Leberfunktion im Alter: Änderungen sind vorprogrammiert

15.07.2011 | Medizin

Fortgeschrittenes Alter ist nicht gleichzusetzen mit einer höheren Zahl an Lebererkrankungen, treten diese jedoch jenseits des 50. Lebensjahres auf. Jedoch ist mit deutlich mehr Komplikationen und einem rascher progredienten Verlauf zu rechnen.
Von Corina Petschacher

Es gibt viele Gründe, der Leberfunktion bei älteren Menschen mehr Beachtung zu schenken. Zum einen liegen in höherem Lebensalter häufiger metabolische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder eine veränderte Lipidstoffwechsellage vor, die ihrerseits eine Rückwirkung auf die Leberfunktion haben. Zum anderen werden Patienten, die an einer chronischen Lebererkrankung wie beispielsweise an einer chronischen Hepatitis C leiden, mit ihrer Krankheit älter und kommen so in eine Phase der Erkrankung, die Komplikationen mit sich bringt. So kann sich auch bei einer bis dato asymptomatischen Leberzirrhose im Alter ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln.

Andererseits hat es auch seinen Grund, warum der Leberfunktion bei älteren Menschen oft wenig Beachtung zukommt. Es gibt keine altersspezifischen Lebererkrankungen. Jede Erkrankung der Leber kann auch beim älteren Menschen auftreten. Auch die Prävalenz von Lebererkrankungen ist im Alter kaum erhöht. Die Abklärung einer Lebererkrankung bei älteren Patienten sollte genauso ablaufen, wie bei jüngeren. Außerdem haben Lebererkrankungen ohne Zirrhose bei alten Menschen wenig prognostische Relevanz.

Im Alter kommt es jedoch zu einigen physiologischen Veränderungen der Leber. Diese betreffen den Leberstoffwechsel, die Morphologie sowie ihre Regenerations- und Reparationsleistung. „Es gibt keinen genauen Zeitpunkt, ab wann sich die biologischen und physiologischen Funktionen verändern“, erklärt Univ. Prof. Wolfgang Vogel, Direktor des Departments Innere Medizin der Universitätsklinik für Innere Medizin II der Medizinischen Universität Innsbruck. Altersabhängig sinkt die Regenerationsfähigkeit der Hepatozyten auf genetischem Niveau. Ab einem Alter von circa 50 Jahren beginnt eine genetisch vorgegebene Abnahme der Regenerationskapazität der Leber bereits auf subzellulärem Niveau. Dies betrifft Enzymsysteme, Reparaturprozesse der Hepatozyten sowie die Kompensation von Schäden.

So ändert sich beispielsweise auch das morphologische Erscheinungsbild der Leber durch die Ablagerung des metabolischen Abbauprodukts Lipofuscin in den Leberzellen, wodurch das Bild der sogenannten „braunen Atrophie“ entsteht. Zu den mikromorphologischen Veränderungen der Leber eines über 60-jährigen Patienten gehören ein erhöhtes Hepatozytenvolumen, das Auftreten von vermehrt zweikernigen Hepatozyten sowie ein verminderter Gehalt an glattem endoplasmatischen Retikulum (Cytochrom P450). Es handelt sich dabei insgesamt aber nicht um dramatische morphologische Veränderungen, wie Vogel betont. Zusammen mit dem reduzierten Blutfluss in der Leber bei älteren Patienten kommt es dadurch allerdings zu einem verminderten Abbau bestimmter Arzneistoffe.

Veränderte Leberpharmakologie

Auch das Lebervolumen sinkt im Alter allmählich, was zu einer verminderten Stoffwechselkapazität führt. „Durch den verminderten Einstrom von Blut in den Splanchnicusbereich sinkt auch die Durchblutung der Leber, was einen verminderten first pass effect der Leber bewirkt. Das heißt: Stoffe, die normalerweise beim ersten Durchgang des Blutes durch die Leber entgiftet werden, werden nur vermindert abgebaut“, beschreibt Univ. Prof. Christian Müller von der Universitätsklinik für Innere Medizin III am AKH Wien den Vorgang. Sowohl durch die Verminderung des Volumens und damit auch von abbauenden Cytochrom P450-Enzymen als auch durch die geringere Durchblutung kommt es zu einem verminderten Abbau von Arzneistoffen.

Medikamente, die einem sehr hohen first pass Effekt unterliegen wie zum Beispiel Betablocker, Psychopharmaka, Schlaf- und Beruhigungsmittel, aber auch Schmerzmittel, wie NSAID’s und Opiate sollten deshalb im Alter reduziert dosiert werden. Im klinischen Alltag solle man deshalb bei älteren Menschen mit einer Lebererkrankung stets darauf achten, dass bestimmte Medikamente bei dieser Patientengruppe eine längere Wirksamkeit aufweisen und auch mit anderen Arzneimitteln interagieren können, denn „Polypharmazie ist in dieser Altersgruppe weit verbreitet“, berichtet Vogel. Auch Alkohol würde bei älteren Patienten etwas langsamer abgebaut, jedoch würden die Unterschiede zu jüngeren nur gering ausfallen. Verschiedene Faktoren reduzieren die Leberfunktion im Alter tendenziell. All diese Veränderungen sind zwar messbar, müssen aber nicht immer eine Konsequenz für den Betroffenen haben.

Die Altersgrenze für die Transplantation einer Leber liegt bei durchschnittlich 70 Jahren. Darüber häufen sich die Komplikationen nach der Transplantation. „Unter der Voraussetzung, dass es sich beim Empfänger um einen ‚gesunden Menschen’ handelt, also keine zusätzlichen kardiopulmonalen Kontraindikationen vorliegen, lassen sich heute auch bei älteren Menschen gute Ergebnisse erzielen“, erläutert Vogel. Bei älteren Menschen müsse man aber beachten, dass nicht die Transplantation der Leber selbst für die Empfänger riskant sei, sondern das Vorhandensein von Komorbiditäten wie Diabetes, Hypertonie und Herzerkrankungen, die im Alter gehäuft auftreten und im Rahmen der Operation oder im postoperativen Verlauf Probleme machen könnten. Auch eine nach Transplantation auftretende Hepatitis C verlaufe bei älteren Patienten viel schwerwiegender.

Infekte der Leber verlaufen bei älteren Patienten oft dramatischer als bei jüngeren Menschen; diese weisen noch dazu einen schlechteren Verlauf auf. So ist beispielsweise bei einer akuten Hepatitis A bei älteren Menschen weitaus häufiger eine Spitalsaufnahme erforderlich. Auch Komplikationen wie eine Pankreatitis, die Bildung von Aszites oder eine fulminante Leberentzündung, die bis zum Leberversagen führen kann, treten fast nur bei über 70-jährigen Patienten auf. „Auch bei der Hepatitis B, die sich zwar vom Verlauf her nicht besonders von der jüngerer Patienten unterscheidet, entwickeln sich wesentlich mehr der Betroffenen zu Trägern des Hepatitis B-Virus, was auf ein unvollständiges Überwinden der Infektion hindeutet“, so Müller. Der Verlauf einer chronischen Hepatitis C sei im Wesentlichen vom Alter des Patienten bei der Infektion abhängig. „Je später im Leben die Infektion stattfindet, desto schneller geht die Progression der Erkrankung in Richtung Leberzirrhose“, so der Experte weiter. Bei einem Patienten, der sich im Alter von zwanzig Jahren mit Hepatitis C infiziert, kann es Jahrzehnte dauern, bis sich eine Leberzirrhose bildet. Bei Infektion in höherem Lebensalter jedoch kann dies schon nach zehn Jahren der Fall sein.

Da speziell die Hepatitis A im Alter nicht selten einen schwerwiegenden Verlauf nimmt, rät Vogel: „Es wäre sehr wichtig, dass Allgemeinmediziner ihre Patienten, vor allem die über 50-Jährigen, dazu auffordern sich gegen Hepatitis A impfen zu lassen.“ Viel zu wenige sind den Aussagen des Experten zufolge geimpft und immer wieder gebe es Fälle, bei denen die Patienten zwei bis drei Monate lang krank sind, weil sie keine Immunisierung haben und diese Erkrankung im Alter einen schleppenden, unangenehmen Verlauf annehmen kann. „Gerade Personen, die viel reisen, sollten sich auf jeden Fall schützen“, so Vogel abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2011