Aktuelle Studien belegen, dass zumindest 20 Prozent der Ärzte in Österreich manifeste Burnout-Symptome zeigen, 50 Prozent gelten als gefährdet. Speziell trifft das Ärzte in Krankenhäusern, aber auch der niedergelassene Bereich bleibt davon nicht ausgeklammert.
Von Ruth Mayrhofer
Für ÖÄK-Präsident Walter Dorner ist dieses Ergebnis Grund genug, um eindrücklich zu mahnen: Um Übermüdung, Erschöpfung und Frustration vorzubeugen, müssten die Arbeitszeiten „auf ein zumutbares Maß“ durch genaue Überprüfung der Arbeitssituation und durch die Einhaltung der maximal zulässigen Arbeitszeiten in den Krankenhäusern schrumpfen.
Außerdem muss – vor allem für ältere Spitalsärzte – die Möglichkeit einer Begrenzung der Nachtdienste geschaffen werden. Der ÖÄK-Präsident beurteilt die Situation dramatisch: „Wir wissen, dass die Frühmorbidität, die Frühmortalität sowie die Suizidrate bei Ärzten wesentlich höher sind als in der Allgemeinbevölkerung.“ In einer jüngst von medical coaching koordinierten Umfrage an acht Intensiv- beziehungsweise akutmedizinischen Abteilungen oder Stationen in Wiener Spitälern erklärte immerhin bis zu einem Drittel der befragten Ärzte, wären sie noch einmal vor die Berufswahl gestellt, nicht mehr den Arztberuf ergreifen zu wollen. Und: Mehr als die Hälfte gab an, am Ende des Tages „völlig erledigt“ zu sein.Work-Life-Balance fehlt
Trotz des unterschiedlichen Arbeitsumfeldes sind die Anforderungen an Spitals- und niedergelassene Ärzte sehr ähnlich, weiß der Wiener Neurologe und systemische Coach Wolfgang Lalouschek. „Beiden Sparten gemeinsam ist die Last des ständigen Umganges mit zunehmend fordernden Patienten, der Zwang zur Fließbandmedizin, die hohe Verantwortungund die oft ausufernden Arbeitszeiten.“ Im Spitalsbereich kämen dann noch die Nachtdienste sowie mögliche Konfliktsituationen bis hin zum Mobbing vor. Im niedergelassenen Bereich wiederum gebe es die Gefahr der Vereinsamung sowie die oft nur sehr schwer lösbare Balance zwischen wirtschaftlichem Überleben und der ebenso dringend nötigen Erholung.
Wolfgang Spiegel, niedergelassener Allgemeinarzt in Wien und Mitglied einer Forschungsgruppe an der Medizinischen Universität Wien, untersucht das Phänomen des Burnouts bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern derzeit wissenschaftlich. Bei niedergelassenen Ärzten wirken sich zum Beispiel die hohe Verantwortung und die vielfältigen administrativen Anforderungen negativ auf die berufliche Situation aus. Ärzte, die im urbanen Umfeld tätig sind, unterliegen in Österreich mehr noch als Landärzte durch die fehlende Strukturierung des Gesundheitssystems – die Definition des Point of Contact des Patienten – einem ‚Doctor-Shopping‘ und fühlen sich subjektiv daher oft abgewertet.
Interessant ist, dass – so ein Detail der vorläufigen Erkenntnisse von Spiegel und seiner Forschungsgruppe – bei den heutigen Allgemeinärzten nur ein Drittel dieses „Fach“ als Berufswunsch hatte. Bei den aktuell tätigen Fachärzten erreicht wegen der in Österreich üblichen Vergabe von Ausbildungsplätzen nur jeder zweite das Diplom in seinem „Wunschfach“. Auch das ist langfristig einer Arbeitszufriedenheit abträglich.
Univ. Prof. Gernot Sonneck vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität Wien betont, dass Ärzte es trotz aller subjektiv empfundenen Mängel ihrer Arbeitssituation bis hin zum Burnout zum Großteil selbst in der Hand hätten, gegenzusteuern. „Von Burnout sind in der Regel nur Personen betroffen, die ein sehr hohes Engagement einbringen, und Ärzte sind eine Berufsgruppe, die sich eben überdurchschnittlich engagiert und oft enormem Druck ausgesetzt ist“, weiß Sonneck.
Von A bis C: Delegieren hilft!
Aber genauso sei ein gewissenhafter Check des eigenen Arbeitsverhaltens unabdingbar, um Burnout zu vermeiden: „Man muss nicht alles selbst tun. Delegieren wird aber oft als zeitraubend empfunden, weil man Dritten Dinge erst einmal erklären muss. Aber dieser Zeitaufwand lohnt sich allemal“. Sonneck empfiehlt daher die ABC-Regel für richtiges und effizientes Delegieren. „A steht für ‚muss ich selbst erledigen’, bei B steht die Überlegung ‚wer kann es tun?’ im Vordergrund.
Kriterien bringt allein schon Klarheit“, sagt Sonneck. „Man muss die einzelnen Änderungen dann aber auch konsequent umsetzen“. Die Kombination der Betrachtung von persönlichen und „Umweltfaktoren“ sollte jedenfalls dazu beitragen, kritische Situationen zu entschärfen, den wichtigen Wechsel von Anspannung und Entspannung zu fördern und somit Ärzten mehr Lebensqualität zu verschaffen.
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2010