Steuerliche News: Änderung des Finanzstrafsystems

15.08.2010 | Service

Das Finanzstrafsystem soll durch zwei Novellen deutlich verändert und vor allem massiv verschärft werden. Über den Entwurf einer Finanzstrafrechtsnovelle sowie eines Betrugsbekämpfungsgesetzes informiert der folgende Beitrag.
Von Artur Wechselberger und Herbert Emberger*

Die Veränderung und vor allem massive Verschärfung des Finanzstrafsystems soll u.a. durch folgende vorgeschlagene Schwerpunkte erfolgen:

  • Bei Abgabenhinterziehungen über 100.000 Euro sollen künftig zwingend Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren plus Geldstrafen bis zwei Millionen Euro verhängt werden können. Bei knapp über 100.000 Euro liegenden Verkürzungsbeträgen wäre der Strafrahmen fast das Zehnfache gegenüber dem derzeitigen, das ist das zweifache des Verkürzungsbetrags. Der zwingenden Kombination aus Freiheitsstrafe und Geldstrafe steht das derzeitige System der primären Geldstrafe und der zusätzlichen Verhängung einer Freiheitsstrafe nur im Ausnahmefall gegenüber. An dieser deutlichen Strafverschärfung ändert auch nichts, dass künftig die Freiheitsstrafe im Ausnahmefall durch eine zweite Geldstrafe ersetzt werden kann.
  • Neu geschaffen werden soll der Tatbestand des Abgabenbetrugs, der ebenso wie die gewerbsmäßige Abgabenhinterziehung bei mehr als 500.000 Euro ein Verbrechen im Sinne des § 17 Abs 1 Strafgesetzbuch ist. Diese strafrechtliche Qualifikation sogar der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung hätte weitreichende strafprozessuale Folgen. Der Abgabenbetrug soll mit Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren und zusätzlich mit Geldstrafen bis zwei Millionen Euro bestraft werden; ein Strafrahmen, der somit weit über denjenigen des schweren Betrugs laut Strafgesetzbuch, das nur Freiheitsstrafen vorsieht, hinausgeht. Die Tatbestandsmerkmale für den Abgabenbetrug sollen sein: falsche Urkunden, Täuschung über die Zurechnung von Einkünften, Scheingeschäfte.
  • Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige soll an schärfere Bedingungen gebunden werden. So ist die geschuldete Steuer innerhalb eines Monats zu entrichten, die steuerlichen Daten sind schon in der Selbstanzeige anzugeben.
  • Die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben soll von sieben auf zehn Jahre verlängert werden, um den Steuerbetrug besser verfolgen zu können. Dazu müssten wohl auch die bestehenden sieben Jahre reichen!
  • Strafverfahren bei Abgabenverkürzungen bis 10.000 Euro, die bei Betriebsprüfungen und Nachschauen entdeckt werden, können vermieden werden, wenn der Abgabenbetrag plus zehn Prozent Zuschlag in einem Monat entrichtet und ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird.
  • Den Finanzstrafbehörden werden weitestgehende Rechte, so bei der Identifizierung von Verdächtigen und sogar von Zeugen, zum Beispiel durch das Recht der Stimmaufnahme und der Papillarlinienabdrücke, eingeräumt. Dazu gehört die ausdrückliche Einführung einer Finanzpolizei mit weitreichenden sicherheitspolizeilichen Kompetenzen.
  • Die schon bestehende Meldeverpflichtung für gewisse Zahlungen, so zum Beispiel an Funktionäre öffentlichrechtlicher Körperschaften – also auch der Ärztekammern – soll ergänzt werden um eine Einkommensteuerabzugsverpflichtung in Höhe von 20 Prozent. Was das mit der Betrugsbekämpfung zu tun haben soll, ist unerfindlich und ist schon wegen der Tatsache, dass ohnedies eine Meldeverpflichtung besteht und die Funktionäre in der Regel veranlagt werden, abzulehnen.

Alles in allem soll also eine sehr weitgehende Verschärfung des Finanzstrafrechts und somit der Verfolgung der Steuerhinterziehung umgesetzt werden. Im Hintergrund steht natürlich neben der Bekämpfung des nationalen und internationalen Steuerbetrugs vor allem die Optimierung des Steueraufkommens. Die Österreichische Ärztekammer hat bei allem Verständnis für diese Ziele Bedenken gegen die zum Teil exzessive Verschärfung der Strafbestimmungen erhoben; so zum Beispiel gegen die Anhebung des möglichen Strafrahmens bei Hinterziehungen knapp über 100.000 Euro auf bis das 20-fache des Hinterziehungsbetrages, ebenso gegen die Kombination der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bei Abgabenhinterziehungen über 100.000 Euro, sowie gegen die Kombination der Freiheitsstrafe mit Geldstrafe beim Steuerbetrug, was wie gesagt diesen schärfer bestraft als den schweren Betrug nach § 147 Abs 3 Strafgesetzbuch. Beim Steuerbetrug sind jedenfalls die Tatbestandsmerkmale (falsche Urkunden, Täuschung über die Zurechnung von Einkünften, Scheingeschäfte) zu reduzieren beziehungsweise einschränkend und exakt zu definieren, damit die Gefahr der Subsumierung weniger schwerwiegender Abgabenhinterziehungen in den Abgabenbetrug vermieden wird.

Zu bezweifeln ist jedenfalls die Erreichung der Ziele, wie die Erhöhung der Treffsicherheit und Effektivität, die Stärkung der Rechtssicherheit, die Reduzierung der Verwaltungsaufwendungen und die Stärkung der präventiven Wirkung. Die Österreichische Ärztekammer ist der Auffassung, dass eine Effektuierung des Abgabenverfahrens zu einer deutlicheren Abgabensteigerung führt als die massiven Verschärfungen des Finanzstrafrechts.

Beide Entwürfe werden in Fachkreisen heftig diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob und wie weit ‑ was aus der Sicht der Österreichischen Ärztekammer unbedingt geboten erscheint ‑ die deutlichen Bedenken, die im Begutachtungsverfahren formuliert sein werden, Berücksichtigung finden.

Abgabenänderungsgesetz 2010

Im BGBl I 34/2010 ist es zu Änderungen des Einkommensteuer-, Körperschaftssteue, Umgründungssteuer- und auch des Umsatzsteuergesetzes gekommen: Umsatzsteuerlich brauchen ab 1.1.2011 die Voranmeldungen bei Gesamtvorjahresumsätzen (das sind steuerpflichtige und steuerfreie) bis 100.000 Euro nur mehr vierteljährlich abgegeben werden (derzeit gilt dies nur bei Umsätzen bis 30.000 Euro); im Gegenzug besteht allerdings die Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen bereits bei Vorjahresumsätzen über 30.000 Euro (bisher erst über 100.000 Euro).

Von der Abgabe einer Jahresumsatzsteuererklärung sind ab dem Kalenderjahr 2011 alle unecht befreiten Kleinunternehmer, also solche, deren Umsätze 30.000 Euro jährlich nicht übersteigen, befreit (derzeit besteht die Befreiung nur bei Jahresumsätzen bis 7.500 Euro).

Interessant, aber leider wegen der engen Voraussetzungen für die Allgemeinheit der Steuerpflichtigen nicht anwendbar, ist die Einführung der Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Erstellung von Auskunftsbescheiden: Über schriftlichen Antrag der Betroffenen hat die Finanzverwaltung bescheidmäßige Auskünfte zu steuerlichen Rechtsfragen, leider eingeschränkt auf Umgründungen, Unternehmensgruppen und Verrechungspreise zu erteilen. Die Sache ist relativ teuer, die „Preise“ bewegen sich zwischen 2.500 und 20.000 Euro pro Auskunftsbescheid. Damit wird zwar das langjährige Anliegen der Österreichischen Ärztekammer nach Einführung einer Auskunftspflicht der Finanzverwaltung gegenüber den Steuerpflichtigen nicht annähernd umgesetzt, immerhin ergibt sich aber ein erster kleiner Schritt in diese Richtung.

*) Präs. Dr. Artur Wechselberger ist Leiter des Referats der Österreichischen
Ärztekammer für Steuerangelegenheiten;
HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2010