Kommentar – Vize-Präs. Günther Wawrowsky: Kollektivvertrag für Lehrpraxen

25.03.2010 | Politik


Oder: Was ist uns die Arbeit eines Arztes Wert?

Ich halte die Lehrpraxis für einen ausgezeichneten und notwendigen Teil der postpromotionellen ärztlichen Ausbildung. Schon seit Jahren biete ich jungen Kollegen in meiner Ordination die Möglichkeit, in einer Lehrpraxis tätig zu sein und habe mich bisher immer an die von der ÖÄK empfohlenen Honorierungen gehalten ohne auch nur einen einzigen Euro an Förderung erhalten zu haben.

Als sich nun die Repräsentanten der angestellten Ärzte – als standespolitische Vertreter der Turnusärzte und damit der Lehrpraktikanten – an mich und damit an die Kurie der niedergelassenen Ärzte mit der Forderung nach einem Kollektivvertrag für die Lehrpraxis gewandt haben, geschah das vor allem als Reaktion auf unhaltbare Zustände. So mussten die jungen Kolleginnen und Kollegen teilweise unterbezahlt, manche sogar ganz ohne Honorierung in manchen unserer Ordinationen arbeiten.

Jeder von uns niedergelassenen Ärzten braucht, wenn er qualitativ hochwertig arbeiten will, Hilfe in seiner Ordination: Sei es jetzt durch diplomiertes Krankenpflegepersonal, durch medizinische technische Assistenz oder andere Ordinationshilfen. Bei allen erfolgt die Honorierung auf der Basis von Kollektivverträgen. Diese sehen mittlerweile österreichweit ein Mindestgehalt von 1.000.- Euro für 40 Wochenstunden vor. Das zählt zu gesellschaftlichen Errungenschaften und ist Konsens in unserem so reichen Sozialstaat.

Daher war für mich als Vertreter der niedergelassen Ärzte als Lehrpraxisinhaber in einstimmiger Geschlossenheit mit allen Angehörigen unserer Kurie klar, dass wir unsere jungen akademischen Kollegen nicht schlechter stellen können, wollen und dürfen.

Wenn es darüber hinaus noch zur längst überfälligen Anpassung der Ausbildung der Allgemeinmediziner auf Facharztniveau kommen sollte, muss man zumindest ein Jahr verpflichtend in einer Lehrpraxis absolvieren. Spätestens hier endet aber jede Freiwilligkeit unserer jungen Kollegen. Es ist aber Pflicht, diese Mediziner in Ausbildung auch adäquat zu honorieren. Wie sollen sie sonst sich und vielleicht auch noch ihre Familien in diesen zwölf Monaten ernähren?

Leider schien diese Verantwortung für eine entsprechende Bezahlung nicht jedem von uns bewusst gewesen zu sein. Die einzig mögliche rechtliche Form einer verpflichtender Gehaltszahlung ist in Österreich die Schaffung eines Kollektivvertrages, wie es ihn für unsere Ordinationshilfen schon lange gibt.

Die moralische Autorität einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie ihre Jüngsten und Schwächsten behandelt. Diese Verantwortung trifft alle, die Spitzen des Staates bis hin zum einfachen Bürger, also auch uns Ärztinnen und Ärzte. Denn für mich ist auch klar: Soll die Lehrpraxis essentieller Teil der ärztlichen Ausbildung sein, kann die finanzielle Last nicht auf die Lehrpraxisinhaber abgewälzt werden. Will ein Staat optimal ausgebildete Ärzte haben, dann liegt es auch in der Verantwortung dieses Staates, diese Ausbildung zu ermöglichen und die dafür erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Sonst – darin bin ich, sind die Mitglieder der Kurie Niedergelassene mit den Kritikern des Kollektivvertrages einer Meinung – stirbt die Lehrpraxis. 

*) Dr. Günther Wawrowsky ist Kurienobmann der Niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2010