Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Nur ein Machtspiel?

25.11.2010 | Standpunkt

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Es geht um Geld, um viel Geld. 2009 waren es insgesamt 15,4 Milliarden Euro, die in Österreich für Spitäler aufgewendet wurden; darin sind auch die Ausgaben für Rehabilitation, Kur und Pflege berücksichtigt. Sechs Prozent Kostensteigerung in diesem Bereich im Vorjahr – und damit deutlich über dem Wirtschaftswachstum gelegen – waren offensichtlich der Anlass für den Vorstoß von Gesundheitsminister Alois Stöger, sich Gedanken über eine Neustrukturierung der österreichischen Spitalslandschaft zu machen und diese umgehend der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Über die Art und Weise des Zustandekommens dieses Plans zur Bündelung der Spitalskompetenzen kann man sicher diskutieren. Dass aber gerade im Spitalsbereich Reformen mehr als überfällig sind, um so auch die Existenz vieler kleiner Krankenanstalten zu gewährleisten, darüber kann man mit Sicherheit nicht mehr diskutieren.

Die Aufregung war groß, der Aufschrei aus den Bundesländern kam zwar unerwartet rasch, aber dafür umso heftiger: von Entsetzen war da die Rede, manch einer sieht in den Vorschlägen gar eine Frechheit, für wieder einen anderen sind die Pläne überhaupt entbehrlich. Erschütterung wurde kundgetan, sogar provoziert fühlte sich einer der (Spitals-)Landesherren.

Mit einem bundeseinheitlichen Krankenanstaltengesetz will Stöger das derzeitige Gesetzeswirrwarr – es gibt für jedes Bundesland ein entsprechendes Gesetz sowie ein Bundesgesetz – vereinheitlichen. Dieser Vorschlag findet meine volle Unterstützung. Es ist ja wirklich nicht einzusehen, dass Österreich – das etwa die Größe von Bayern hat – wirklich zehn unterschiedliche Krankenanstaltengesetze benötigt. Brauchen wir tatsächlich so viele und in weiten Bereichen nur geringfügig unterschiedliche Gesetze oder anders herum gefragt: Funktionieren die Spitäler in Oberösterreich soviel anders als etwa in Vorarlberg oder im Burgenland?

Doch damit nicht genug. Der Vorschlag des Ministers geht noch viel weiter. So will er die Mittel des Bundes für die Spitäler – derzeit sind dies rund 15 Prozent – und einen Großteil von jenen der Sozialversicherung – derzeit rund 50 Prozent – in einem Steuerungsfonds der Bundesgesundheitsagentur bündeln. Geld gäbe es dann nur noch, wenn bestimmte Finanzziele und Kennzahlen, die erst festgelegt werden müssten, eingehalten werden. Ob das so funktionieren kann, wie es auf dem Papier vorgelegt wurde, wage ich zu bezweifeln. Wenn eine Kennzahl nicht erfüllt wird, heißt das automatisch: Es gibt kein Geld mehr und deswegen kann eine bestimmte Operation oder die Notfallversorgung in der Ambulanz nicht mehr durchgeführt werden? Ich sehe hier die Gefahr einer versteckten Leistungskontingentierung. Damit wäre eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung die unmittelbare Folge, die vor allem Menschen in entlegeneren Regionen vor massive Probleme stellt.

Bei allen Reformüberlegungen müssen die Versorgungsdichte und die Versorgungsqualität sichergestellt sein. Die Bundeskompetenz für die Spitäler muss genau dort enden, wo nur durch die Kenntnis der regionalen Erfordernisse – nämlich im Land – die richtigen Entscheidungen getroffen werden können. Ich glaube auch, dass es eine klare, verbindliche Definition des Grundversorgungsauftrages der Krankenhäuser geben muss, und dieser darf nicht nur für den städtischen Bereich gelten. Auch für den ländlichen Bereich muss die Versorgung sichergestellt sein. Dabei spielt die Erreichbarkeit der Spitäler eine ganz zentrale Rolle. Und es muss auch klar sein, dass – unabhängig von der Zahl der Behandlungen – gewisse Routinebehandlungen und Routineeingriffe auch weiterhin in allen Krankenhäusern möglich sind.

Es geht hier nicht nur um Machtspiele. Es geht um Strukturen, und zwar um funktionierende Strukturen auf dem Spitalssektor, die auch in Zukunft gewährleisten, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung gesichert ist. Es wird Zeit, dass endlich Reformen angegangen werden, die diesen Namen auch verdienen.

Harald Mayer
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2010