Wirtschaftsfaktor Medizin: Bringt mehr als er kostet

10.02.2010 | Politik


Bringt mehr als er kostet

Das Gesundheitswesen in Österreich erzielte im Jahr 2006 einen Wertschöpfungseffekt in der Höhe von 22,5 Milliarden Euro; im Spitalsbereich liegt der Wertschöpfungseffekt bei 11,2 Milliarden Euro. Diese Zahlen präsentierten Experten anhand zweier unabhängig voneinander erstellten Studien, die beim 2. Linzer Gesundheitspolitischen Gespräch Ende Jänner präsentiert wurden. Von Anton Sinabell*

Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) präsentierte erstmals die von der Österreichischen Ärztekammer in Auftrag gegebene Studie zum „Wertschöpfungseffekt des österreichischen Gesundheitswesens“, die sich zum Ziel gesetzt hat, diesen Effekt des gesamten österreichischen Gesundheitswesens zu quantifizieren und vor allem auch auf die wirtschaftlichen Verflechtungen – sowohl der der einzelnen Wirtschaftszweige untereinander als auch mit dem Ausland – einzugehen. Die Abgrenzung des Gesundheitswesens erfolgt hierbei nach dem international gängigen „System of Health Accounts“ (SHA); die Bereiche, die man sich dabei angesehen hat, inkludieren die laufenden Ausgaben, die Investitionen sowie die Exporte. Im Kontext von ökonomischen Kreislaufprozessen unterscheidet man hierbei zwischen dem direkten, indirekten und induzierten Bereich:

  • Direkter Bereich: unmittelbare medizinische Leistungserbringung wie zum Beispiel eine Operation;
  • Indirekter Bereich: Vorleistungen wie beispielsweise OP-Infrastruktur, Verbrauchsmaterialien;
  • Induzierter Bereich: Ausgaben der Beschäftigten in den ersten beiden Bereichen, die sich in andere Wirtschaftszweigen auswirken.

Die wirtschaftliche Bedeutung lässt sich hierbei ausdrücken in

  • Bruttoproduktionswert (Summe aller Preise von Dienstleistungen und Waren inklusive Vorleistungen);
  • Bruttowertschöpfung (Preis der Leistung abzüglich Vorleistungen);
  • Arbeitsplätze und Vollzeit-Äquivalente;
  • Sozialversicherungsbeiträge und Steuern;
  • Inlands-Konsum.

Die Ergebnisse der Studie sind beachtlich: Die laufenden Ausgaben des österreichischen Gesundheitswesens – darunter fallen vor allem die Kosten des laufenden Betriebs im stationären, ambulanten und niedergelassenen Bereich (Personal, Verbrauchsmaterialien, Medikamente etc.) – beliefen sich im Jahr 2006 auf etwa 25 Milliarden Euro; davon rund fünf Milliarden Euro Privatausgaben. Von diesem  Ausgabenvolumen ausgehend wurden in Österreich fast 21 Milliarden Euro an Wertschöpfung, mehr als 423.000 Vollzeitarbeitsplätze und etwa 9,6 Milliarden Euro an öffentlichen Einnahmen generiert.

Die Investitionsausgaben des österreichischen Gesundheitswesen – das sind beispielsweise Ausgaben für medizinische Geräte oder für die Einrichtung einer Praxis – betrugen im Jahr 2006 rund 1,3 Milliarden Euro; davon wurden 673 Millionen Euro aus öffentlicher und 622 Millionen Euro aus privater Hand finanziert. Diese Ausgaben bewirkten in Österreich etwa 780 Millionen Euro Wertschöpfung, etwa 12.000 Vollzeitarbeitsplätze und mehr als 550 Millionen Euro an öffentlichen Einnahmen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Exporte des österreichischen Gesundheitssektors ist schwieriger zu schätzen, weshalb die angeführten Werte lediglich eine Untergrenze darstellen. Die berücksichtigten Exporte generierten fast 830 Millionen Euro Wertschöpfung, etwa 10.500 Vollzeitarbeitsplätze und mehr als 250 Millionen Euro an öffentlichen Einnahmen.

In der Gesamtheit betrachtet löste das Gesundheitswesen in Österreich (laufende Ausgaben, Investitionsausgaben, Exporte) einen Wertschöpfungseffekt in Höhe von 22,5 Milliarden Euro aus. Dies entspricht etwa 9,7 Prozent der gesamtösterreichischen Wertschöpfung im Jahr 2006. Als Beschäftigungseffekt generiert das Gesundheitswesen pro Jahr mehr als 509.000 Arbeitsplätze. Umgerechnet in Vollzeit-Äquivalente ergeben sich somit 445.000 Vollzeit-Arbeitsplätze, was einem Anteil von 12,5 Prozent an der gesamtösterreichischen vollzeitäquivalenten Beschäftigung entspricht.

Außerdem flossen 10,4 Milliarden Euro in Form von Steuern und Abgaben an die öffentliche Hand zurück; nahezu fünf Milliarden Euro in Form von Sozialversicherungsbeiträgen, 3,7 Milliarden Euro an Bundesabgaben, der Rest an Länder und Gemeinden. In Summe betragen diese öffentlichen Abgaben etwa 9,3 Prozent der gesamten öffentlichen Einnahmen an Steuern und Sozialbeiträgen.

Aber auch die Effekte für das Ausland lassen sich durch die verwendete Methode abschätzen: Aufgrund der internationalen Wirtschaftsbeziehungen generiert das österreichische Gesundheitswesen zusätzlich zu den genannten Ergebnissen im Ausland geschätzte zehn Milliarden Euro Wertschöpfung und 128.000 Vollzeit- äquivalente Arbeitsplätze.

In einem zweiten Vortrag erläuterte Univ. Prof. Gottfried Haber von der Alpe-Adria-Universität-Klagenfurt Highlights aus einer laufenden Studie, die im Auftrag der Vinzenzgruppe erstellt wird. Unter dem Titel „Krankenhaus: Wachstumsspritze für die Wirtschaft“ widmete er sich ebenfalls auch den Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten, legte den Fokus aber auf den Spitalsbereich. Er kam dabei zu einer Wertschöpfung von 11,2 Milliarden Euro sowie zu 248.000 Jobs (das entspricht 214.000 Vollzeitäquivalenten). In den weiteren Überlegungen verglich Haber die volkswirtschaftlichen Effekte von Investitionen in diesen Bereich mit den Auswirkungen von alternativen Mittelverwendungen – aus der Sicht der öffentlichen Hand – und kam hierbei zum Schluss, dass Investitionen ins Gesundheitswesen die besten Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte im Vergleich zu anderen Investitionsalternativen aufweisen. Laut Haber generierte eine Investition von einer Million Euro im Spitalsbereich eine Wertschöpfung von mehr als einer Million Euro und fast 13 Arbeitsplätze pro Jahr.

Beide Referenten waren sich darin einig, dass das Gesundheitswesen als Beschäftigungsfaktor ein bedeutender Wirtschaftszweig ist, und das von diesem in Zukunft wichtige Impulse für das Wirtschaftswachstum ausgehen können und werden. Mit der umfassenden gesundheitsökonomischen Betrachtung aus der Perspektive der Leistungsanbieter betritt man möglicherweise Neuland, die allerdings in jedem Fall nur einen ersten Schritt darstellen können.  

> Abbildung: Input-Output-Analyse: Wertschöpfungsprozess im Gesundheitswesen

> Abbildung: Gesamteffekte des Gesundheitssektors in ÖSterreich 2006

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*) Mag. Anton Sinabell ist in der ÖÄK für die Bereiche Statistik und Volkswirtschaft zuständig

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2010