Interview – Univ. Prof. Peter Loidl: Molekulare Medizin studieren

25.06.2011 | Medizin



Die Medizinische Universität in Innsbruck ist ab Herbst 2011 um ein Studien-Angebot reicher. Für medizinisch/naturwissenschaftlich interessierte Maturanten wird das Studium der Molekularen Medizin angeboten, wie der Leiter des Studiengangs, der Molekularbiologe Univ. Prof. Peter Loidl, im Gespräch mit Barbara Spitzer erklärt.


ÖÄZ: Wie ist dieses neue Studium ausgerichtet?

Loidl: Das Studium wird aufbauend als dreigliedriges ‚Bologna-konformes’-Studium eingerichtet. Ab Herbst 2011 startet das sechssemestrige Bachelor-Studium. Wenn die ersten AbsolventInnen 2014 dieses Studium beenden, können sie nahtlos ab dem Wintersemester 2014/15 in ein viersemestriges Master-Studium einsteigen und danach in ein sechssemestriges PhD-Studium, welches bereits an unserer Universität eingerichtet ist. Der Studienplan entspricht den Anforderungen des Bologna-Modells.

Nach welchen Kriterien wurde das Studium aufgebaut?

Im Bachelor-Studium wurde im Unterschied zu vielen ähnlichen Studienangeboten im Ausland auf einen großen Anteil humanmedizinischer Lehrveranstaltungen Wert gelegt. Konkret sind knapp 65 Prozent der Lehrveranstaltungen deckungsgleich mit denen der ersten sechs Semester des Humanmedizin-Studiums, flankiert durch spezielle Lehrveranstaltungen v.a. Praktika und Seminare aus Mathematik, Chemie, (Bio-)Informatik, Molekularbiologie, Zellbiologie, Genetik/Genomik, Immunologie und Mikrobiologie.

Gibt es europaweit ein ähnliches Modell?
Es gibt in vielen europäischen Ländern Studienzweige der Molekularen Medizin. In Deutschland beispielsweise in Erlangen, Freiburg, Göttingen oder Ulm. Allerdings sind in Deutschland die meisten dieser Studien noch Magister-Studien, also nicht wirklich Bologna-konform. Ein weiterer Unterschied ist, dass in Deutschland der humanmedizinische Anteil an Lehrveranstaltungen meist deutlich niedriger ist. In gewisser Weise hat hier die Meduni Innsbruck ein Alleinstellungsmerkmal.

Soll mit diesem neuen Angebot der Ansturm auf Human- und Zahnmedizin verringert werden?
Der Ansturm auf die Human- und Zahnmedizin soll nicht verringert werden, er kann auch gar nicht verringert werden. Die im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich angestiegenen Anmeldezahlen zum Medizin-Studium für das kommende Wintersemester sprechen hier eine deutliche Sprache. Die Klientel, die sich für ein Studium der Molekularen Medizin entscheidet, ist mit Sicherheit deutlich verschieden von der des Human- und Zahnmedizin-Studiums. Für das kommende Wintersemester haben sich knapp 300 Bewerber angemeldet. In den kommenden Jahren rechne ich mit circa 500 Bewerbern pro Studienjahr.

30 Studienplätze stehen zur Verfügung. Wie wird die Zulassung durchgeführt beziehungsweise welche Aufnahmeprüfung ist vorgesehen?
Das Anmeldeverfahren ist bereits abgeschlossen. Die Bewerber müssen sich dem EMS-Test genauso unterziehen wie Bewerber für das Humanmedizin-Studium. Für die Bewerber des Studiums Molekulare Medizin wird es ein eigenes Ranking im EMS-Test geben. Die besten 25 bekommen einen Studienplatz, die restlichen fünf Studienplätze werden nach einem kommissionellen Interview unter den darauf folgenden EMS-Plätzen vergeben. Die Aufnahmetests für medizinische Studienplätze in Wien, Graz und Innsbruck finden Anfang Juli am gleichen Tag statt.

Welche Jobaussichten haben die Absolventen zu erwarten, österreichweit – europaweit?
Die Absolventen des Bachelor-Studiums werden vermutlich zu einem großen Prozentsatz ein einschlägiges Masterstudium in Innsbruck oder anderswo anschließen. Job-Aussichten bieten sich in der pharmazeutischen/biotechnologischen Industrie, in großen medizinischen Routinelabors und im öffentlichen Gesundheitsbereich. Da die Motivation der meisten Bewerber für dieses Studium die Betätigung in der biomedizinischen Forschung ist, werden die meisten ein fortführendes Master-Studium und sehr viele ein abschließendes PhD-Studium anschließen. Damit haben Absolventen dann das höchste Qualifikationsniveau im internationalen Vergleich und werden dementsprechend gute Berufsaussichten in all jenen Bereichen haben, in denen wissenschaftliche Forschung betrieben wird, gleichgültig ob in der Industrie oder in der Academia.

Werden die Lehrveranstaltungen in deutscher oder englischer Unterrichtssprache abgehalten?
Die Lehrveranstaltungen im Bachelor-Studium sind in deutscher Sprache, nicht zuletzt deshalb, weil der größere Teil der Lehrveranstaltungen ja humanmedizinische Lehrveranstaltungen sind und die sind nun mal auf Deutsch. Im anschließenden Masterstudium wird sicher der größere Prozentsatz auf Englisch angeboten. Was wir bereits ab dem zweiten Semester im Studium verpflichtend abhalten, ist ein wiederkehrendes englisches Terminologie-Seminar. In den Praktika werden die Studierenden ohnehin auch teilweise in englischer Sprache kommunizieren müssen, da das Betreuungspersonal zum Teil englischsprachig ist. Die Bachelor-Arbeit ist ebenso in englischer Sprache abzufassen.

Aber gerade wenn die Absolventen europaweit Chancen auf einen qualifizierten Job haben wollen, wäre es nicht sinnvoll, das Studium in englischer Sprache abzuhalten?
Aus den genannten Gründen ist das momentan nicht möglich. Würden wir alle humanmedizinischen Lehrveranstaltungen für die 30 Kandidaten des Studiums Molekulare Medizin parallel in englischer Sprache abhalten, wäre das ein gravierendes Ressourcenproblem im Hinblick auf Geld, Lehrpersonal und Platz. Es erschien uns insgesamt auch etwas übertrieben, ein Bachelor-Studium in Österreich in englischer Sprache anzubieten, zumal über 90 Prozent der Bewerber auch langfristig aus dem deutschen Sprachraum kommen werden. Man sollte sich im universitären Bereich auch durchaus nicht von jeder zeitgeistigen Modeströmung ohne Notwendigkeit mitreißen lassen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2011