Schlecht ausgebildete Ärzte sind teuer: Kommentar Hildegunde Piza

25.02.2010 | Politik


Schlecht ausgebildete Ärzte sind teuer

Von Hildegunde Piza*

Die Hauptaufgabe des Arztes besteht im Heilen, Trösten und Lindern. Die an einer Medizinischen Universität tätigen Ärzte haben zusätzlich einen besonderen Auftrag im wissenschaftlichen Arbeiten, im Labor oder im klinischen Bereich, sowie in der Lehre. Dieses Portfolio ist attraktiv und sollte die Besten anziehen. Doch die Realität sieht angesichts der strukturellen Verhältnisse anders aus.

Die erste Frage lautet: Wie viele Ärzte braucht das Land? An allen vier medizinischen Universitäten (die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg mit eingerechnet) werden insgesamt pro Jahr mehr als 6.000 junge Menschen mit einer je nach Standort unterschiedlichen Evaluierungsmethode ausgewählt und etwa 1.500 davon zum Studium der Humanund Zahnmedizin zugelassen. Die Anzahl der Ärzte hat sich in Österreich innerhalb der letzten 40 Jahre verdoppelt (!), innerhalb Europas haben wir die zweithöchste Ärztedichte. Im Studienjahr 2003/2004 wurden mehr als 2.000 Mediziner promoviert. Der jährliche Ersatzbedarf liegt aber nur bei 400 Ärzten und in Hinblick auf die prognostizierte demographische Entwicklung bräuchte man zusätzlich rund 50 Ärzte. Österreich muss sich die Frage stellen, wie viele Ärzte es jährlich ausbildet, zu welchen Bedingungen und mit welchen Zukunftsperspektiven.

Zweitens liegt die Frage am Tisch: Wie müssen Ausbildungsstellen angepasst werden, wenn Krankenhäuser neu beziehungsweise umstrukturiert werden? Wenn die Umstrukturierung mit sich bringt, dass es nur noch befristete Dienstverträge gibt, wenig Geld, kaum Karrierechancen und keine Perspektive, dann sind junge Ärztinnen und Ärzte kaum mehr gewillt, diesen Preis zu zahlen, um neben der Arbeit am Krankenbett an Österreichs Universitätskliniken auch wissenschaftlich tätig sein zu können.

In der Praxis sind die Ausbildungsplätze den neuen Strukturen kaum angepasst worden. Das Curriculum wurde (nicht zimperlich) entrümpelt, Medizinstudenten beenden ihr Studium im Durchschnitt erst nach 16 Semestern, um dann ihre Karriere als Wissenschafter oder/und ihre weitere Ausbildung zum Facharzt zu beginnen. Doch Wissenschaft zu betreiben ist in der sechsjährigen Zeit der Facharztausbildung nach dem derzeitigen Arbeitszeitgesetz praktisch unmöglich.

Der zukünftige Facharzt braucht nicht nur theoretisches Wissen, sondern – vor allem in chirurgischen Fächern – auch die Möglichkeit, auf dem Spezialgebiet maximal praktisch ausgebildet zu werden. Er oder sie sollte lehren, forschen, wissenschaftliche Arbeiten verfassen und sich eventuell habilitieren. Der Anreiz für eine solche Karriere ist allerdings schwach, wenn spätestens nach der Habilitation der Vertrag mit der Universität ausläuft, da es wenige Möglichkeiten an der autonom geführten Universität gibt, Verträge älterer Mitarbeiter zu verlängern. Hier werden enorme geistige Ressourcen einer Universität verschwendet. Der fast ausschließliche Vorteil des raschen, wissenschaftlichen Einsatzes des Mediziners, der dann aber keine Vertragsverlängerung bekommt, besteht also darin, dass der frisch gebackene (Privat-)Dozent eine Ordination eröffnet und den Titel zusätzlich auf das Ordinationsschild schreiben kann.

Vor den Folgen des seit 2004 bestehenden neuen Dienstrechtes an den Uni- Kliniken hatte man bereits vor fünf Jahren gewarnt. Inzwischen haben sich die Befürchtungen mehr als bewahrheitet. Im Klinikbetrieb macht der ständige Personalwechsel, zu dem es wegen der befristeten Dienstverträge kommt, das Arbeiten in der Forschung, aber auch in der Patientenversorgung schwierig. Immer mehr hochbegabte österreichische Ärztinnen und Ärzte sind ins Ausland abgewandert oder suchen das Weite, indem sie sich rechtzeitig einen Platz in einem anderen Spital im Ausland sichern oder den weißen Kittel schon vorzeitig abgeben, weil sie in der Unternehmensberatung, Pharmabranche, Medizintechnologie oder in den Medien ihre Zukunft suchen.

Schlecht ausgebildete Ärzte sind für das Gesundheitssystem teuer. Eine Gesundheitsreform wird ohne Ausbildungsreform nicht auskommen. 


*) Univ. Prof. Dr. Hildegunde Piza ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von IMABE – Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2010