Broken-Heart-Syndrom: Auslöser: extremer Stress

10.10.2011 | Medizin


Extremer emotionaler und physischer Stress können ein „Broken-Heart-Syndrom“ verursachen: Die Symptome sind ähnlich jenen eines Herzinfarkts, allerdings erweist sich die Darstellung der Koronarien in der Angiographie als unauffällig. Trotzdem: Therapiert wird wie bei einem Myokardinfarkt.

Von Irene Mlekusch

Extremer emotionaler und physischer Stress können Symptome hervorrufen, die mit einem akuten Myokardinfarkt vergleichbar sind. Univ. Prof. Peter Hofmann von der Universitätsklinik für Psychiatrie in Graz verweist auf die Entsprechung im Volksmund: „Da ist mir das Herz stehen geblieben“ – und zählt als mögliche Auslöser plötzlichen Todesfall in der Familie, Autounfall, Erdbeben, Überfälle, größere chirurgische Eingriffe oder sogar öffentliche Auftritte auf. Die Palette der Symptome reicht von akuten Brustschmerzen und Engegefühl in der Brust sowie Dyspnoe über Übelkeit, Hypotension bis hin zu Synkopen. Auch im EKG lassen sich Zeichen einer Myokardischämie oder eines Myokardinfakts darstellen. In der Koronarangiographie allerdings erfolgt dann im Gegensatz zum Myokardinfarkt die Darstellung der Koronararterien weitgehend unauffällig. Dieses früher oft von den behandelnden Kardiologen als ‚mögliche spontane Lyse‘ interpretierte Phänomen erhielt 1991 in Japan erstmals den Namen Tako-Tsubo-Kardiomyopathie. Mittlerweile ist dieses akute kardiale Krankheitsbild unter vielen Namen bekannt wie zum Beispiel „apical ballooning“, „broken heart syndrome“, „ampulla syndrome“, „acute stress cardiomyopathy“ oder „scared to death“.

Obwohl der Bekanntheitsgrad der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie in den letzten zehn Jahren in Österreich zugenommen hat, ist die Differentialdiagnose zum „klassischen“ akuten Myokardinfarkt mit totalem oder subtotalem Verschluss der Koronarien nicht immer ganz leicht zu stellen. Univ. Prof. Manfred Zehetgruber von der Universitätsklinik für Innere Medizin II am AKH Wien erklärt, dass eine sichere klinische Unterscheidung allein durch die Art des Thoraxschmerzes, aber auch durch EKG-Veränderungen wie häufig typische ST-Hebungen nicht möglich ist.

Die Prävalenz der Erkrankung liegt den derzeit verfügbaren Studien entsprechend bei bis zu zwei Prozent aller akuten Koronarsyndrome; man geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus. Betroffen sind überwiegend postmenopausale Frauen. „Der Anteil der Männer, die an einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie erkranken, liegt nur in etwa bei zehn Prozent“, schildert Zehetgruber und verweist auch darauf, dass sich nicht immer Stressfaktoren als Auslöser finden lassen. „Finden sich emotionale Ereignisse in der Anamnese des Patienten, so sind die Fälle meist sehr eindrucksvoll“, sagt der Experte aus Wien und erinnert sich an Tako-Tsubo-Kardiomyopathien, die durch eine Überraschungsparty, einen Überfall in einer Trafik oder Reanimationshilfe ausgelöst wurden.

In Unterscheidung zum klassischen Infarkt weisen die kardialen Nekrosemarker im weiteren Verlauf meist nur einen geringfügigen oder auch gar keinen Anstieg auf. Ein wesentlicher diagnostischer Schwerpunkt liegt auch in der Akutbehandlung eindeutig im Bereich der Echokardiographie. „Die typischen im weiteren Verlauf reversiblen Wandbewegungsstörungen, die sich im linken Ventrikel als charakteristisches Kontraktionsmuster darstellen, sind diagnostisch wegweisend, auch wenn es vereinzelt Tako-Tsubo-Patienten mit atypischen Kontraktionsstörungen gibt“, erläutert Zehetgruber. Diese zirkuläre Hypo- bis Akinesie der apikalen und mittleren linksventrikulären Abschnitte bei hyperkontraktiler Basis, die als apical ballooning bezeichnet wird, prägte auch den japanischen Namen.

Das Erscheinungsbild des linken Ventrikels in der Sonographie entspricht der Form einer japanischen Tintenfischfalle. Ein Herz-MRT, die Myokard-SPECT und auch die Myokardbiopsie liefern in Studien immer wieder interessante Ergebnisse, sind aber für die Diagnose der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie nicht wirklich relevant. Der koronarangiographische Ausschluss von signifikanten Koronarstenosen ist der wesentliche Baustein bei der Diagnose.

Einfluss von Katecholaminen

Der pathophysiologische Mechanismus der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Einige Studien konnten eine saisonale und zirkadiane Häufung des Broken-Heart-Syndroms mit verstärktem Auftreten der Events am Morgen und im Sommer nachweisen. Die zirkadiane Häufung ist mit der des akuten Myokardinfarkts vergleichbar; dieser verzeichnet seinen saisonalen Gipfel eher in den Wintermonaten. Die Katecholamin-Hypothese ist das am weitesten verbreitete Erklärungsmodell für die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie und stellt einerseits Beziehungen zwischen der zirkadianen und der saisonalen Periodizität her, andererseits wird dadurch der Auslöser Stress in den Vordergrund gerückt. Der negative Einfluss der erhöhten Serumkonzentrationen von Katecholaminen auf Myozyten konnte in mehreren Studien belegt werden. Andere Hypothesen gehen von epimyokardialen Vasospasmen oder koronaren Mikrozirkulationsstörungen als Ursache aus.

„Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie muss in jedem Fall wie ein akuter Myokardinfarkt behandelt werden, auch wenn die Regeneration schneller erfolgt“, betont Zehetgruber. Die Koronarangiographie dient schließlich dazu, einen akuten Verschluss der Koronarien auszuschließen und inadäquate Therapien wie beispielsweise eine Thrombolyse zu vermeiden. Die Erkrankung darf aber nicht bagatellisiert werden, da sie eine Moralität von ein bis zwei Prozent aufweist. Zehetgruber nennt als Komplikationen kardiogenen Schock und maligne Arrhythmien wie Kammerflimmern.

Obwohl sich das Herz bei der überwiegenden Anzahl der Patienten wieder regeneriert, wird eine Rückfallsrate von bis zu acht Prozent beschrieben. Dem Krankheitsbild entsprechend empfiehlt Zehetgruber eine Pharmakotherapie mit Betablockern. Konnte emotionaler Stress als Auslöser erhoben werden, sollte im Rahmen der Behandlung auch eine Vorstellung beim Psychiater erfolgen. „Life Events, wie sie hier vorkommen, sind oftmals Auslöser einer depressiven Entwicklung“, weiß Hofmann. Da es sich meist um dramatische Lebensereignisse handelt, hält er eine ärztlich-psychiatrisch-psychotherapeutische Abklärung immer für sinnvoll: „Bei schwererer psychischer Symptombildung sollte an die Gabe milder Antidepressiva auch wegen der Angstkomponente gedacht werden.“

Tako-Tsubo-Kriterien

  1. Klinisches Bild eines akuten Koronarsyndroms
  2. EKG: ST-Hebungen
  3. (Reversible) Wandbewegungsstörungen der apikalen und mittleren Segmente
  4. Fehlen signifikanter Koronarstenosen
  5. Geringer TNT/CK-Anstieg

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2011