einem Pilotprojekt teilzunehmen. Wir dürfen und können daher Angaben darüber erwarten, wie ELGA in Zukunft finanziert wird.“ Denn so wie Schulen und Straßen öffentliche Einrichtungen sind, ist auch die öffentliche Einrichtung ELGA zu finanzieren. Denn das System brächte einen Nutzen für die Allgemeinheit; die Kosten blieben jedoch an den Leistungserbringern, den Ärzten, hängen. „Das kann und soll nicht sein“. Daher sieht Wechselberger dringenden Handlungsbedarf gegeben, nämlich dahingehend, wie und in welcher Form eine öffentliche Finanzierung vorgesehen ist. Denn – so die Prognose von Wechselberger – „sonst kommen wir bei der E-Medikation über die Planungsphase nicht hinaus.“

Eine erfreuliche Entwicklung mit mehr als 28.000 Zugriffen sei auch auf die Website von CIRSmedical zu verzeichnen. Bis dato sind 142 Berichte eingelangt, davon wurden 107 veröffentlicht. „Wir haben eine hervorragende Akzeptanz in Österreich“, betonte Wechselberger, der seine Hoffnung äußerte, dass CIRSmedical als nationales Fehlermeldesystem bestehen bleibe.

Die Verbesserung der Situation der Turnusärzte nannte der Kurienobmann der angestellten Ärzte, Harald Mayer, als eine der zentralen Tätigkeiten der Kurie in der letzten Zeit. Diesbezüglich wurden Gespräche mit den Ministern Alois Stöger und Beatrix Karl geführt. „Wir wollen mehr Zeit für die Ausbildung, mehr Geld für die Lehrpraxen, die flächendeckende Einführung von Stationssekretärinnen. All das soll zu einer spürbaren bürokratischen Entlastung der Turnusärzte führen“, betonte Mayer. Als weitere Schwerpunkte der Tätigkeit führte der Kurienobmann der angestellten Ärzte an, dass man eine Verbesserung der Situation der Frauen in der Medizin anstrebe; eine diesbezügliche Auswertung von Daten der IFES-Studie sei kürzlich der Öffentlichkeit präsentiert worden. Ein weiteres Thema: Nach Ansicht der Kurie sind 25 Stunden Dienst am Stück ausreichend. Eine entsprechende Stellungnahme habe man dem zuständigen Arbeitsminister Hundstorfer übermittelt. Mayer dazu: „Das KA-AZG bietet die Möglichkeit, das umzusetzen“.

Als Erfolg wertet der Kurienobmann die Tatsache, dass die ÖÄK künftig bei Arbeitszeit-Übertretungen eine Kopie der Strafanzeige erhält – etwas, wofür sich die Vertreter der Kurie angestellte Ärzte lange Zeit eingesetzt hatten.

In besonderer Weise betroffen und getroffen vom Masterplan zeigten sich die Vertreter der Kurie niedergelassene Ärzte; gibt es hier doch seit etwa zwei Jahren einen engen Dialog mit dem Hauptverband. „Vertragliche Lösungen vor Gesetz waren unser Ziel“, so der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Günther Wawrowsky. „Jetzt wird alles, was vereinbart wurde, in Frage gestellt. Deswegen hat die Kurie beschlossen, ab sofort die vier Arbeitsgruppen mit dem Hauptverband auszusetzen.“ Allerdings räumte Wawrowsky ein, dass „weitere Gespräche immer möglich sind.“

Resolution

Ergänzend zu den aus Vertragspartner- bzw. Spitalsärztesicht beschlossenen Resolutionen der Bundeskurie angestellte Ärzte und der Bundeskurie niedergelassene Ärzte beschließt der 122. Österreichische Ärztekammertag am 17.12.2010 aus grundsatz- und gesundheitspolitischer Sicht die nachstehende Resolution:

Die Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer lehnt den Masterplan des Hauptverbandes aus folgenden Gründen entschieden ab:

Dieser Masterplan verletzt ganz grundsätzliche Inhalte der geltenden Vereinbarung mit der Österreichischen Ärztekammer vom 10.6.2009:

In dieser wurde z.B. die Bedarfsprüfung und –versorgung für den ambulanten Bereich der jahrzehntelangen und bewährten Rechtslage entsprechend zwischen Sozialer Krankenversicherung und Österreichischer Ärztekammer vereinbart. Laut Masterplan soll in Zukunft die Bedarfsplanung für die Versorgung mit Gesundheitsleistungen nur mehr von den Financiers erstellt und entwickelt werden. Da diese einen ganz anderen, nämlich finanzpolitischen Zugang dafür haben, lehnen wir diese Position ab, weil die ÄrztInnen aus ihrer täglichen Arbeit mit den PatientInnen bei der Bedarfsprüfung und -entwicklung unverzichtbar sind.

Auch die Qualitätsentwicklung, Prüfung und Evaluierung wurde für die ambulanten Versorgungseinrichtungen im Vertrag vom 10.6.2009 im Wege des partnerschaftlichen Modells der ÖQMed vereinbart, an der der Hauptverband mitwirkt; im Masterplan hingegen wird anstelle dessen ein unabhängiges Institut gefordert. Das ist ein glatter Vertragsbruch.

Der Masterplan wird aber auch deshalb zur Gänze abgelehnt, weil es dem Hauptverband insbesondere für den Spitalsbereich um seine Einflussnahme mit finanzbeherrschenden Maßnahmen geht, ohne auf den Fortschritt der Medizin und die Behandlungsbedürfnisse der PatientInnen auch nur einzugehen.

Der Masterplan wird letztlich auch deshalb ganz grundsätzlich abgelehnt, weil der Hauptverband für sich eine Position für die Planung, Steuerung, Finanzierung und Controlling des Gesundheitswesens gleichrangig mit Bund und Ländern fordert. Dafür fehlt ihm aber jegliche demokratische Legitimation, weil im Unterschied zu den demokratisch gewählten Organen auf Bundes- und Landesebene die Organe des Hauptverbandes weder durch die Versicherten noch durch die österreichische Bevölkerung gewählt werden. Der Hauptverband möge sich daher darauf besinnen: eine von der Politik gesetzlich eingerichtete Institution zur Umsetzung gesundheitspolitischer Vorgaben und Systeme – insbesondere für den ambulanten Versorgungsbereich – innerhalb vom Gesetzgeber festgelegter rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen zu sein.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2011