Verhandlungen mit der SVA: So ist der Vertrag nicht zu retten

10.04.2010 | Politik

Aller Voraussicht nach gibt es ab 1. Juni 2010 eine vertragsfreie Zeit zwischen Ärzten und der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA). Jetzt heißt es, die Patientinnen und Patienten darauf vorzubereiten.
Von Kurt Markaritzer

Bekanntlich musste die Bundeskurie Niedergelassene Ärzte zum 31. Dezember 2009 den Vertrag mit der SVA kündigen: Eine Einigung, die in zähen Verhandlungen erzielt worden war, wurde im letzten Augenblick von den Spitzen der SVA torpediert. In der Folge hat die SVA die Bundesschiedskommission angerufen, die am 12. März den Gesamtvertrag der Ärztekammer mit der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft um knapp drei Monate verlängert hat. Das endgültige „Aus“ wäre dann am 1. Juni.

Wenn es dazu kommt, endet natürlich nicht die medizinische Versorgung. Diese wird durch die Ärzte nach wie vor sichergestellt. Was sich grundlegend ändert, ist die Verrechnung der ärztlichen Leistung: SVA-Patienten müssen ab 1. Juni ihre Arztrechnung selbst bezahlen. Sie werden voraussichtlich weniger als 80 Prozent von der Kasse zurückerhalten und auf ihr Geld länger warten müssen. Die Regelung hat für die Sozialversicherung beachtliche Nachteile, weil sie für die Verrechnung mit den Patienten einen Riesenaufwand betreiben muss. An einer derartigen Situation sollte niemand Interesse haben. Konsequenterweise sagt Günther Wawrowsky, Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte und Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK): „Die Ärzteschaft wünscht sich eine solche Entwicklung nicht, sie scheint aber unvermeidbar, wenn es beim gegenwärtigen Stand der Dinge bleibt!“

Optimismus nicht angebracht

Die Vertragsverlängerung durch die Schiedskommission soll Zeit für neue Gespräche schaffen. Tatsächlich steht am 20. April eine Verhandlungsrunde auf dem Programm, aber Wawrowsky ist alles andere als optimistisch: „Die Verhandlungen haben schon so lange gedauert und auf der Gegenseite ist keine Bereitschaft zum Einlenken spürbar. Da stehen die Voraussetzungen für eine Einigung denkbar schlecht.“

Der Kurienobmann ist verärgert: „Die SVA ist die einzige Krankenkasse, die solche Probleme bereitet. Es ist ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet eine Versicherung der Wirtschaftstreibenden den Ärzten zumutet, die ökonomische Vernunft und die wirtschaftliche Notwendigkeit eines Ordinationsbetriebes zu ignorieren, und darauf laufen ihre Vorschläge mit niedrigen Tarifen hinaus!“ Dabei warnt der Standesvertreter die SVA davor, ihre eigene Bedeutung zu überschätzen: „Die niedergelassenen Ärzte betreuen im Jahr 3,6 Millionen Mal Patientinnen und Patienten der SVA. Nur zum Vergleich: Wir schätzen die Zahl der Patientenkontakte im niedergelassenen Bereich auf jährlich 96 bis 100 Millionen! Die SVA war also bisher für uns ein geachteter Partner – der wichtigste aber war sie nie!“

Für den Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte in Wien, Johannes Steinhart, ist klar, wen die Schuld an der Misere trifft: „Wenn es zu keiner Lösung kommt, hat die SVA die Verantwortung dafür. Die niedergelassenen Ärzte haben ihr gegenüber vier Jahre lang auf Honorarerhöhungen verzichtet, weitere Nullrunden waren nicht mehr akzeptabel. Wir waren bereit, der Sozialversicherung sehr weit entgegen zu kommen – sie haben das aber nicht gewürdigt.“ Diese Haltung der SVA löst bei den Ärzten zunehmenden Unmut aus, sagt Steinhart. Die Stimmung ist eindeutig: „Wir können uns nicht ewig herunter lizitieren lassen. Man muss der SVA vor Augen führen, dass es so nicht geht.“

Breite ärztliche Zustimmung

Sein niederösterreichischer Kollege Johann Jäger berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Ich habe selten so viel Zustimmung zu unserer Vorgangsweise erlebt wie in der jetzigen Situation. Die Kollegen tragen das voll mit, weil die Empörung über die SVA sehr groß ist!“ Die Unnachgiebigkeit der SVA werden die niederösterreichischen Ärzte ihren Patienten deutlich machen, kündigt Jäger an: „Man wird ihnen auch die Frage stellen, ob sie mit einer Reduzierung der Leistung einverstanden wären. Das wäre nämlich die praktische Folge davon, dass die Tarife der SVA auf das Niveau der Gebietskrankenkassen zurückfallen. Und man wird diskutieren müssen, ob man unter diesen Umständen überhaupt eine eigene Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft braucht.“ Das betont auch Wawrowsky: „Wenn die SVA die Gesundheitsleistungen zum Niedrigtarif haben will, dann muss sie sich auch im eigenen Bereich anpassen, dann braucht sie nicht so einen großen Apparat. Jetzt betreibt sie einen enormen Aufwand, dabei könnte sie ohne weiteres ein Teil der Gebietskrankenkassen werden. Für die Versicherten macht das praktisch keinen Unterschied, nur die Selbstbehalte fielen weg – und das dürfte den Gewerbetreibenden durchaus Recht sein!“

In der Steiermark denken die Ärzte ähnlich, sagt der steirische Kurienobmann Jörg Garzarolli-Thurnlackh: „Alles für alle zu wollen, aber dafür kein Geld zur Verfügung zu stellen – das kann nicht funktionieren. Das muss und wird man natürlich auch unseren Patienten sagen.“ Dabei erwartet der Funktionär weitgehende Einsicht: „Die Patienten kommen ja selbst aus der Wirtschaft, die haben Verständnis dafür, dass man in einer Ordination auch betriebswirtschaftliche Prinzipien einhalten muss. Und sie sagen ja selbst immer wieder, dass Leistung etwas kostet, das werden sie auch uns Ärzten zugestehen.“

Patienten informieren!

Schon im Vorfeld einer möglichen vertragsfreien Zeit ab kommenden Juni ist die Information der Patienten und Patientinnen besonders wichtig. Die Österreichische Ärztekammer bittet alle Ärztinnen und Ärzte, mit den SVA-Versicherten über die Gründe des eventuellen Scheiterns der Bemühungen und über die sich daraus ergebende Situation zu sprechen. Die Ärzte bekommen für die Gespräche mit den Patienten ausreichend Argumentationshilfen. Wartezimmerplakate und mehrere Informationsfolder für SVA-Versicherte werden nach Ostern in die Ordinationen zugestellt. Auf der Internetseite http://www.sva-vertragsfreie- zeit.at stehen weitere Materialien zur Verfügung, die man problemlos herunterladen kann. Auch wird die Seite laufend aktualisiert und bietet allen Ärztinnen und Ärzten die neuesten Informationen. 

Wichtige Informationen

  • Nach Ostern erhalten die Ärztinnen und Ärzte ein weiteres Infopaket bestehend aus:
    – Wartezimmer-Plakat
    – Patienten-Folder
  • Die ÖÄK appelliert:
    – Bitte Patienten/innen informieren!
    – Plakat aufhängen!
    – Folder an SVA-Versicherte verteilen

 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2010