VAEB: Freiwilligkeit als Erfolgsrezept?

25.02.2010 | Politik

Das am 1. Jänner 2009 gestartete und auf ein Jahr anberaumte Pilotprojekt der VAEB, bei dem Patienten angeregt werden sollten, wann immer möglich bei ihrer medikamentösen Therapie auf Generika anstatt auf Originalpräparate zu vertrauen, hat gegriffen. Die VAEB erwartet für das Jahr 2009 Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben von insgesamt mehr als zwei Millionen Euro. Von Ruth Mayrhofer   

Mit diesem Pilotprojekt wollte die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) den Generika-Anteil der Verordnungen ihrer Versicherten von 43 auf 50 bis 55 Prozent anheben und damit Einsparungen von bis zu 1,5 Millionen Euro bei einem Projekt-Budget von 500.000 Euro erreichen. Den Versicherten schmackhaft gemacht werden sollte dies mit einem Rückvergütungsmodell (ein Euro pro Generika-Verordnung), bei dem sie sich freiwillig nach entsprechender Beratung ihres Arztes pro oder contra Generikum entscheiden konnten. Insgesamt wurden bei diesem Projekt fünf Arzneimittelgruppen mit einbezogen.

Noch gibt es kein „hartes“ Ergebnis für das gesamte Jahr 2009, jedoch zeigen bereits die Zahlen von Jänner bis inklusive Juni des Vorjahres, dass bei den VAEBVersicherten dieses Anreizmodell bei der Verordnung von Arzneimitteln großen Anklang gefunden hat.

Halbzeit-Ergebnisse sehenswert

Bereits zur „Halbzeit“, also Ende Juni 2009, anlässlich der ersten Projekt-Evaluierung, war klar: Insgesamt wurden für die VAEB-Versicherten exakt 688.660 Verordnungen ausgestellt. Immerhin 499.565 davon fielen in die Projektvorgaben. Das führte unter anderem neben einer gegenüber dem Vorjahr geringeren Anzahl der Verordnungen zu einer Einsparung seitens der VAEB von mehr als einer Million Euro innerhalb von sechs Monaten. Dementsprechend wurden in diesem Zeitraum auch 499.565 Euro (ein Euro pro Medikamentenpackung) an exakt 72.413 Versicherte verteilt. Auch die zusätzlichen administrativen Kosten (zum Beispiel Überweisungen der Refundierungsbeträge an die Versicherten) hielten sich laut VAEB in zu vernachlässigenden Grenzen. Diese Zwischenbilanz freut VAEB-Obmann Gottfried Winkler sichtlich: „Ja, wir betrachten dies als Erfolg. Das Budget musste nicht ausgenützt werden, insgesamt hat sich die Aktion gerechnet“. Anhand der Halbjahresergebnisse lässt sich auch festmachen, dass insbesondere bei Antihypertensiva und PPIs eingespart werden konnte. Der VAEB-Chef hebt in diesem Zusammenhang auch die „ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft und der Österreichischen Ärztekammer“ hervor, die maßgeblich zum Projekterfolg beigetragen hätte.

Was das Gesamtergebnis 2009 des „Pilotversuches Generika“ betrifft, will sich Winkler noch nicht festlegen, da diese Abrechnung erst Ende Februar 2010 vorliegen wird. Er erwartet jedoch eine Steigerung des Generika-Anteils auf 55 bis 60 Prozent. Die Summe der Einsparungen ließe sich aufgrund der Halbjahres-Ergebnisse „nicht wirklich hochrechnen“, doch sei – wenn sich der Verordnungstrend mit Hilfe der Ärzte und der Patienten auch im zweiten Halbjahr 2009 nicht verändert hat – mit einem „über alle Maßen zufriedenstellenden“ Ergebnis zu rechnen.

Stehen nun andere Kassen bei der VAEB Schlange, um das Modell abzukupfern? „Nein“, sagt Winkler, „denn die Gebietskrankenkassen etwa haben nicht jenen Spielraum, den uns der Behandlungsbeitrag von 14 Prozent bringt“. Und: „Ich wüsste daher nicht, wie die GKKs eine solche Regelung umsetzen könnten“. Dennoch gibt es bekanntlich ein anderes Modell, das die Salzburger Gebietskrankenkasse mit ihren Systempartnern entwickelt hat, welches in Richtung Kostendämpfungspotenzial und Verordnungssicherheit bei der Arzneimittel-Verordnung abzielt. Dieses Projekt sorgte zumindest in seiner Anfangsphase für Unmut und mediale „Wellen“. Winkler: „Wir haben von Beginn an auf absolute Freiwilligkeit der Patienten und auf positive Anreize unter starker Einbindung der verordnenden niedergelassenen Ärzte gesetzt. Wir glauben, dass unser Zugang den Weg zu einer gesteigerten Mitverantwortung der Patienten zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Systems ebnen könnte. Das wäre eine große Chance für das Gesundheitswesen insgesamt, schon unter dem Aspekt der immer höher werdenden Lebenserwartung“.

Wer profitiert von den Einsparungen?

„Wir haben vorweg einen Großteil der Einsparungen aus dem Generika-Projekt im Bereich dieses Vertragsabschlusses mit den niedergelassenen Ärzten verwendet, um nach wie vor hohe Leistungsqualität über die Ärzte anbieten zu können und zufriedene Kunden zu haben“, meint Gottfried Winkler. Und noch ein „Zuckerl“ hat der VAEB-Obmann für die Zukunft parat: „Wir werden bei jenen Versicherten, bei denen die Rezeptgebühren- Obergrenze im Lauf des Jahres 2009 schlagend wurde, aufgrund von sozialen Bedürfnissen die Behandlungsbeiträge halbieren. Damit sind die Einsparungen aufgebraucht“.

Der Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Günther Wawrowsky, zu den VAEB-Ergebnissen: „Die Bundeskurie ist für jede Neuerung zugänglich, wenn diese medizinisch zu rechtfertigen ist und keine außergewöhnlichen administrativen Aufwendungen nach sich zieht. Wenn es der VAEB über ein Anreizsystem gelingt, im Medikamentensektor kostendämpfend zu wirken, unterstützen wir diese vor den oben angeführten Kriterien weiter“.

Interview

„Groteske Besessenheit“

Das sagte die Pharmig, der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs, über das VAEB-Projekt. Mit den vorläufigen Ergebnissen konfrontiert, gab Pharmig-Generalsekretär Jan- Oliver Huber gegenüber der ÖÄZ folgende Stellungnahme ab:

„Da mir die genauen Daten dieses Projektes nicht vorliegen und mir das ganze Projekt seitens der VAEB zu wenig transparent scheint, kann ich zu den Entwicklungen nichts sagen. Fakt ist jedoch, dass das Original – sobald das dritte Generikum in der Erstattung ist – gleichpreisig mit diesem sein muss. In Österreich ist der Fabriks-Abgabepreis bekanntlich 18,6 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Die Besessenheit der Gebietskrankenkassen, unter allen Umständen im Medikamentenbereich einzusparen anstatt in den eigenen Strukturen und Prozessen Effizienzen zu erheben, scheint grotesk. Allein durch den Umstand, dass die Medikamentenausgaben 15,6 Prozent des Sozialversicherungsbudgets ausmachen, ergibt sich schon rein rechnerisch, dass große Einsparungen nicht zu erzielen sein werden. Es stellt sich hier die Frage nach der Nachvollziehbarkeit der behaupteten einen Million sowie ob der Aufwand seitens der Krankenkasse, dies zu erreichen, gegen gerechnet wurde. Außerdem wurde der ‚Behandlungserfolg beim Patienten‘ nicht in die Bewertung aufgenommen.

Es ist legitim, sparsam mit den Mitteln der Beitragszahler umzugehen, solange man sich dabei auf dem Boden der Gesetze bewegt. Das Wohl des Patienten darf darunter unter keinen Umständen leiden. Die Pharmawirtschaft leidet derzeit und auch in den nächsten Jahren unter massiven Patentabläufen und trägt somit überdurchschnittlich durch Preissenkungen zu Kostendämpfungen bei. Es ist nicht nachvollziehbar, ob diese Aktivität der VAEB nicht gerade aufgrund dieses Umstands, als ‚Erfolg‘ gehandelt wird. Die Ausgaben für Medikamente sind im letzten Jahr um lediglich knapp zwei Prozent gewachsen“. 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2010