Leserbrief

15.08.2010 | Politik


Zum Beitrag „Heikel, aber nicht verboten“ über den Off-Label-Use von Arzneimitteln, der in der ÖÄZ Nr. 11 vom 10. Juni erschienen ist, sind einige Leserbriefe in der Redaktion eingelangt.

Im Artikel werden als Beispiel für den Off-Label-Use die konkurrierenden Präparate Avastin und Lucentis beleuchtet.

Ich hätte mir eine etwas sorgfältigere und kritischere Recherche zu diesem Problem gewünscht und rate, hierzu auf Google den Begriff „lucentis roche“ aufzurufen. Hier findet man weitgehende Bestätigung für die Information, die mich erreicht hat, dass nämlich ursprünglich für beide Präparate ein und derselbe Hersteller existierte. Die Enthaltsamkeit „von der Augenheilkunde“ der Firma Roche, die in Ihrem Artikel erwähnt ist, gilt offenbar nicht für die USA, denn dort wird das Präparat Lucentis von La Roche vertrieben.

Speziell den europäischen Markt hat man sich durch Firmenkauf und wahrscheinlich Absprachen gewinnbringend aufgeteilt. Novartis vertreibt Lucentis in Österreich und Deutschland, wahrscheinlich auch in weiteren europäischen Ländern. In Italien ist im vergangenen Monat Avastin für die Indikation AMD zugelassen worden. Irgendjemand hat einen Weg gefunden, die Mauer zu durchbrechen.

Zusammenfassend kann man aus meiner Sicht leicht nachvollziehen, welches Spiel hier abgelaufen ist und noch abläuft.

Im Artikel wird auch der Mediziner Wolfgang Bonitz mit „Es geht ums Geld“ zitiert. Diese Aussage kann ich mehr als bestätigen, aber denke hierbei nur in zweiter Linie an die Ökonomie in Spitälern und in erster Linie an ein unverhohlenes Abcashen im Gesundheitsmarkt.

Es würde mich freuen, wenn ich nunmehr die journalistische Neugier geweckt habe und vor allem davon demnächst erfahre.

Dr. Erwin Kalbhenn
Patientenanwalt Kärnten

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In diesem Artikel geht die Autorin im Speziellen auf die Problematik der intravitrealen operativen Medikamentenapplikation (IVOM) von Avastin (Bevacizumab) und Lucentis (Ranibizumab) ein und behauptet, dass Avastin angewendet werde, „obwohl es für diese Anwendung von Avastin keine Studien gäbe“.

Im Namen der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass diese Behauptung unrichtig ist. Avastin wird weltweit seit dem Jahr 2005 „off-label“ für die IVOM verschiedener Netzhautkrankheiten angewendet, und in MEDLINE sind allein zum Thema einer IVOM mit Avastin bei neovaskulärer altersbedingter Makuladegeneration bereits mehr als 600 Publikationen gelistet, die die Wirkung von Avastin belegen.

Es gibt zwar heute noch keine randomisierten und kontrollierten Langzeitstudien, die die Sicherheit und Wirkung der IVOM von Avastin und Lucentis vergleichen; Studien dieser Art sind aber weltweit – auch in Österreich – in Arbeit und werden in wenigen Monaten erste Ergebnisse berichten können.

Die österreichischen Augenärzte wenden schon heute bei jeder Behandlung das Prinzip an, dass für jeden Patienten die bestmögliche Therapie verwendet werden sollte. Neben der Frage, welches Medikament im Rahmen einer IVOM angewendet werden sollte, sind heute aber vor allem auch die beschränkten räumlichen, gerätetechnischen und personellen Kapazitäten das Hauptproblem bei der konsequenten fachgerechten Betreuung von Patienten mit Netzhautkrankheiten wie altersbedingter Makuladegeneration, diabetischer Retinopathie oder retinalen Gefäßverschlüssen.

Univ. Prof. Dr. Günther Grabner
Präsident der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG)

Univ. Prof. Dr. Susanne Binder
Wissenschaftliche Sekretärin der ÖOG

Univ. Prof. Dr. Michael Stur
Vorsitzender der Netzhautkommission der ÖOG

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2010