Interview – Univ. Prof. Edgar Petru: Brustkrebs-Früherkennung: Einheitliches Vorgehen

25.05.2011 | Medizin

Bei der Früherkennung von erblichem Brust- und Eierstockkrebs soll es zu einer Vereinheitlichung des Vorgehens kommen, erklärt der Präsident der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie, Univ. Prof. Edgar Petru, anlässlich der wissenschaftlichen Tagung der AGO Anfang Mai in Salzburg im Gespräch mit Corina Petschacher.


ÖÄZ: Im Rahmen der diesjährigen AGO-Tagung wurden neue Aspekte bei der Behandlung verschiedener gynäkologischer Tumorerkrankungen besprochen. Was darf man sich davon erwarten?

Petru: Zur Behandlung des Ovarialkarzinoms steht ein neues Medikament zur Verfügung, der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®). Es handelt sich dabei um einen Angioneogenese-Hemmer, also einen Wirkstoff, der die Gefäßneubildung hemmt. Dieses Medikament hat bei fortgeschrittenem Eierstockkrebs zu einer deutlichen Verbesserung des tumorfreien Überlebens um sechs Monate geführt. Durch die Hinzunahme von Bevacizumab zur Standard-Chemotherapie konnte zwar das Gesamtüberleben bisland nicht verbessert werden, sehr wohl aber das progressionsfreie Überleben, was einen klinisch relevanten Nutzen für die betroffenen Patientinnen darstellt, die infolge eines Rezidivs häufig unter Subileusbeschwerden leiden. Auch im Bereich der Therapie der sogenannten cervicalen intraepithelialen Neoplasien tut sich einiges. Diese lassen sich neuesten Studienergebnissen der Medizinischen Universität Wien zufolge mittels Immuntherapie bekämpfen, wodurch den Betroffenen unter Umständen sogar eine Konisation erspart werden kann. Eine Studie, die sich mit der Wirkung der lokalen Immuntherapie mittels Imiquimod, einem Immunmodulator, bei Vorläuferläsionen des Cervixkarzinoms, beschäftigt, läuft gerade österreichweit innerhalb der AGO-Studiengruppe.

Mit 4.500 betroffenen Patientinnen in Österreich stellt das Mammakarzinom das häufigste maligne Karzinom bei der Frau dar. Was gilt es bei der Therapie besonders zu beachten?
Bei der endokrinen Therapie des metastasierenden Mammakarzinoms, also in der Antihormontherapie gibt es eine Gruppe von Patientinnen, die zu Beginn der Therapie noch als prämenopausal einzustufen ist und die im Laufe der Therapie dann postmenopausal werden. Hier sollte es zur Anpassung der Therapie vor allem mit Aromatasehemmern in der Postmenopause kommen. Allerdings wurden bei scheinbar postmenopausalen Patientinnen unter der Therapie mit Aromatasehemmern sogar Schwangerschaften beschrieben. Serielle Bestimmungen von FSH und Östradiol alle drei Monate können hier eine Hilfestellung leisten, um zu bestätigen, dass die Patientin postmenopausal ist.

Wie sieht es bei der endokrinen Therapie bei alten und älteren Patientinnen aus?
Diese können von einer endokrinen Therapie besonders profitieren und zwar im Sinne einer Palliation und eines längeren Ansprechens. Bei alten Patientinnen, die oft multimorbid sind, besteht durch die häufige Hormonrezeptorpositivität der Tumoren ein gewisser Vorteil der Aromatasehemmertherapie gegenüber Tamoxifen, das eine höhere Rate an Thromboembolien aufweist. Es gilt auch zu beachten, dass Aromatasehemmer nicht gleich Aromatasehemmer ist und auch bei Progression durch einen anderen Aromatasehemmer durchaus noch ein guter Effekt erzielt werden kann. Wichtig scheint mir auch zu sein, dass die Vorsorge und Behandlung der Patientinnen in Richtung Personalisierung und Individualisierung geht. Dazu stehen sogenannte Nomogramme zur Verfügung, mit Hilfe derer eine Patientin evaluieren kann, welches Risiko sie hat, ein Mammakarzinom zu entwickeln und sich eventuell auch präventive Schritte überlegen kann. Familienanamnese, bereits vorhandene Voroperationen an der Brust und noch einiges mehr fließen in die Überlegungen mit ein, welches individuelle Vorgehen gewählt werden soll. Eventuell können in der Therapie Genexpressionsprofile in der Zukunft helfen, die sinnvollste Therapie für die jeweilige Patientin zu identifizieren.

Einen Schwerpunkt der Jahrestagung stellt die Früherkennung von vererbbarem Brust- und Eierstockkrebs dar. Welche Neuerungen gibt es in diesem Bereich?
Die Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie hat eine neue Leitlinie herausgegeben, wie eine Früherkennung bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs in Österreich funktionieren soll. Diese soll zu einer Vereinheitlichung des Vorgehens bezüglich der Früherkennung führen. Einen besonderen Stellenwert erhält hier die MRT-Diagnostik, die bei Hochrisikopatienten ab dem 25. Lebensjahr zur Früherkennung eingesetzt wird. Diese zeigt einen erheblichen Vorteil gegenüber der Mammographie bei der Früherkennung des erblich bedingten Mammakarzinoms. Nicht nur Patientinnen, die eine Brustkrebsgenmutation aufweisen, können durch die neue Leitlinie erfasst werden, sondern auch Patientinnen, die eine sehr starke Karzinomanamnese in der Familie aufweisen.

Welche Bedeutung kommt der Kontinuität in der Behandlung von Frauen mit gynäkologischen Malignomen zu?
Die Wichtigkeit der Kontinuität in der Betreuung ist sozusagen das Motto unserer diesjährigen Tagung und betrifft traditionell u.a. den Punkt Knochengesundheit in der gynäkologischen Onkologie. Bei allen onkologischen Patientinnen muss auch auf die Knochengesundheit geachtet werden. Ganz besonders trifft das auf jene Frauen zu, die schon in jungen Jahren ihre Eierstöcke aufgrund einer Tumorerkrankung verlieren und damit hoch Osteoporose-gefährdet sind, aber auch auf Patientinnen, die eine medikamentöse Hormonunterdrückung mittels GnRH-Analoga erhalten. Bei Patientinnen mit einer Brustkrebsgenmutation und Zustand nach Adnexektomie stellt sich im Besonderen die Frage, ob und wie lange sie überhaupt eine Hormonersatztherapie bekommen können. Auch Bewegung und Ernährung stellen wesentliche Faktoren dar, um das Osteoporoserisiko zu verringern. Neu in der Osteoporosetherapie ist der Einsatz des Rank-Ligand-Antikörpers Denosumab, der alle sechs Monate subkutan gespritzt wird und eine hohe Effektivität zeigt.

Welche Ergebnisse und Neuerungen aus der aktuellen Studienlandschaft der AGO werden bei der Tagung präsentiert werden?

Sehr gute Ergebnisse haben wir aus einer Studie über das Endometriumkarzinom erhalten, hier wurde von der AGO eine Phase-II-Studie durchgeführt, die schon fast fertig rekrutiert hat. Der Nutzen von nicht-pegyliertem liposomalem Doxorubicin plus Carboplatin beim metastasierten Endometriumkarzinom scheint bereits jetzt bewiesen. Imposant ist insbesondere auch die gute Verträglichkeit. Liposomales Doxorubicin ist deutlich weniger kardiotoxisch als die konventionellen Anthrazykline, was bei den oft älteren, multimorbiden Patientinnen einen wesentlichen Vorteil mit sich bringt. Außerdem werden noch neue Therapieansätze vorgestellt, wie zum Beispiel im Rahmen der sogenannten Trinova II-Studie, die sich mit einem Medikament beim Eierstockkrebs beschäftigt, das Angiopoietin hemmt.

Welchen Stellenwert nimmt die Laparoskopie in der Gynäkologischen Onkologie heute ein?
Der laparoskopische Zugang setzt sich auch bei gynäkologischen Malignomen zunehmend durch. Im Rahmen unserer Tagung wurde beispielsweise die Wertigkeit des laparoskopischen Stagings der retroperitonealen Lymphknoten beim fortgeschrittenen Cervixkarzinom diskutiert. Das operative Lymphknotenstaging hilft, die definitive Therapie individualisieren zu können. Nicht jede Frau benötigt bei positiven pelvinen Lymphknoten eine Bestrahlung des Para-Aortalfeldes, wenn sich durch das laparoskopische Staging negative Lymphknoten dieser Region herausstellen. Damit kann die Toxizität entscheidend reduziert werden. Beim frühen Cervixkarzinom erscheint nach präoperativer sorgfältiger Abklärung das laparoskopische Staging bei intraoperativer hochwertiger pathologischer Schnellschnittdiagnostik im Rahmen einer Trachelektomie ebenso vertretbar. Beim Endometriumkarzinom mit histopathologisch nachgewiesenem niedrigem Rezidivrisiko ist die Laparoskopie schon im Frühstadium etabliert und großteils Standard, beim fortgeschrittenen Karzinom ist nach wie vor die Laparotomie das Mittel der Wahl. Beim Ovarialkarzinom kann laparoskopiert werden, wenn der Verdacht auf ein isoliertes Rezidiv besteht und ein sekundäres Debulking erfolgen soll. Eine weitere Indikation ist das primär im Oberbauch fortgeschrittene Karzinom, bei dem vor einer primären Chemotherapie eine Histologie entnommen wird und zugleich festgestellt werden soll, ob eine primäre RO-Resektion zu erreichen ist.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2011