Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Ausgebrannt

10.09.2010 | Standpunkt

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Die immer stärkere mediale Präsenz des Themas Burnout hat nicht unwesentlich zur Enttabuisierung beigetragen. Wobei man ganz grundsätzlich festhalten muss, dass hier zwischen dem streng wissenschaftlich definierten Begriff und dem allgemein gesellschaftlich verwendeten Begriff eine klare Unterscheidung getroffen werden muss.

Christine Maslach, Expertin auf dem Gebiet der Burnout-Forschung, hat folgende Definition selbst geprägt: ‚Es ist ein Leiden, das sich schrittweise und ständig ausbreitet und Menschen in eine Abwärtsspirale zieht, aus der das Entkommen schwer ist.’ Burnout ist also nicht etwas, was von heute auf morgen erfolgt, es ist ein stufenweise voranschreitender Prozess.

Die Schlagzeilen in den diversen Medien liefern – sofern man ihnen Glauben schenken will – horrende Zahlen. Betroffen von Burnout sind Menschen quer durch alle Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen. Demnach soll bereits jeder zweite Arzt Burnout gefährdet sein; bis zu einem Fünftel zeigt entsprechende Symptome. In kürzlich erfolgten Umfragen meinte bis zu einem Drittel der befragten Ärztinnen und Ärzte, den Beruf rückblickend nicht mehr ergreifen zu wollen. Denn abgesehen vom persönlichen Schicksal jedes Einzelnen sind die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch einen längeren Krankheits-bedingten Arbeitsausfall entstehen, enorm. Für die Schweiz gibt es aktuelle Zahlen: Durch fehlendes Personal im Gesundheitswesen wegen Burnout entstehen jedes Jahr Kosten von 2,7 Milliarden Euro.

Überraschend dabei ist, dass Burnout offensichtlich nur in bestimmten Regionen der Welt vorzukommen scheint; in Kalifornien etwa und anderen Regionen Nordamerikas, in den Niederlanden, Deutschland, den skandinavischen Ländern, Australien, Großbritannen und Japan kommt es besonders häufig vor. Andererseits gibt es jedoch auch große Regionen, in denen Burnout nicht wirklich zu existieren scheint.

Gefährdet sind immer die Besten. Ausbrennen kann nur, wer für eine Sache – im wahrsten Sinn des Wortes – gebrannt hat. Allgemein zählen als Prädiktoren für die Entwicklung eines Burnout hohe Anforderungen im Beruf, geringe Unterstützung von Vorgesetzten, Personalkürzungen, wenig Entscheidungsmöglichkeiten und auch hoher Arbeitsdruck. Bei den Ärztinnen und Ärzten sind es speziell jene mit hoher Einsatzbereitschaft, hoher Kompetenz und ausgeprägter Empathie, die sich darüber hinaus auch noch besonders für den Patienten einsetzen. Zuviel Arbeit allein löst in der Regel noch kein Burnout aus. Meist ist es eine Summe von Faktoren, die dann letztlich ein Zuviel bedeutet und krank macht.

Obwohl die Prävalenzstudien für diesen Bereich zahlenmäßig zweifelsohne überwiegen, existieren doch einige fundierte Ansätze und Konzepte der Prävention von Burnout und der Gesundheitsförderung insgesamt. Konkret für den ärztlichen Bereich möchte ich das Burnout-Projekt auf Intensivstationen namentlich erwähnen. Bei diesem von der Ärztekammer Wien unterstützten, in ganz Wien durchgeführten Projekt konnte die Effektivität dieses Ansatzes jedenfalls eindrucksvoll belegt werden. Dies zeigte sich in einer messbaren Abnahme der Burnout-Gefährdung, in der Verbesserung der Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten mit den Pflegekräften sowie in einer Verbesserung der Effizienz und des Führungsverhaltens insgesamt.

Rüdiger Safranski, der diesjährige Preisträger des von der Ärztekammer Wien verliehenen Watzlawick-Rings, hat uns mit der von ihm postulierten „Entschleunigung“ einen vermutlich entscheidenden, weiteren Ansatz vor Augen geführt.


Walter Dorner

Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2010