Fruktose-/Laktoseintoleranz: An Unverträglichkeiten denken

25.09.2011 | Medizin

Bis zu einem Viertel der österreichischen Bevölkerung weist eine Laktose-Intoleranz auf; bis zu einem Drittel eine Fruktose-Intoleranz. Nach Ansicht von Experten sollte darauf ein noch größeres Augenmerk als bisher gelegt werden.
Von Birgit Oswald

Blähungen, Völlegefühl, Durchfall – bei diesen Symptomen sollte man jedenfalls eine Nahrungsmittelunverträglichkeit in Betracht ziehen. Für die häufigste Unverträglichkeit, die intestinale Fruktoseintoleranz, sind neben den genannten Symptomen auch Heißhunger auf Süßes oder depressive Verstimmungen charakteristisch. „Man hört immer wieder, dass viele Ärzte die Fruktose-Malabsorption nicht ernst nehmen. Es gibt aber Literatur, die ein Drittel der Bevölkerung als Fruktose-intolerant ansieht. Wichtig ist daher, überhaupt daran zu denken“, erklärt Univ. Prof. Reinhart Jarisch, Leiter des Allergiezentrums Floridsdorf in Wien.

Bei der intestinalen Fruktose-Intoleranz kann Fruktose nur zum Teil oder gar nicht aus dem Dünndarm resorbiert werden. Ursache dafür ist ein Defekt im Transportersystem für Fruktose in den Dünndarmzellen; dieser kann erworben oder angeboren sein. In der Folge gelangt der Fruchtzucker unverdaut in den Dickdarm, wo Dickdarmpilze und Bakterien die Fruktose vergären. Es entstehen Darmgase, kurzkettige Fettsäuren und Stickoxide, die die unangenehmen Beschwerden verursachen.

Für die Abklärung einer Fruktose-Intoleranz dient der H2-Atemtest. Dabei nimmt der nüchterne Patient, nachdem der H2-Basiswert festgestellt wurde, 25 Gramm Fruktose oral zu sich; alle 15 bis 30 Minuten wird dann der H2-Wert bestimmt. Besonders wichtig ist, dass der Patient möglichst lange in das Atemtestgerät ausbläst, da der Wasserstoffgehalt gegen Ende der Messung abnimmt. Danach werden die Messwerte verglichen: Steigt die H2-Konzentration um mindestens 20 ppm an, kann von einer Fruktose-Intoleranz ausgegangen werden. Ein Gentest zur Abklärung der intestinalen Fruktose-Intoleranz, der den dreistündigen Atemtest ersparen könnte, steht derzeit nicht zur Verfügung. „Bei der Fruktose-Intoleranz kann man aber sehr gut abfragen, wodurch die Beschwerden entstehen, also etwa durch Apfelsaft, Birnen, Mangos oder Honig. Viele Patienten merken sehr schnell, welche Fruktose-haltigen Lebensmittel die Symptome auslösen“, erklärt Univ. Prof. Harald Vogelsang von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie am AKH Wien. Besteht eine Unverträglichkeit, sollen Fruchtsäfte, Marmeladen und bestimmte Obstsorten sowie Zucker-Ersatzstoffe wie Sorbit gemieden werden. Trotz Diät werden manche Patienten dennoch nicht beschwerdefrei. „Dahinter kann sich ein Reizdarmsyndrom verbergen. Diese Darmerkrankung kann den Patienten erst spüren lassen, dass er etwas nicht verträgt“, führt Vogelsang aus.

An neuen Therapiemöglichkeiten wird derzeit etwa an der Dermatologischen Abteilung der Medizinischen Universität Graz geforscht. Dort wird an Enzymen gearbeitet, die Fruktose zu Fruktose-Glukose-Isomerase umwandeln. Vogelsang dazu: „Die Studie ist noch nicht ausgewertet. Man wird sehen, ob diese Enzymzufuhr in der Praxis Hilfe bringen kann.“

Bis zu einem Viertel der Bevölkerung in Österreich ist von einer Laktose-Intoleranz betroffen. „Die Laktosemalabsorption hängt vom ethischen Hintergrund ab. Menschen aus südlichen Ländern haben eine höhere Prävalenz für eine Laktosemalabsorption. In Skandinavien sind etwa unter fünf Prozent von einer Laktoseintoleranz betroffen, in Schwarzafrika hingegen findet man eine 100-prozentige Unverträglichkeitsrate“, so Jarisch. Ursache für eine Laktoseintoleranz ist ein Mangel am Enzym Laktase, welches Laktose im Dünndarm spaltet. Als klassische Symptome gelten Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen, Völlegefühl und Diarrhö. Die Beschwerden entstehen durch den Weitertransport der unverdauten Laktose in den Dickdarm, wo es zu unkontrollierten Gärungen kommt.

Standard: H2-Atemtest

Prinzipiell sind drei Formen der Laktose-Intoleranz zu unterscheiden: Die häufigste Ursache ist der primäre Laktase-Mangel, der genetisch bedingt ist. Ein sekundärer Laktase-Mangel entsteht hingegen durch Schädigung der Oberfläche der Dünndarmschleimhaut und ist häufig Folge von Erkrankungen wie Zöliakie, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, bakteriellen Infektionen oder Medikamenten. Gibt es schon bei der Geburt keine Enzymaktivität, kann von einem kongenitalen Laktasemangel ausgegangen werden. Diese Art der Laktose-Intoleranz ist allerdings äußerst selten.

Zur Diagnose steht neben einem H2-Atemtest und einem Laktose-Belastungstest auch ein Gentest zur Verfügung. „Wenn jemand homozygot positiv im Gentest ist, dann besteht eine sichere Veranlagung für einen Laktase-Mangel. Das gilt aber nur für die primäre Laktoseintoleranz“, so Vogelsang. Tücken bestehen bei diesem Test dann, wenn ein sekundärer Laktose-Mangel vorliegt. „Dann könnte der Test negativ sein, obwohl der Patient eine Laktose-Malabsorption hat.“ Daher gilt derzeit der H2-Atemtest als Standard zur Diagnostik.

In punkto Behandlung steht bei der Laktose-Intoleranz im Gegensatz zur Fruktose-Intoleranz ein Enzympräparat zur oralen Einnahme zur Verfügung. Die Laktase-haltigen Kapseln oder Pulver-Sticks sind allerdings nur für kleine Mengen von Laktose geeignet. „Am besten ist es, Milchprodukte zu meiden. Mittlerweile gibt es viele Laktose-freie Produkte, die es den Betroffenen ermöglichen, weiterhin Milchprodukte zu essen und damit ihren Kalzium- und Vitamin D-Bedarf zu decken“, empfiehlt Jarisch. Die Betroffenen sollten auch darauf hingewiesen werden, dass nicht alle Milchprodukte gleich Laktose-haltig sind und somit Beschwerden auslösen. Schnitt-, Hart- und Weichkäse enthalten kaum Laktose; hingegen wird Fertigprodukten und Wurstwaren häufig Laktose zugesetzt. „Prinzipiell gilt: Je fetter die Produkte, desto weniger Laktose enthalten sie“, erklärt Vogelsang abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2011