Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Die Ausbildungskatastrophe

10.11.2010 | Standpunkt

Die Ausbildungs-Katastrophe

(c) Noll

Studenten, die auf die Straße gehen, um gegen die Studienbedingungen zu protestieren, sind nun auch in Österreich nicht wirklich etwas Ungewöhnliches. Wirklich neu ist dieses Mal, dass es erstmals zu einem Schulterschluss zwischen Professoren, Mittelbau und Studentenvertretern gegen die Unterfinanzierung der medizinischen Universitäten gekommen ist.

Faktum ist, dass die Universitätskliniken die Hauptlast der Ausbildung unserer jungen Kolleginnen und Kollegen tragen. Die Effizienz ihrer Ausbildung – sowohl während des Studiums als auch danach im Turnus oder in der Facharztausbildung – entscheidet über die künftige Qualität der medizinischen Versorgung in Österreich. Was sich derzeit bereits in der Anästhesie, Inneren Medizin und Chirurgie abzeichnet – nämlich akuter Mangel an Fachärzten – wird über kurz oder lang für viele, wenn nicht sogar für alle Fächer gelten. Noch dazu verschiebt sich die Alterspyramide bei Ärzten immer weiter nach oben. Die Geburten-starken Jahrgänge gehen in den nächsten Jahren in Pension; die ärztliche Versorgung insgesamt wird schon allein deswegen zu einem wirklichen Problem werden.

Wenn die Universitäten nicht mehr in der Lage sind, genügend Ärztinnen und Ärzte auszubilden, droht in zehn bis 20 Jahren ein eklatanter Ärztemangel in Österreich. Derzeit ist bereits ein Viertel aller österreichischen Fachärzte über 55 Jahre. Das heißt: In den nächsten zehn Jahren werden unzählige Facharztstellen und auch führende Positionen vakant. Das Negativ-Beispiel Deutschland sei einmal mehr erwähnt: Mängel in der Ausbildung, schlechte Arbeitsbedingungen und v.a.m. haben dazu geführt, dass ganze Landstriche in Deutschland – speziell in den neuen Bundesländern – ohne adäquate ärztliche Versorgung sind. Diese Entwicklung zeichnet sich partiell auch für Österreich ab.

Ich unterstütze daher vollinhaltlich die Forderungen der Vertreter der drei Medizinischen Universitäten: Sie benötigen mehr Geld für die Forschung, mehr Geld für die Patientenbetreuung und vor allem mehr Geld für die ärztliche Ausbildung. Ansonsten werden Jungärzte abwandern, Facharztstellen nicht mehr nachbesetzt werden können, der Forschungsstandort Österreich noch weiter an Attraktivität verlieren. Auch im Alltag werden sich sehr rasch die Folgen zeigen: Bald wird sich die Frage stellen, welche Erkrankungen in Österreich nicht mehr behandelt werden können, weil etwa ärztliche Fertigkeiten nicht mehr erlernt werden können.

Ja, ich bin auch für die Wiedereinführung von Studiengebühren und dass Studierende auch einen finanziellen Beitrag leisten, weil ich davon überzeugt bin, dass nur auf diesem Weg mehr Effizienz erzielt werden kann. Trotz oder gerade vielleicht wegen der Studiengebühren sind die Elite-Universitäten in allen Staaten der Erde überlaufen. Weil es dort eine Garantie gibt: nämlich jene auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung.

Wer heute bei der Ausbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen spart, ist verantwortlich für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen von morgen.


Walter Dorner

Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 21 / 10.11.2010