Leserbrief

10.04.2010 | Politik

Zum Kommentar „Selbstbestimmung ohne Grenzen“ von Prof. Enrique H. Prat, der in der ÖÄZ 5 vom 10. März 2010 erschienen ist, ist folgender Leserbrief eingelangt.

Es sind nun fast vier Jahre, dass sich der österreichische Gesetzgeber für die Schaffung eines Patientenverfügungsgesetzes entschlossen hat. Es war ein schwieriger Weg dorthin, vor allem durch Positionen des konservativ-katholischen Flügels. Schließlich hat man sich auf einen Kompromiss verständigt, der hinsichtlich der Formvorschriften, die man auch als bewusste Hürden bezeichnen kann, für die verbindliche Form, keinesfalls eine ungeteilte Zustimmung erhalten hat. Auch Deutschland hat auf Grund genau der gleichen Schwierigkeiten und Positionen bis zum Herbst des vergangenen Jahres gebraucht, um ein Patientenverfügungsgesetz zu beschließen. Italien laboriert nach wie vor an seinem „testamento biologico“, ohne dass ein Ergebnis in Sicht wäre.

Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, vor diesem Hintergrund und vor allen Dingen einer immer mehr wahrgenommenen und auch beachteten absoluten Patientenautonomie, Herrn Prof. Prat mit seiner bekannt paternalistischen Sichtweise von Medizin und Medizinethik ein derartiges Forum zu bieten. So etwas bezeichne ich als „Nachkarten“ oder besser gesagt – wie im Fußball – „Nachtreten“. Wenn man schon keinen Zugang zur Unantastbarkeit der Patienten-Selbstbestimmung findet, so würde ich zumindest Respekt vor einem demokratisch entstandenen Gesetz der Republik Österreich erwarten.

In den mir sowohl von Pflegekräften als auch Ärzten wiederholt übermittelten Konfliktsituationen, sind es immer wieder Angehörige, welche aus den unterschiedlichsten, meist weniger patientenorientierten Gründen maximale Therapiemaßnahmen fordern, auch wenn diese aus medizinischer Sicht wenig Sinn machen und ein Sterben nur hinauszögern. Auf diese Weise unter Druck geratene Behandler wenden sich an den Patientenanwalt! Ich habe also ein großes Problem mit der Position von Prof. Prat, dass „Vertrauenspersonen die Autonomie des Patienten am besten sicherstellen“.

Wir österreichischen Patientenanwälte stellen immer wieder fest, dass problematische Diskussionsbeiträge zu den Themen Patientenautonomie und Patientenverfügung von solchen „Autoritäten“ kommen, die einfach wenig Ahnung vom und wenig Berührung mit dem Patientenalltag haben. Leider.

Dr. Erwin Kalbhenn
Patientenanwalt in Kärnten

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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2010