Podiumsdiskussion zur IHS-Studie: Synergien endlich nutzen!

10.02.2010 | Politik

Synergien endlich nutzen

Im Spannungsfeld zwischen Einsparungsdebatten und dem Wunsch nach Effizienzerhöhung ohne Leistungseinbußen wurden im Rahmen der Podiumsdiskussion anlässlich des 2. Gesundheitspolitischen Gesprächs vor allem die Forderungen nach gemeinsamen Zielen im Gesundheitswesen laut.

Im Umfeld einer rückläufigen Wirtschaftsleistung und einem nicht nur daraus resultierenden Mangel an finanziellen Ressourcen wird im Gesundheitswesen der Ruf nach Einsparungen, aber auch nach mehr Effizienz lauter. Allerdings: Gelingt dies auch in der Privatwirtschaft in vielen Fällen durchaus, ist die Situation im Gesundheitswesen damit kaum vergleichbar. Zu vielfältig sind die Herausforderungen, Problemkreise – und die politischen Rahmenbedingungen. Lösungen sind – so waren alle Podiumsdiskutanten (siehe Kasten) einig – dringend gefragt; umso mehr, als das österreichische Gesundheitswesen nicht nur einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber, sondern auch hohes Potenzial für Drittleister (zum Beispiel für den Bereich der Medizintechnik) darstellt.

Gesucht: Anreize und gemeinsame Ziele

Wie in vielen anderen Branchen wird auch im Gesundheitswesen versucht, immer mehr Leistungen mit dem gleichen Personalstand zu erbringen. Das bedeutet aber in diesem speziellen Bereich für viele Mitarbeiter im System eine Zunahme an Belastungen bis hin zum Burnout. „Die Krankenhäuser arbeiten rund um die Uhr. Pro Spitalsbett werden heute viel mehr Patienten behandelt als früher“, sagte der Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer. Daher müsse man, so Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, auch endlich über die Einnahmenseite reden und nicht immer lediglich über Ausgaben und Kosten. „Rein ausgabenseitig werden wir den Wandel im Gesundheitswesen nicht bewältigen“. Auch von „Schuldzuweisungen“ müsse man in einem solchen Prozess abrücken und zu einem Anreizsystem mit gemeinsamen Zielen finden, wie es Thomas Czypionka vom IHS auf den Punkt brachte.

Menschen in Veränderungen einbinden

ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger und Bundesrat Michael Hammer sprachen sich unisono für mehr Effizienz ohne Leistungskürzungen aus. Wie das funktionieren soll? Rasinger plädiert für Umschichtungen: „Im Spitalssektor muss man sicher etwas runterfahren. Damit ist nicht Zusperren gemeint. Man muss jedoch in den ambulanten Bereich investieren und das Hausarzt-System aufwerten“. Außerdem seien Synergien zu nutzen und sinnvolle Spezialisierungen zu finden. „Wichtig ist, dass die betroffenen Menschen in Veränderungen eingebunden werden, damit sie diese unterstützen“.

„Dem System nicht noch mehr wegnehmen“!

Den Umgang der Politik mit dem Gesundheitssystem kritisiert ÖÄK-Präsident Walter Dorner: „Dem System wurde schon so viel weggenommen. Man kann nicht ständig versicherungsfremde Leistungen verlangen. Die Politik muss aufpassen, dass Gesundheitsberufe nicht unattraktiv werden!“ Das unterstreicht auch Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer Oberösterreich: „Es heißt immer, dass im Gesundheitswesen Geld verschwendet wird. Ärzte und Pflegepersonal schaffen jedoch Werte; nicht nur menschliche, sondern auch wirtschaftliche“.

Forderung nach Grundsatzdiskussion

Im Rahmen der anschließenden Publikumsdiskussion gingen die Wogen ähnlich hoch. Der Auslöser: das Thema Spitalskooperationen. Die Ärztin und FP-Gesundheitssprecherin im oberösterreichischen Landtag, Brigitte Povysil, kritisiert die machtpolitischen Interessen, die ihrer Meinung nach solchen Kooperationen entgegen stünden. Und auch Gespag-Vorstand Karl Lehner appelliert an die Politik: „Ändern Sie die Rahmenbedingungen! Schaffen Sie uns sinnlose bürokratische Auflagen vom Hals! Dann funktionieren Kooperationen zwischen Spitälern“. Arbeiterkammer-Präsident Kalliauer spricht sich für eine Grundsatzdiskussion über das gesamte Leistungsspektrum des ambulanten und stationären Bereichs aus. IÖ, RM

Die Menschen hinter der „Effizienz“

Auszug aus dem offenen Brief vom 25. Jänner 2010 von Wolfgang Ziegler, Sektionsobmann der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer Oberösterreich, an Klaus Pöttinger, Vizepräsident der Industriellenvereinigung Österreich.

„Sie haben nicht verraten, welche Parameter Sie zur Beurteilung der Effizienz heranziehen. Haben Sie einberechnet, dass die Industrie zunehmend automatisiert wird (möchten Sie von einem Roboter operiert werden?) Oder, dass sich die Wirtschaft Alter und Kranker relativ leicht durch Kündigung, besseren Falls durch einen „golden handshake“ entledigt? Oder, dass Investitionen im Gesundheitsbereich nicht immer auf Gewinnchancen ausgerichtet werden können? Es wäre mutig gewesen, dabei zu erwähnen, dass dann Menschen ab 80 Lebensjahren kein Hüftgelenk mehr bekommen sollen, weil sich die Investition nicht rechnet, eher im Gegenteil. Und ich frage mich, ob die Milliarde, die die Wirtschaft dem Gesundheitswesen an Arbeitgeberbeiträgen schuldet, bei Ihrer Bewertung der Effizienzen mit berücksichtigt ist.“

Es diskutierten:

• Thomas Czypionka, Institut für Höhere Studien (IHS)
• Walter Dorner, Präsident der ÖÄK
• Michael Hammer, Bundesrat
• Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich
• Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Kurienobmann der angestellten Ärzte
• Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich
• Klaus Pöttinger, Vizepräsident der Österreichischen Industriellenvereinigung
• Erwin Rasinger, ÖVP-Gesundheitssprecher

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2010