Spitalsärzte in der Steiermark: Für mehr Lebens- und Arbeitsqualität

25.01.2010 | Politik


Für mehr Arbeits- und Lebensqualität

Die derzeitige Situation der steirischen Spitalsärzte ist unhaltbar, sagt der Kurienobmann der angestellten Ärzte in der Steiermark, Martin Wehrschütz. Von Kurt Markaritzer   

„Wir haben ein vorrangiges Ziel“, sagt Wehrschütz. „Wir müssen in den Spitälern zu mehr Arbeits- und Lebensqualität kommen. Die derzeitige Situation ist unhaltbar, die personelle Bedeckung ist am unteren Limit.“ Zumindest punktuelle Aufstockungen sind in der Steiermark unvermeidlich. Zwar ist der Personalstand in den steirischen Spitälern in den letzten 15 Jahren angestiegen, die Belastung der Spitalsärzte hat sich aber in einem wesentlich stärkeren Maß erhöht. Durch die Verdichtung der Arbeit ist die Belastung vielfach extrem geworden. Das gilt zum Beispiel für die Chirurgie-Aufnahme, die Kinderkliniken in Graz und Leoben, die Kinderchirurgie in Graz oder auch für die LKH Univ.-Klinikum Graz EBA (Erstuntersuchung, Beobachtung, Aufnahme). Wehrschütz: „Der Spitalserhalter darf hier nicht länger zusehen. Dort, wo die Personaldecke zu dünn geworden ist, muss sie verstärkt werden.“

Ein weiteres, dringendes Anliegen an die Steirische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (KAGes) sind neue Arbeitsmodelle für Ärzte ab 45, 50 Jahren, denn der Dauerstress wird mit zunehmendem Lebensalter zu einem unübersehbaren Problem. Die Burnout-Raten bei Spitalsärzten steigen an, sieben bis zehn Prozent aller Ärzte sind entweder bereits ausgebrannt oder stehen kurz davor. Experten befürchten, dass unter den jetzigen Bedingungen medizinische Leistungen auf dem bisherigen Niveau bald nicht mehr erbracht werden können. Wehrschütz: „Die KAGes ist in dieser entscheidenden Frage säumig und verweist darauf, dass sie für Verbesserungen kein Geld hat. Aber das ist kurzsichtig: Wenn jetzt nichts unternommen wird, muss man in zehn bis 15 Jahren viel mehr investieren, weil die älteren Ärzte dem permanenten Leistungsdruck einfach nicht gewachsen sein werden und das System dann zusammenbricht.“

Die steirische Ärztekammer hat konkrete Forderungen: Reduzierung der Nachtdienste auf zwei oder drei im Monat, Verpflichtung zum Verlassen des Dienstortes nach 25 Stunden ununterbrochener Dienstzeit, strikte Einhaltung einer 48-Stunden-Woche bei gleich bleibendem Einkommen. Wehrschütz: „Bei jüngeren Kollegen kann man vorerst unter Umständen längere Arbeitszeiten belassen. Sie sind für sie leichter verkraftbar, wenn sie wissen, dass sie mit zunehmendem Lebens- und Dienstjahren etwas bessere Arbeitsbedingungen haben werden.“

Mit einem anderen Vorstoß dürfte der Kurienobmann innerhalb der Ärzteschaft für hitzige Debatten sorgen. Er begründet ihn mit einer pointierten Bemerkung: „Wir haben nicht nur eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Patienten, sondern auch bei den Ärzten. Die Grenze verläuft zwischen jenen, die einen Kassenvertrag haben und niedergelassene Ärzte sein können, und jenen, die keinen Vertrag mit einer Kasse bekommen, wie das bei den meisten Spitalsärzten der Fall ist.“ Er fordert deshalb Erleichterungen für Spitalsärzte, die niedergelassene Ärzte werden wollen: „Wir sind ja ein freier Beruf – zumindest sehen wir Ärzte uns so. Aber wenn das nicht nur eine Floskel, sondern Realität sein soll, dann muss es auch für jeden die freie Wahl geben, so zu arbeiten, wie er möchte – als angestellter Arzt im Spital oder als niedergelassener Arzt in der Praxis.“ Die Krankenkassen lehnen diesen Vorschlag mit der Begründung ab, eine Vermehrung der Kassenstellen würde eine Steigerung des Bedarfs mit sich bringen. Das Argument lässt Wehrschütz nicht gelten: „Die überfüllten Ambulanzen in den Spitälern zeigen, dass im niedergelassenen Bereich ganz eindeutig Kapazitäten fehlen.“

Dass der Vorstoß auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten sein dürfte, ist dem Kurienobmann durchaus klar: „Man sollte aber darüber reden; ich lade die Kollegen zu Gesprächen zu dem Thema ein.“ Ein Kompromiss könnte die Mitarbeit von Spitalsärzten in den geplanten Ärzte-GmbHs sein. Wehrschütz: „Das wäre ein erster Schritt zu mehr Wahlfreiheit, aber nur dann, wenn die Spitalsärzte keine ,Nullgesellschafter‘ sind, sondern maßgeblich mitbestimmen können!“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2010