Steuer: Aktuelle Judikatur

15.12.2010 | Service


1. Ärztliche Fortbildung für Sportmediziner – teilweise Betriebsausgaben (BFH 21.4.2010, IV R 66/04)

In Fortsetzung seiner geänderten Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass Aufwendungen eines Arztes für die Teilnahme an einem Fortbildungskurs, der mit einer gewissen Stundenzahl für die Erlangung der Zusatzbezeichnung Sportmediziner angerechnet werden kann, zumindest teilweise als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Dies auch dann, wenn der Lehrgang in nicht unerheblichem Umfang Gelegenheit zur Ausübung von Sportarten zulässt.

Anmerkung:
Diese Entscheidung entspricht dem Inhalt nach einer ähnlichen Entscheidung des UFS vom 7.9.2009, RV/1130-L/07, in der ebenfalls eine anteilige Anrechnung jener Sportausübungszeiten, die für die Erlangung des Sportärztediploms notwendig sind, als Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten anerkannt wurde.

2. Einheitswerte als Basis für die Grundsteuerberechnung – keine Verfassungswidrigkeit (VfGH vom 6.10.2010, B 298/10)

Die Berechnung der Grundsteuer nach den Einheitswerten ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Berechnung findet zwar auf Basis der veralteten Einheitswerte statt, die Berechnung betrifft aber ausschließlich das Grundvermögen, Unterschiede in der Besteuerung ergeben sich deshalb nicht. Die Anknüpfung an die historischen Einheitswerte führt zu einer Entlastung im Vergleich zu einer Besteuerung anhand aktueller Werte, eine unterschiedliche Wertentwicklung bei den Grundstücken führt aber nur dazu, dass die Entlastung nicht gleichmäßig erfolgt. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da die steuerlichen Konsequenzen relativ geringfügig sind.

3. Mischreisen – strenges Aufteilungsverbot (VwGH 28.10.2009, 2005/15/0062)

Der VwGH bestätigt wiederum die bisherige Rechtsprechung, dass Kosten von Reisen steuerlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur zu berücksichtigen sind, wenn die Reisen ausschließlich beruflich, d.h. durch den Betrieb veranlasst sind und die Möglichkeit eines privaten Reisezwecks nahezu auszuschließen ist. Bei gemischten Aufwendungen besteht ein Aufteilungsverbot. Dabei ist ein strenger Maßstab an den praktisch auschließlichen beruflichen Anlass anzulegen.

Anmerkung:
Der Verwaltungsgerichtshof bleibt bislang bei dieser strengen Auslegung. Es bleibt abzuwarten, ob im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH beziehungsweise teilweise der österreichischen UFS der Verwaltungsgerichtshof in den anhängigen Verfahren eine Änderung seiner Haltung vornimmt.

4. Kein ermäßigter Einkommensteuersatz bei Entnahme des Betriebsgebäudes bei Schenkung des Betriebs an den Sohn (VwGH 28.10.2009, 2007/15/0114)

Bei außerordentlichen Einkünften, das sind Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn der Betrieb deswegen veräußert oder aufgegeben wird, weil der Steuerpflichtige u.a. das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt, ermäßigt sich der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes. Konkret wurde der Betrieb an den Sohn unentgeltlich übertragen und das Betriebsgebäude in das Privatvermögen übernommen. Der begünstigte Steuersatz für das entnommene Betriebsgebäude steht deshalb nicht zu, weil eben die Voraussetzung dafür die Veräußerung oder die gänzliche Betriebsaufgabe ist, im konkreten Fall aber eine unentgeltliche Betriebsübertragung an den Sohn mit Fortführung vorliegt und nur das ehemalige Betriebsgebäude privatisiert wurde.

5. Angemessenheit des Entgelts der angestellten Ehegattin (VwGH vom 16.12.2009, 2008/15/055)

Die Arbeitszeit der Ehegattin wurde von 40 auf 22,5 Wochenstunden und adäquat ebenfalls das Gehalt im selben Verhältnis reduziert, zugleich wurde aber eine Pensionszusage in nicht unbeträchtlicher Höhe geltend gemacht und die daraus resultierenden Prämien als Betriebsausgaben abgesetzt. Diese Absetzbarkeit wurde verneint, und zwar nicht wegen fehlender Fremdüblichkeit der Pensionszusagen, sondern von vornherein deshalb, weil die Gesamtentlohnung der Ehegattin als nicht fremdüblich angesehen wurde und somit auch der Teil, der die Prämienzahlungen als Betriebsausgabe betrifft, ebenfalls nicht anzuerkennen war.


6. Zweitordination im Einfamilienhaus – Aufwendungen waren im konkreten Fall keine Betriebsausgaben (VwGH vom 2.2.2010, 2005/15/0165)

Werden Grundstücke oder Gebäude gemischt genutzt, d.h. Teile betrieblich, andere Teile nicht betrieblich, dann ist das Gebäude in einen betrieblichen und einen privaten Teil aufzuteilen. Maßgeblich für die Aufteilung ist dabei jeweils die konkrete Nutzung oder Benutzung der Räumlichkeiten in jenem Jahr, um dessen Steuerbemessung es konkret geht. Räumlichkeiten, die aufgrund ihrer Ausstattung für die Betriebs- oder Berufsausübung typisch sind und eine Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung üblicherweise nicht gestatten, wie zum Beispiel Ordinationsräume, fallen grundsätzlich nicht unter den Begriff des Arbeitszimmers, dessen Kosten, wenn es im Wohnungsverband liegt, nur dann abzugsfähig sind, wenn es Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet. Im Konkreten handelt es sich um im Wohnungsverband gelegene Räumlichkeiten, die über keinen eigenen Patienteneingang verfügen und daher nur über die Privaträumlichkeiten betreten werden können. Die Räumlichkeiten unterscheiden sich im Jahre der betreffenden Steuerveranlagung nicht von Privaten allenfalls zu Bürozwecken dienenden Räumlichkeiten. Für die Arztpraxis typische Gerätschaften waren in diesem Jahr nicht vorhanden. Die nachträglich, und zwar innerhalb der Behaltefrist des Investitionsfreibetrags, gesetzten Maßnahmen zur Umgestaltung der fraglichen Räume, wie die Anschaffung einer Untersuchungsliege und eines Ordinationsschildes, waren für den Zeitpunkt beziehungsweise das konkret betreffende Jahr, in dem diese Maßnahmen noch nicht umgesetzt waren, nicht entscheidend. Auch nicht für die angeblich in diesem Zeitpunkt bereits bestandene Absicht des Beschwerdeführers, die Räume tatsächlich als Zweitordination zu benutzen. Die namhaft gemachten Patienten, die angeblich in der Zweitordination untersucht oder behandelt worden wären, haben diese Feststellung nicht bestätigt. Lediglich ein Patient habe erklärt, dass er den Arzt in dessen Zweitordination im betreffenden Jahr aufgesucht habe, vier weitere erst in den zwei Jahren nach diesem Jahr. Die Aufwendungen waren daher keine Betriebsausgaben.

Anmerkung:
Selbstverständlich sind Aufwendungen für konkret als solche ausgestatteten und verwendeten Zweitordinationen auch im Privathaus Betriebsausgaben!

7. Ärztliche Privatpraxis als Liebhaberei (VwGH 23.2.2010, 2006/15/0314)

Ein angestellter Arzt betrieb seit 1996 eine Privatpraxis, aus der sich laufend nur Verluste ergeben haben. In den Streitjahren 2002 bis 2004 hat die Finanzverwaltung die Frage der Liebhaberei aufgegriffen und eine solche mit steuerneutraler Wirkung unterstellt, d.h. Verlustausgleiche mit den Aktiveinkünften als angestellter Arzt abgelehnt.

Grundsätzlich ist eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs 1 der Liebhabereiverordnung 1993 zu unterstellen, d.h. die Absicht, einen Gesamtgewinn zu erzielen, ist für die Qualifizierung als steuerlich relevante Einkunftsquelle zunächst zu vermuten. Nach Ablauf des Anlaufzeitraums gemäß § 2 Abs 2 Liebhabereiverordnung kann diese Vermutung allerdings anhand objektiver Kriterien widerlegt werden. Dabei kommt den Kriterien der Bemühungen zur Verbesserung des Ertrags durch strukturverbessernde Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Wenn sich dann objektiv nach mehreren Jahren herausstellt, dass die Tätigkeit niemals Erfolg bringend sein kann, kann sie zumindest bis zum Zeitpunkt dieser Feststellung als Einkunftsquelle angesehen werden. Erst ab dann, wenn die Tätigkeit nicht eingestellt wird, ist sie als Liebhaberei zu qualifizieren. Im Konkreten hat der Beschwerdeführer keine Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage gesetzt und hat die laufenden Verluste aufgrund seines persönlichen Interesses für die Homöopathie in Kauf genommen. Das bestätigt der Beschwerdeführer auch selbst, indem er ausführt, dass Verbesserungsmaßnahmen nicht ergriffen worden sind, weil eine weitere Reduzierung der Fixkosten unmöglich war und die Höhe der Praxiseinnahmen von ihm nicht mehr habe beeinflusst werden können. Er habe sein Leistungsangebot auch in den letzten Jahren und im Prüfungszeitraum nicht verändert.

8. Praxisordinationsgebäude inklusive Hausapotheke – Vorsteuerabzug (VwGH vom 23.2.2010, 2007/15/0289)

Ein Arzt für Allgemeinmedizin hat für das neu errichtete Praxisgebäude inklusive Hausapotheke den Vorsteuerabzug, der nur für den Bereich der umsatzsteuerpflichtigen Hausapothekenumsätze zugelassen ist, im Umsatzverhältnis ermittelt; d.h. im Verhältnis der Umsätze aus der ärztlichen Praxis und aus der Hausapotheke. Das Finanzamt hatte die reine Hausapothekenfläche und Anteile der gemeinsam genutzten Flächen dem Vorsteuerabzug zugrunde gelegt und dabei das Argument des Arztes verworfen, dass die Gesamtleistung eines Arztes einheitlich sei, d.h. letztlich begonnen mit der Anamnese über die Diagnose und Therapie, die Medikamentenverschreibung und Abgabe als Teil der Therapie zu gelten hat und somit eine Aufteilung nach dem Umsatzverhältnis wirtschaftlich angemessen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung des Finanzamts bestätigt.


9. Anerkennung eines Ehegatten-Dienstverhältnisses (VwGH 22.3.2010, 2008/15/0099)

Für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist es notwendig, dass diese nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und unter Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (Fremdvergleich). Überdies muss die Entlohnung für die gesamte Tätigkeit angemessen sein. Auch eine Unterbezahlung führt dazu, dass das Dienstverhältnis dem erforderlichen Fremdvergleich nicht standhält und nicht anzuerkennen ist. Die Feststellung, dass Arbeitsleistungen in einem gewissen Umfang erbracht werden, rechtfertigt die Annahme eines Dienstvertrages ebenso wenig, wie der Umstand, dass die Ehefrau hiefür auch regelmäßige Zahlungen erhalten haben soll. Entsprechend dem angeblich mündlichen Vertrag fehlt es also an einem eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt. Das Dienstverhältnis wurde nicht anerkannt.

10. Schriftliche Vereinbarungen mit dem Finanzamt über eine Abgabenschuld – rechtlich unwirksam (VwGH vom 29.4.2010, 2009/15/0030)

Im konkreten Fall wurde mit dem Finanzamt nach einer Betriebsprüfung im Endeffekt eine schriftliche Vereinbarung über die Zahlung einer entsprechenden Steuersumme geschlossen. In Folge hat das Finanzamt aber diese Vereinbarung insofern nicht eingehalten, als höhere Steuern vorgeschrieben worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese schriftliche Vereinbarung über die Reduktion einer Abgabenschuld als rechtlich irrelevant bezeichnet und die nachträgliche Bescheid mäßige Vorschreibung durch das Finanzamt als entsprechend definiert. Die Vereinbarung ist kein Bescheid über die Löschung einer Steuerschuld, eine Vereinbarung über den Inhalt der Abgabenschuld ist ohne jede abgabenrechtliche Bedeutung und stünde im Widerspruch zum verfassungsmäßigen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, so er rechtswirksam sein soll, setzt eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung dafür voraus, die im vorliegenden Falle fehlt.

Anmerkung:
Auf schriftliche Vereinbarungen mit dem Finanzamt kann man sich also – wie nur wenig überraschend vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt wurde – letztendlich auch nicht mehr verlassen!

*) HR Dr. Herbert Emberger ist Steuerkonsulent der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2010