Kas­sen­kas­sen-Sanie­rung: „So funk­tio­niert das nicht!“

10.02.2010 | Politik


„So funk­tio­niert das nicht!“ 

Die ÖÄK warnt vor Ein­schrän­kun­gen für die Pati­en­ten durch das nun vor­lie­gende Kas­sen-Sanie­rungs­kon­zept. Ein­bu­ßen bei den Gesund­heits­leis­tun­gen seien nur noch „eine Frage der Zeit“. Von Ruth Mayr­ho­fer 

Für hef­ti­ges Kopf­schüt­teln bei der ÖÄK sorgt der­zeit das sei­tens des Haupt­ver­ban­des fixierte Spar­vo­lu­men von rund 1,7 Mil­li­ar­den Euro im Kas­sen­be­reich bis 2013 und der dar­aus vor­ge­se­hene Spar­be­trag von 197 Mil­lio­nen Euro allein für 2010. „Mit der ÖÄK wur­den diese Zah­len weder bespro­chen noch ver­han­delt“, betont der 1. Vize­prä­si­dent der ÖÄK und Prä­si­dent der Tiro­ler Ärz­te­kam­mer, Artur Wech­sel­ber­ger. Sei­tens der Ärz­te­schaft sei man sehr wohl zur Kos­ten­dämp­fung bereit und habe daher 2009 auch ein gemein­sa­mes Sanie­rungs­pa­ket mit dem Haupt­ver­band beschlos­sen. „Die nicht akkor­dier­ten Spar­sum­men sind aus ÖÄK-Sicht aber über­zo­gen und schie­ßen über das für den Pati­en­ten erträg­li­che Maß hinaus“. 

Wel­che Leis­tun­gen sind überflüssig? 

Dass die Ein­spa­rungs­pläne des Haupt­ver­ban­des hin­ken, unter­mau­ert ÖÄK-Prä­si­dent Wal­ter Dor­ner: „Wir müs­sen den Anstieg der Volks­krank­hei­ten beden­ken: In Öster­reich gibt es der­zeit 450.000 Dia­be­ti­ker zuzüg­lich einer gro­ßen Dun­kel­zif­fer, über eine Mil­lion Schmerz­kranke und über 600.000 an Depres­sio­nen erkrankte Men­schen. Zudem sehen wir eine sehr hohe Zunahme an chro­ni­schen Krank­hei­ten – wahr­schein­lich die höchste in Europa. Auch die Demo­gra­fie muss man berück­sich­ti­gen. Das alles heißt, dass wir in Öster­reich den Men­schen zusätz­li­che Ver­sor­gungs­leis­tun­gen zur Ver­fü­gung stel­len und nicht dort, wo ohne­dies schon am Limit gear­bei­tet wird, zusätz­lich ein­spa­ren müs­sen“! Dor­ner for­derte daher Haupt­ver­bands-Chef Hans-Jörg Schel­ling auf, offen­zu­le­gen, wel­che Leis­tun­gen für die Pati­en­ten er nicht mehr als not­wen­dig erach­tet bezie­hungs­weise wel­che moder­nen Leis­tun­gen er nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten zur Ent­las­tung des Spi­tals­be­rei­ches anbie­ten will. „Man hat in Deutsch­land gese­hen, dass der Spar­wahn, der dort jah­re­lang geherrscht hat, zu einer Ver­knap­pung und Aus­dün­nung der Ärzte im nie­der­ge­las­se­nen und im Spi­tals­be­reich geführt hat“, warnt Dorner. 

Artur Wech­sel­ber­ger rech­net vor: „Die Kas­sen müs­sen 197 Mil­lio­nen Euro ein­spa­ren, damit sie 100 Mil­lio­nen aus dem Steu­er­topf erhal­ten. Das ist ein Minus-Sum­men-Spiel, für das der Pati­ent die Zeche zah­len wird. Weg­ge­spart wer­den Leis­tun­gen, auf die die Pati­en­ten ein Anrecht haben“. Den Berech­nun­gen der ÖÄK zufolge müs­sen 2010 bei der Umset­zung der vom Haupt­ver­band fest­ge­leg­ten Spar­vor­ga­ben von 197 Mil­lio­nen Euro Leis­tun­gen für Pati­en­ten vom der­zei­ti­gen Ist-Stand um vier Pro­zent zurück­ge­fah­ren wer­den. Das betrifft in ers­ter Linie Medi­ka­mente und den ver­trags­ärzt­li­chen Bereich, aber auch Phy­sio­the­ra­pie, Trans­port­kos­ten, Heil­be­helfe oder Insti­tute. Das im Bereich der Ver­trags­ärzte genannte Spar­ziel von 49 Mil­lio­nen Euro würde der ÖÄK zufolge umge­rech­net das „Aus“ für 175 Kas­sen­ver­trags­stel­len bedeu­ten.

Immer noch Versorgungslücken 

In der Ver­sor­gung bestehen nach wie vor Lücken, weiß ÖÄK-Vize Wech­sel­ber­ger. Bun­des­weit feh­len bei­spiels­weise nie­der­ge­las­sene Psych­ia­ter oder Rheuma-Spe­zia­lis­ten. Immer mehr Haus­arzt-Ordi­na­tio­nen wer­den in den nächs­ten Jah­ren frei, sind aber ange­sichts erschwer­ter und zuneh­mend unat­trak­ti­ver Arbeits­be­din­gun­gen immer schlech­ter nach zu beset­zen. Viele Leis­tun­gen im nie­der­ge­las­se­nen Bereich sind schon jetzt streng limi­tiert oder feh­len über­haupt. In den Kran­ken­häu­sern stieg die Zahl der ambu­lan­ten Fälle von 2006 auf 2008 um neun Pro­zent, die Zahl der sta­tio­nä­ren Pati­en­ten um vier Pro­zent. Den­noch fehl­ten in Öster­reich fast 2.000 Spi­tals­ärzte. Daher sei es kein Wun­der, dass die Spi­tä­ler über­quel­len. Die Zahl der Kas­sen­ärzte sei seit 1995 unver­än­dert. „Trotz­dem kom­men auch für den Spi­tals­be­reich immer wie­der Rufe, eine Mil­li­arde Euro ein­zu­spa­ren“, warnt Dor­ner. „Das wäre dann die Qua­dra­tur des Krei­ses und der Ruin des Gesund­heits­sys­tems“.

Ärzte-GmbH: Keine Gängelung! 

Die Ärzte-GmbH wurde zuletzt von Haupt­ver­bands-Chef Hans-Jörg Schel­ling mit der Fest­schrei­bung der Kün­di­gung von Ärz­ten bei nicht-erwünsch­ter Ver­schreib­weise junk­ti­miert. Diese öffent­li­che Äuße­rung ist für ÖÄK-Prä­si­dent Dor­ner ange­sichts der von der Ärz­te­schaft im Vor­jahr gezeig­ten kon­struk­ti­ven Hal­tung „völ­lig unver­ständ­lich“. Dor­ner kon­sta­tiert „feh­lende Hand­schlag­qua­li­tät“, denn die Ärzte-GmbH sei essen­ti­el­ler Bestand­teil des 2009 gemein­sam aus­ge­han­del­ten Sanie­rungs­pa­kets gewe­sen, den Schel­ling nun im Gegen­satz zur Abspra­che blo­ckiere. Im Übri­gen sei das Kos­ten­be­wusst­sein der Ärzte bei der Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung unter Beweis gestellt wor­den. Die letzte Stei­ge­rungs­rate lag bei zwei Pro­zent. „So funk­tio­niert das nicht“, stellt Dor­ner im Zusam­men­hang mit der von Schel­ling gefor­der­ten Junk­ti­mie­rung klar. Die Ärzte-GmbH und die Frage der leich­te­ren Künd­bar­keit seien „zwei­er­lei Paar Schuhe“. Es gebe kei­nen natür­li­chen Zusam­men­hang. Dor­ner: „Eine Gän­ge­lung wird es mit uns nicht geben“. 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 3 /​10.02.2010