Trockene Haut: Ein Teufelskreis

10.10.2011 | Medizin


Vor allem der zu häufige Kontakt der Haut mit Wasser führt bei immer mehr Menschen zum Problem der trockenen Haut. Zeigt sich bei der stärksten Form der Ausprägung, der Neurodermitis, innerhalb von zwei Wochen kein Ansprechen auf pflegerische Maßnahmen, soll immer zum Dermatologen überwiesen werden.

Von Corina Petschacher

Die Neurodermitis oder auch atopische Dermatitis resultiert aus einer angeborenen Störung der Produktion von Barrierelipiden sowie einer Hyperreaktivität der Haut. Die Ausprägung dieser Erkrankung kann sehr unterschiedlich sein. Sie kann von trockener und sehr trockener Haut mit Neigung zu Ekzembildung bis hin zum Vollbild mit entzündlichen-schuppenden, stark juckenden Hautarealen reichen. Schon im Säuglingsalter kann ein erster Hinweis in Richtung atopische Dermatitis das Auftreten eines nässenden Ekzems an den Wangen, der sogenannte Milchschorf, eine Windelhosendermatitis oder eine schuppende Dermatitis des Kopfes („Gneis“) sein. Ab dem zweiten Lebensjahr tritt die Krankheit meist in Form eines „Beugeekzems“ in den Ellenbeugen und Kniekehlen sowie an den Handgelenken auf. In seltenen, schweren Fällen kann der ganze Körper großflächig befallen sein.

Die zunehmende Häufigkeit von trockener Haut ist multifaktoriell begründbar, vor allem aber genetisch und umweltbedingt. Besteht die Veranlagung dafür, eine Neurodermitis zu entwickeln, können verschiedene äußere Einflüsse wie Allergene, meist Pollen, Tierhaare oder bestimmte Nahrungsmittel, aber auch zu trockene Luft vor allem im Frühjahr und Herbst sowie psychische Belastungen und Stress Schübe der Erkrankung auslösen. Die Entstehung einer Neurodermitis kann auch durch übertriebene Hygienemaßnahmen, wie sehr häufiges Baden und Duschen begünstigt werden, erklärt Univ. Prof. Daisy Kopera von der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Graz: „Zu häufiger Wasserkontakt soll möglichst vermieden werden, weil dadurch Fettstoffe aus der Haut gelöst werden, die Feuchtigkeitsbindung gestört wird und die Haut dann austrocknet. Babys und Kleinkinder sollten deshalb nicht öfter als ein- bis zweimal pro Woche gebadet werden. Ganz wichtig ist die Pflege mit rückfettenden Externa nach einem Bad.“ Doch auch starkes Schwitzen und das Tragen von kratzenden Textilien direkt auf der Haut sollen bei zu trockener Haut unbedingt vermieden werden, so die Expertin weiter. Inwieweit psychoneuroendokrine Mechanismen eine auslösende Ursache für Krankheitsschübe darstellen, ist nicht gänzlich geklärt.

Die trockene Haut bei Menschen, die an Neurodermitis leiden, kommt dadurch zustande, dass zu wenig Talgdrüsenlipide und Ceramide vorhanden sind und die Oberflächenlipide eine andere Zusammensetzung haben. Es entsteht eine sogenannte Sebostase. „Die Barrierefunktion der Haut gegenüber der Umwelt ist bei der atopischen Dermatitis gestört, weil eine Mutation im sogenannten Filaggrin-Gen dazu führt, dass wichtige Strukturproteine nicht gebildet werden“, erklärt Univ. Prof. Jolanta Schmidt von der Universitätsklinik für Dermatologie am Wiener AKH. Diese Filaggrin-Proteine sind für die Aufrechterhaltung einer intakten Hautbarriere entscheidend. Außerdem fehlt den Betroffenen das Enzym, das die aufgenommene Folsäure in Gammalinolensäure umwandelt, wodurch der Haut wiederum Fett fehlt.

Bei der Neurodermitis handelt es sich um eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, bei der eine Entzündungsreaktion an der Hautoberfläche stattfindet und zu weiteren Störungen des Fettsäureschutzmantels führt – die Haut reagiert noch empfindlicher auf äußere Reize. Der Hydrolipidfilm der Haut, der für den Schutz nach außen verantwortlich ist, ist reduziert. Dadurch kann es leichter zum Eindringen diverser Erreger kommen, wodurch bei Neurodermitikern vermehrt Hautintekte auftreten. Trockene Haut begünstigt auch die Entstehung von Ekzemen, die oft starken Juckreiz auslösen – ein Teufelskreis beginnt. Durch das starke Jucken wird gekratzt, kleine Verletzungen der Haut können entstehen, es kommt zur Verstärkung der Entzündungsreaktion und die Barrierefunktion wird weiter geschwächt, die Haut wird noch trockener.

Pflege als Basistherapie

Die Grundlage jeder Therapie der trockenen Haut stellt die Pflege dar. Egal, ob es sich um eine gering ausgeprägte Form der Neurodermitis oder um das Vollbild der Erkrankung handelt: Rückfettende Pflegeprodukte stellen die Basis dar. Durch eine lipidhaltige Pflege wird die Hautbarriere gestärkt. Dabei kommen Öl-in-Wasser-Emulsionen zum Einsatz. Ceramid-hältige Emulsionen reduzieren die bei atopischer Dermatitis erhöhte Wasserabdunstung durch die Epidermis. Weiters stehen Pflegeprodukte mit Feuchthaltefaktoren wie etwa Urea zur Verfügung. Zur Linderung der Beschwerden bei bestehenden Entzündungsreaktionen können Nachtkerzenöl, Zink-haltige Salben sowie Dexpanthenol verwendet werden. „Ziel dieser pflegenden Maßnahmen ist es, die Haut gesund zu erhalten. Der pH-Wert der Haut sollte leicht sauer sein, um einen ausreichenden Schutz vor Bakterien zu gewährleisten“, so Kopera. Dies kann durch die Verwendung von alkalifreien Seifen und Duschgels sowie milden Pflegeprodukten, die frei von Duft-, Farb- und Konservierungsstoffen sind, erreicht werden.

Im akuten Schub: zum Dermatologen

Aber auch bei schweren Erscheinungsformen der Neurodermitis stellt die Pflege die wichtigste Maßnahme in der Erhaltungstherapie dar. Niedergelassene Allgemeinmediziner, die im Alltag oft mit dem Problem der trockenen Haut konfrontiert sind, sollten zunächst immer hautpflegerische Maßnahmen verordnen. In vielen Fällen kann so der Ekzembildung und den Entzündungen der Haut entgegengesteuert werden. Wichtig sei auch eine genaue Anamneseerhebung, die speziell auf das familiäre Vorliegen von Krankheiten des atopischen Formenkreises eingeht. Patienten sollten auch immer darauf hingewiesen werden, dass sie selbst einiges dazu beitragen können, um ihre Haut zu schützen. Allergenkontakt solle aktiv vermieden werden, Hautkontakt mit stark kratzenden Textilien sowie starkes Schwitzen sollen möglichst vermieden und die Haut regelmäßig mit rückfettenden Substanzen eingecremt werden. Bei Nichtansprechen auf pflegerische Maßnahmen innerhalb von zwei Wochen – bei großflächigem Befall und beim Auftreten eines akuten Schubs einer Neurodermitis – solle allerdings immer zum Dermatologen überwiesen werden. In solchen Fällen kann der Einsatz von lokalen Glucocorticoiden zur Entzündungshemmung nötig sein. Seit einigen Jahren kommen hier auch sogenannte Biologics zum Einsatz. „Calcineurinhemmer wie zum Beispiel Tacrolimus beeinflussen Zytokine, Chemokine und andere Entzündungsmediatoren durch Hemmung des kalziumabhängigen Wegs der Signaltransduktion in den T-Zellen. Dadurch wird die Synthese von Interleukin-2 verhindert und so die Entzündungskaskade unterbrochen“, erklärt Schmidt. Gegen den die Neurodermitis oft begleitenden Juckreiz steht mit dem Wirkstoff Capsaicin, der aus Chilischoten gewonnen wird, ein gut wirksames Mittel zur Verfügung, das allerdings mit Vorsicht angewandt werden muss, da es zu Schleimhautirritationen führen kann. Capsaicin führt durch seine Schärfe zur Ablenkung der Juckreizrezeptoren, wodurch der quälende Juckreiz gelindert wird.

Trockene Haut im Alter

„Trockene Haut ist unter anderem auch eine typische Altersveränderung der Haut, da mit zunehmendem Alter die Talgproduktion abnimmt. Auch hier ist regelmäßige Hautpflege mit Wasser-in-Öl-Emulsionen indiziert.“ Besonders wichtig ist deshalb die Hautpflege bei alten Leuten. „Pflegekräfte in der Altenversorgung sollten besonders darauf achten, regelmäßig geeignete rückfettende Externa anzuwenden, um die Haut gesund und widerstandsfähig zu halten“, so Kopera abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2011