Rechnungshofbericht: Gesundheitsreform zerpflückt

25.05.2010 | Politik

Zu langsam, keine einheitlichen Lösungen für Österreich, zu unklare Zielvorgaben: Der Rechungshof übt scharfe Kritik an der schleppenden Umsetzung der Gesundheitsreform 2005.
Von Kurt Markaritzer

Die Stellungnahme des Rechnungshofes zur Umsetzung der 2005 in einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern festgelegten Reform lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Mit der Gesundheitsreform 2005 sollte die strikte Trennung der einzelnen Sektoren des Gesundheitswesens überwunden werden. Eine österreichweite, integrierte Leistungsangebotsplanung für alle Bereiche der Gesundheitsversorgung war vorgesehen, wurde jedoch bisher nicht realisiert. Zudem gab es keine transparente und umfassende Darstellung der Finanzierung der Fondskrankenanstalten als Voraussetzung für eine Optimierung des Mitteleinsatzes. Auch der Reformpool, in dem Land und Sozialversicherungsträger gemeinsame Projekte finanzieren und durchführen sollten, wurde bisher kaum genutzt.“

Ein Detail zeigt, dass die seinerzeitigen Erwartungen in das Reformprojekt hoch gesteckt, aber nicht präzise bestimmt worden waren. So wurden 2005 „Maßnahmen zur Kostendämpfung und Effizienzsteigerung“ im Ausmaß von 300 Millionen Euro vereinbart – ein Zeitraum in dem diese Einsparungen erzielt werden sollten, wurde aber nicht festgelegt. 2007 wurde das zwei Jahre zuvor geschlossene Übereinkommen durch einen neuen Staatsvertrag für den Zeitraum 2008 bis 2013 ersetzt und da waren die Verantwortlichen noch wesentlich zurückhaltender: Sie verzichteten gleich auf die Festlegung einer konkreten Höhe der angestrebten Einsparungen …

Auf solche und ähnliche Ungereimtheiten stieß der Rechnungshof bei der Überprüfung der Fortschritte, welche die Gesundheitsreform gemacht hat, gleich mehrmals. Im Detail nahm er die Umsetzung von Teilbereichen der Gesundheitsreform 2005 in Tirol und Wien unter die Lupe und da wiederum speziell die Landesgesundheitsfonds in den beiden Ländern. Schon da erwies sich, dass in Sachen Gesundheitsreform von einer einheitlichen Vorgehensweise in ganz Österreich keine Rede sein kann.

Bemerkenswert ist, dass der Tiroler Gesundheitsfonds von der Landesregierung beaufsichtigt wurde, während beim Wiener Fonds nach Angaben des Rechnungshofs „keine Aufsicht“ bestand. Ob mit oder ohne Kontrolle machte allerdings in einem Punkt keinen Unterschied, moniert der Rechnungshof: „Entgegen den … Reformvereinbarungen 2005 und 2008 waren in den Landesgesundheitsfonds (LGF) die Rechnungsabschlüsse der Krankenanstalten(verbände) und der Sozialversicherung weder transparent noch vollständig dargestellt.“

Nicht gelungen ist es, das System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) in Österreich zu vereinheitlichen und auch der Österreichische Strukturplan Gesundheit hat keineswegs die erhofften Fortschritte gebracht, bemängelt der Rechnungshof: „Die Zielsetzung, bis Ende 2008 über den stationären Akutbereich hinausgehend auch für die übrigen Bereiche der Gesundheitsversorgung eine Leistungsangebotsplanung zu entwickeln, erwies sich als nicht realistisch.“ Einer der Gründe dafür war, dass die Vereinbarungen keine konkreten Vorgaben enthielten, weder zu den Methoden noch zu den Inhalten, welche in die regionalen Strukturpläne aufgenommen werden sollten.

Bescheidene Fortschritte gab es bei den Reformpools, mit deren Hilfe medizinische Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich beziehungsweise umgekehrt verlagert werden sollen, wenn diese dort kostengünstiger erbracht werden konnten. Gemäß der Reformvereinbarung 2005 hätten in Wien in den Jahren 2006 bis 2008 mindestens 185,5 Millionen Euro und in Tirol 55,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden können. Tatsächlich beschlossen wurden aber deutlich geringere Mittel: In Wien waren es 4,1 Millionen Euro, in Tirol 0,4 Millionen Euro. Das Motiv für die Kürzung, so der Rechnungshof: „Für den Reformpool eingesetztes Geld reduziert jene Mittel, die für die Finanzierung der Krankenanstalten und des niedergelassenen Bereichs zur Verfügung stehen.“

Die Erfahrungen mit den Reformpoolprojekten waren überdies zwiespältig. So hat sich zum Beispiel bei einem Diabetes-Projekt herausgestellt, dass eine verbesserte Patientenversorgung zu höheren Kosten in der Gegenwart führt, während mögliche Einsparungen erst in der Zukunft wirksam werden. Bei der „Einrichtung einer kinderfachärztlichen Notdienstordination im AKH“ wiederum war die Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung für Kinder und Jugendliche an Wochenenden das erklärte Ziel. Das Land Wien und die Sozialversicherung sind sich aber in der Beurteilung nicht einig, ob durch dieses Projekt die angestrebte Leistungsverlagerung tatsächlich stattfand. Beim Reformpoolprojekt „Integrierte Versorgung von Schlaganfallpatienten in Wien“ zeigte die Kosten-Nutzen-Analyse, dass der Mehrbedarf im niedergelassenen Bereich in Summe die angenommenen Einsparungen im stationären Bereich langfristig übersteigt.

Ein Stein des Anstoßes für die Rechnungshof-Prüfer waren offene Forderungen aus Behandlungen von ausländischen sozialversicherten Gastpatienten. In Österreich entfielen von 2005 bis 2007 im Jahresdurchschnitt rund 27.000 stationäre Aufenthalte auf diese Gastpatienten. Rund 37 Prozent dieser Aufenthalte betrafen Tirol, rund sechs Prozent Wien. Die Ende 2007 offenen Forderungen aus Behandlungen von Gast-Patienten betrugen in Tirol 71,7 Millionen Euro und in Wien rund 13,6 Millionen Euro. Im Durchschnitt dauerte es in Tirol 2,7 Jahre, bis die ausländischen Sozialversicherungen die Außenstände beglichen, in Wien waren es sogar 3,85 Jahre.

Forderungen des Rechnungshofes

Der Rechnungshof belässt es nicht bei der Kritik, sondern hat konkrete Vorschläge an die Politik. An die Adresse des Gesundheitsministeriums richtet er zum Beispiel folgende Forderungen:

  • Bei einer eventuellen Verlängerung der Reformvereinbarung soll eine einheitliche, verbindliche Dotierung der Landesgesundheitsfonds erreicht werden.
  • Aus diesen Fonds soll ein möglichst hoher Anteil der Gelder für die Krankenanstaltenfinanzierung kommen.
  • Einheitlich werden soll nicht nur die Dotierung, sondern auch die Verteilung der Fondsmittel zwischen dem Kernund Steuerungsbereich.
  • Bundesweit soll ein einheitliches Modell zur ambulanten Leistungsabgeltung eingeführt werden.
  • Die Einsparungsziele sollen in Zukunft ausreichend definiert werden und Zeitvorgaben beinhalten. Geklärt werden muss auch, wie die erzielten Effekte quantifiziert werden können.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2010