Ernährungsmedizin: Rückblick und Ausblick

10.11.2011 | Medizin


Mit den Anfängen und dem Status quo der Ernährungsmedizin befasste sich Univ. Prof. Kurt Widhalm im Rahmen seiner Abschiedsvorlesung an der Medizinischen Universität Wien.

Von Birgit Oswald

Mit den Anfängen der Ernährungsmedizin setzte sich Univ. Prof. Kurt Widhalm zu Beginn seiner Abschiedsvorlesung „Ernährung und Medizin: Rückblick und Ausblick“ auseinander. So waren etwa schon in der Antike Ernährungsempfehlungen Teil der Medizin; selbst die Fettleibigkeit war bereits ein Begriff. Hippokrates etwa hatte diätologische Maßnahmen in seinem hippokratischen Eid integriert und plädierte für Mäßigung. Und auch der Stoffwechsel war damals bereits unter dem Begriff „Das Metabole“ bekannt. Der erste kontrollierte Ernährungsversuch geht auf James Lind (1716-1794), der als Begründer der Therapie gegen Skorbut gilt, zurück. Er entdeckte anhand von Vergleichsgruppen, dass sich Zitrusfrüchte bei der Behandlung und Prävention von Skorbut bewähren. Als weiteren Meilenstein nannte Widhalm etwa den Münchner Mediziner Max Rubner (1854-1932), der die Isodynamie der Nährstoffe entdeckte.

Für die Entwicklung der Ernährungsmedizin in Wien war die Gründung des Stoffwechselklubs in den 1980er Jahren ausschlaggebend, berichtete Widhalm. In diesem Rahmen tauschten sich Gunter Kleinberger, Wilfried Druml, Herbert Lochs und Ericht Roth über Fachliches aus und schufen Anreize für neue Forschungen im Bereich des Stoffwechsels. 1997 war Widhalm Mitbegründer des „Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin“ (ÖAIE) und des „Journals für Ernährungsmedizin“ (JEM). Weiters gelang es ihm, mit dem ÖÄK-Diplom Ernährungsmedizin eine Weiterbildungsmöglichkeit im Fach Ernährungsmedizin für Ärzte zu schaffen. Mehr als 1.200 Ärzte haben die Diplom-Ausbildung bisher erfolgreich absolviert.

Für den Anfang 2000 ausgeschriebenen Lehrstuhl für Ernährungsmedizin an der Medizinischen Universität Wien konnte sich Kurt Widhalm gegen vier Bewerber aus Deutschland durchsetzen; er hat ihn seit 2003 inne. Es ist sein Verdienst, dass im Curriculum des Studiums „Humanmedizin“ an der Medizinischen Universität Wien im Block „Ernährung und Verdauung“ ernährungsmedizinische Themen eine größere Bedeutung erlangt haben.

Internationale Forschungskooperationen

Kurt Widhalm ist es auch gelungen, wichtige Forschungsprojekte umzusetzen und internationale Forschungskooperationen zu veranlassen. Besonderes Aufsehen erregte etwa die HELENA-Studie (Healthy Lifestyle in Europe by Nutrition in Adolescence), an der zwischen 2005 und 2008 Kinder und Jugendliche aus zehn Ländern Europas – Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Österreich, Schweden, Spanien und Ungarn – teilnahmen. Die Projektleitung der HELENA-Studie für Österreich hatte Widhalm inne – und sie brachte äußerst „beunruhigende“ Ergebnisse. „Die Studie zeigt, dass Kinder und Jugendliche sehr wenig Gemüse, dafür doppelt so viel Fleisch essen wie empfohlen. Es ist sehr verwunderlich, dass trotz dieser Fakten immer noch Werbung für Fleisch im Fernsehen gezeigt wird“, so Widhalm. Weiters lässt die körperliche Aktivität zu wünschen übrig: Nur 58 Prozent der Burschen und 31 Prozent der Mädchen bewegen sich täglich eine Stunde. All das hat weitreichende Folgen: Denn die Fitness korreliert mit der Insulinresistenz; Diabetes mellitus oder Herz-/Kreislauferkrankungen sind die Folge.

Aktuell beschäftigen sich Widhalm und seine Mitarbeiter in ihren Forschungen vor allem mit metabolischen Veränderungen und weiteren Komorbiditäten bei juveniler Adipositas sowie Lipoprotein-Stoffwechselstörungen wie etwa der familiären Hypercholesterinämie.

Übrigens: Der Lehrstuhl für Ernährungsmedizin an der Medizinischen Universität Wien wird nicht nachbesetzt...

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2011