Ernährung von Kleinkindern: Frühe Fehler – fatale Folgen

10.09.2011 | Medizin

In den ersten Lebensjahren wird der Grundstein für eine gesunde Ernährung und das spätere Essverhalten im Erwachsenenalter gelegt. Während ein überdurchschnittlich hoher Konsum von Süßigkeiten zu verzeichnen ist, gibt es häufig Lücken bei Mikronährstoffen.
Von Birgit Oswald

Während es für Kinder im Säuglingsalter sehr gute nationale und internationale Ernärhungsempfehlungen gibt, stehen hingegen für Kleinkinder im Alter zwischen ein und drei Jahren kaum entsprechende Informationen zur Verfügung. Die Folge ist oftmals eine unausgewogene und wenig altersgerechte Ernährung, die unter anderem zu Übergewicht, Adipositas, Zöliakie, Allergien und Mangelerscheinungen führen kann.

„In Österreich gibt es bisher in keinem Ernährungsbericht relevante und repräsentative Daten zur Aufnahme von Nährstoffen von Kleinkindern, sie werden völlig ausgeblendet“, so die Kritik von Univ. Prof. Karl Zwiauer, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Landesklinikum St. Pölten. Dabei zeigen Daten aus Deutschland, dass bereits Kleinkinder zu wenig Gemüse und kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Reis, Teigwaren, Kartoffeln oder Vollkornbrot zu sich nehmen. Hingegen werden Nahrungsmittel mit geringer Nährstoffdichte wie Süßigkeiten, Weißbrot und Backwaren übermäßig konsumiert. „Der Verzehr von Süßigkeiten und die damit verbundene Zuckerzufuhr mit all ihren negativen Folgen für Gewicht und Zähne verdoppeln sich zwischen ein und drei Jahren“, ergänzt Univ. Prof. Jürgen König vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. Vor allem zuckerhaltige Getränke stellen ein Problem dar: Dadurch gewöhnen sich Kinder sehr früh an den süßen Geschmack. Das Getränk der ersten Wahl sollte Leistungswasser sein; auch ungesüßte Tees sowie stark verdünnte Fruchtsäfte werden empfohlen. Eine alarmierende Entwicklung sehen die Experten auch in der hohen Aufnahme von Salz. „Kinder, die früh an sehr salzige Speisen gewöhnt werden, konsumieren auch im späteren Alter große Mengen an Salz. Das könnte sich im Erwachsenenalter bei empfindlichen Menschen möglicherweise ungünstig auf den Blutdruck niederschlagen“, erklärt König.

Auf der anderen Seite gibt es Lücken vor allem bei Mikronährstoffen. Die Ursache dafür: Häufig werden die schlechten Ernährungsgewohnheiten der Eltern übernommen. „Kinder sind beim Essen keine kleinen Erwachsenen. Sie haben noch eine intensive Entwicklung vor sich und benötigen von einigen Nährstoffen in Bezug auf das Körpergewicht viel mehr als Erwachsene“, betont Zwiauer. So wird etwa die empfohlene Eisenzufuhr um ein Drittel unterschritten. „Neben der Bedeutung für die Blutbildung und damit für die Sauerstoffversorgung und für Enzymaktivitäten hat Eisen wesentliche Aufgaben bei der Entwicklung des Gehirns sowie für die Ausbildung der kognitiven und motorischen Fähigkeiten“, so der Experte. Die Folgen einer zu geringen Eisenzufuhr können sich im Schulkindalter bemerkbar machen: etwa durch Schwierigkeiten im Fach Mathematik oder wenn die Merkfähigkeit deutlich eingeschränkt ist. Um eine optimale Eisenversorgung zu erreichen, wird neben dem Verzehr von eisenhaltigen Lebensmitteln wie Fleisch auch die Einnahme von Vitamin C empfohlen, um die Bioverfügbarkeit von Eisen zu verbessern.

Zu hohe Eiweißzufuhr

Ein Zuviel bei der Ernährung von Kleinkindern ist auch beim Verzehr von tierischem Eiweiß wie Fleisch und Wurst und damit verbunden einer zu hohen Aufnahme von gesättigten Fettsäuren zu registrieren. Aus dem erhöhten Eiweißkonsum resultiert eine verstärkte Sekretion des Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktors IGF-1, der die Bildung von Fettzellen sowie die Fettspeicherung fördert. Fleischprodukte sollten daher höchstens dreimal pro Woche in möglichst magerer Form verzehrt werden. Studien belegen, dass die erhöhte Aufnahme von tierischem Eiweiß die Entwicklung von Übergewicht fördern oder sogar verdoppeln kann. Das schlägt sich auch in den Zahlen des letzten Ernährungsberichts (2008) nieder: 19 Prozent der sechs- bis 15-jährigen Schulkinder in Österreich sind bereits zu dick, acht Prozent sogar adipös.

Das Übermaß an tierischem Eiweiß liegt auch an einem zu hohen Milchkonsum. Zwiauer dazu: „Milch ist ein wertvolles Lebensmittel und soll nicht als Durstlöscher verwendet werden.“ Drei Portionen Milch täglich reichen aus, um den Nährstoffbedarf zu decken. Milchprodukte vollkommen aus dem Ernährungsschema zu streichen, wäre jedoch der falsche Weg, wie König betont: „Milchprodukte sind ein ganz wichtiger Faktor in der Ernährung, da sie wichtige Nährstoffe wie Calcium, B2 oder Vitamin D liefern. Wichtig ist jedoch auf die angemessene Menge zu achten.“ Daneben trägt regelmäßige körperliche Aktivität im Freien maßgeblich zu einer Verbesserung der Versorgung mit Vitamin D bei. Darüber hinaus werde – so Zwiauer – das Körperbewusstsein geschärft und dem Übergewicht vorgebeugt.

Problembewusstsein schaffen

Wie nachhaltig die Ernährung im Kleinkindesalter ist, hat sich bislang noch nicht wirklich herumgesprochen, wie Zwiauer erklärt: „Das Kleinkindesalter ist die Zeit, in der Übergewicht und Adipositas schleichend entstehen können. Das wird häufig übersehen. Dieser Altersgruppe muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es ist besonders wichtig, beim allmählichen Übergang zur Familienkost auf die speziellen Nährstoffbedürfnisse jedes einzelnen Kindes Rücksicht zu nehmen.“ Ein wichtiger Schritt wäre zunächst ein Problembewusstsein bei den Ärzten zu schaffen.

Ernährungsempfehlung für Kleinkinder:

  • Wurst- und Fleischkonsum sollten auf maximal drei Mahlzeiten pro Woche (insgesamt circa 200 g für Einjährige und bis 250 g für Zwei- bis Dreijährige) eingeschränkt werden, wobei magere Fleisch- und Wurstwaren (zum Beispiel Schinken, Krakauer) zu bevorzugen sind.
  • Vor allem in der sonnenarmen Jahreszeit sollen ein- bis zweimal wöchentlich Meeresfische (fettarm zubereitet) und/oder Zuchtpilze (zum Beispiel Champignons) konsumiert werden.
  • Milch soll als Lebensmittel gesehen werden und daher der Konsum von Milch und Milchprodukten auf drei Portionen (insgesamt 300 bis 330 ml Milch; 100 ml Milch entsprechen 100 ml Joghurt und circa 15 g Schnittkäse oder 30 g Weichkäse) täglich beschränkt werden.
  • Folsäurereiche Gemüsesorten (zum Beispiel Erbsen, Fenchel, Karfiol, Brokkoli, Spinat) sowie Vollkornprodukte sollen täglich angeboten werden.
  • Geriebene Nüsse oder geriebene Samen (zum Beispiel Walnüsse, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne) und Weizenkeime können – ins Joghurt oder in die Suppe gerührt – dabei helfen, Nährstofflücken zu schließen.
  • Hülsenfrüchte (zum Beispiel Erbsen, Linsen, Bohnen) sollen mindestens einmal wöchentlich als Basis einer warmen Hauptmahlzeit eingeplant werden.
  • Ganz wichtig: Leitungswasser ist das Getränk der ersten Wahl. Alternativ kann Kleinkindern ungezuckerter Tee (zum Beispiel Fenchel-, Kamillen- oder Pfefferminztee) angeboten werden. Fruchtsäfte sollen sehr stark (mindestens 1:6) verdünnt werden.
  • Zum Kochen und für Salate sollen Raps-, Sonnenblumen- oder Maiskeimöl verwendet werden.
  • Wichtig im Sinne einer präventiven Lernmaßnahme gegen Bluthochdruck: Salzreiche Lebensmittel wie Knabbergebäck, Fertigsuppen, Hartkäse, Hartwürste oder salzbestreutes Gebäck sollen nur selten beziehungsweise bewusst in kleinen Mengen verzehrt werden. Wenn Salz verwendet wird, sollte immer jodiertes Speisesalz verwendet werden.

 

Tipp:

Das Positionspapier „Ernährung von Ein- bis Dreijährigen“ gibt es unter www.docs4you.at zum Download.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2011