Kärnt­ner Spi­tä­ler: Unru­he­herd KABEG

10.10.2010 | Politik

Die Unsi­cher­heit im Kärnt­ner Gesund­heits­we­sen ist zum Grei­fen. Grund ist die neue gesetz­li­che Grund­lage für die Kärnt­ner-Kran­ken­an­stal­ten-Betriebs­ge­sell­schaft (KABEG), die vor allem in den Spi­tä­lern für Unruhe sorgt.
Von Kurt Markaritzer

„Die Stim­mung bei den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ist mehr als ange­spannt“, sagt Boris Fug­ger, Obmann der Kurie ange­stellte Ärzte in der Kärnt­ner Ärz­te­kam­mer. „Schließ­lich weiß man der­zeit nicht, in wel­che Rich­tung die Ent­wick­lung gehen wird und es lässt sich auch noch nicht sagen, in wel­cher per­so­nel­len Zusam­men­set­zung das neue Kon­zept umge­setzt wer­den soll. Davon wird aber natur­ge­mäß viel abhän­gen.“ Sicher ist, dass das neue KABEG-Gesetz, das gegen den Wil­len des Gesund­heits­re­fe­ren­ten Lan­des­rat Peter Kai­ser im Land­tag beschlos­sen wurde, grund­le­gende Neue­run­gen mög­lich macht, deren prak­ti­sche Aus­wir­kun­gen noch nicht abzu­schät­zen sind.

Die Betriebs­ge­sell­schaft, genauer gesagt, ihre Vor­stands­di­rek­to­rin Ines Man­egold, erhält mehr und direk­ten Ein­fluss auf die fünf Lan­des­spi­tä­ler, und damit auch die Per­so­nal­ho­heit über 7.500 Mit­ar­bei­ter. Ihr zur Seite steht ein Gre­mium von Fach­leu­ten, das an die Stelle des bis­he­ri­gen, poli­tisch besetz­ten Auf­sichts­ra­tes tritt. Wer die­sem Gre­mium ange­hö­ren wird, ist noch nicht ent­schie­den. In den fünf Kärnt­ner Lan­des­spi­tä­lern wird künf­tig jeweils ein Betriebs­di­rek­tor an der Spitze ste­hen, der aller­dings gegen­über der KABEG wei­sungs­ge­bun­den ist. Fug­ger dazu: „Das bedeu­tet natür­lich, dass die ein­zel­nen Kran­ken­häu­ser an Auto­no­mie ver­lie­ren. Und es ist das Ende der bis­he­ri­gen kol­le­gia­len Füh­rung in den Spi­tä­lern, wo der ärzt­li­che Lei­ter und der Pfle­ge­di­rek­tor gleich­be­rech­tigt in die Füh­rung ein­ge­bun­den waren. Jetzt droht das Dik­tat der Öko­no­men.“

An die­ser Stra­te­gie übte der Kärnt­ner Ärz­te­kam­mer­prä­si­dent Oth­mar Haas von Anfang an hef­tige Kri­tik: „Es darf nicht dazu kom­men, dass die zukünf­ti­gen Betriebs­di­rek­to­ren in den Spi­tä­lern in die ärzt­li­che Ent­schei­dungs­frei­heit der Pri­mar­ärzte ein­grei­fen dür­fen. Die Geset­zes­än­de­rung darf nicht zu einer ver­steck­ten Ratio­nie­rung von medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen füh­ren.“

Das Dik­tat der lee­ren Kas­sen könnte auch noch andere uner­wünschte Kon­se­quen­zen haben. Immer­hin hat KABEG-Vor­stands­di­rek­to­rin Man­egold im Som­mer den Schul­den­stand des Unter­neh­mens mit 1,8 Mil­li­ar­den Euro bezif­fert. Das neue Kon­zept soll – zumin­dest den Inten­tio­nen nach – wesent­li­che Ein­spa­run­gen brin­gen. Dabei sol­len zwar alle fünf Lan­des­spi­tä­ler erhal­ten blei­ben; es gibt aber keine Garan­tie dafür, dass auch alle Abtei­lun­gen in den Häu­sern bestehen blei­ben. Für Boris Fug­ger ist das eine latente Bedro­hung der Kol­le­gen­schaft: „Nach dem Gesetz sind Ver­set­zun­gen jeder­zeit mög­lich, Spi­tals­ärzte müs­sen damit rech­nen, dass sie kurz­fris­tig an ande­ren Stand­or­ten ein­ge­setzt wer­den, ohne dass auf ihre per­sön­li­che Situa­tion Rück­sicht genom­men wird. So kann und soll man mit Men­schen nicht umge­hen!“

Sorge um Arbeitsplatz

In Zei­ten der Unsi­cher­heit haben natur­ge­mäß auch Gerüch­te­kö­che immer wie­der Hoch­sai­son. So hält sich hart­nä­ckig die Fama von einer angeb­li­chen Stu­die, wonach am Lan­des­kran­ken­haus Kla­gen­furt 264 Diplom­kran­ken­schwes­tern bezie­hungs­weise Diplom­kran­ken­pfle­ger zu viel beschäf­tigt seien, die abge­baut wer­den müss­ten. Zwar wurde das Gerücht umge­hend demen­tiert – bei den Spi­tals­be­diens­te­ten sind den­noch nicht alle Zwei­fel aus­ge­räumt, viele sor­gen sich um ihren Arbeitsplatz.

Wobei zahl­rei­che Ärzte gar nicht abwar­ten wol­len, ob und wel­che Ent­schei­dun­gen allen­falls über ihre Köpfe hin­weg getrof­fen wer­den. Fug­ger: „Es ist nach wie vor so, dass viele das Kran­ken­haus ver­las­sen und nie­der­ge­las­sene Fach­ärzte zum Teil ohne Kas­sen­ver­trag wer­den. Sie neh­men lie­ber das Risiko der Selbst­stän­dig­keit auf sich als in ein Sys­tem ein­ge­bun­den zu sein, in dem der Mensch weni­ger zählt als irgend­wel­che Bud­get­zah­len.“

Dazu kommt, dass sich einige gut gemeinte Orga­ni­sa­ti­ons­re­for­men in der Pra­xis nicht bewährt haben. Das gilt vor allem für die Doku­men­ta­tion im LKH Kla­gen­furt, die auf papier­los umge­stellt wurde. Fug­ger: „Theo­re­tisch ist das viel­leicht ver­nünf­tig, in der Pra­xis aber kommt es jetzt zu immer wie­der zu lan­gen War­te­zei­ten, weil die Com­pu­ter über­las­tet sind. Der Auf­wand für die Doku­men­ta­tio­nen, der bis­her schon zu groß war, wächst wei­ter – und diese Zeit fehlt für die Zuwen­dung zum Pati­en­ten.“

Die Spi­tals­ärzte in Kärn­ten wer­den jeden­falls Gele­gen­heit erhal­ten, ihre Ansicht zur Situa­tion kund zu tun. Fug­ger: „Wir haben im heu­ri­gen Früh­jahr eine IFES-Umfrage unter den Ärz­ten des LKH Kla­gen­furt durch­ge­führt, bei der die Zustände und Arbeits­be­din­gun­gen über­wie­gend nega­tiv dar­ge­stellt wur­den. Wir wer­den diese Umfrage im Herbst oder spä­tes­tens im kom­men­den Früh­jahr wie­der­ho­len. Dann wird sich zei­gen, ob sich an den Zustän­den etwas geän­dert hat. Mein Opti­mis­mus hält sich in die­ser Hin­sicht aller­dings in engen Gren­zen!“

Kabeg: Nur zehn Tage Diskussion

Knapp zehn Tage dau­erte die öffent­li­che Dis­kus­sion um das neue Gesetz für die Kärnt­ner Kran­ken­an­stal­ten-Betriebs­ge­sell­schaft (Kabeg), nach­dem der Geset­zes­vor­schlag per Initia­tiv­an­trag ein­ge­bracht wor­den war. Dann beschloss die Koali­tion aus FPK und ÖVP am 8. Juli das Gesetz, das die Schaf­fung einer ein­zi­gen Kran­ken­an­stal­ten-Hol­ding statt wie bis­her sechs unab­hän­gige Rechts­trä­ger an den unter­schied­li­chen Stand­or­ten mit sich bringt. Der Auf­sichts­rat, der bis­her ent­spre­chend der Macht­ver­hält­nisse in der Kärnt­ner Lan­des­re­gie­rung besetzt wor­den war, wird von einer Exper­ten­kom­mis­sion ersetzt, deren Mit­glie­der von der Regie­rung bestellt wer­den.

Das umstrit­tene Gesetz soll nach dem Wil­len der Initia­to­ren ein „Eigen­le­ben“ ein­zel­ner Lan­des­spi­tä­ler been­den und die Aus­las­tung der bestehen­den Res­sour­cen durch eine zen­trale Pla­nung medi­zi­ni­scher Leis­tun­gen ermög­li­chen.

In der Pra­xis dürfte das Gesetz auf eine Kon­zen­tra­tion von medi­zi­ni­schen Ange­bo­ten in Kla­gen­furt und Vil­lach hin­aus­lau­fen. Nach den bis­her bekann­ten Plä­nen soll in Zukunft Mamma­chir­ur­gie nur noch in die­sen bei­den Städ­ten statt­fin­den. Die EUSOMA-Gesamt­erfor­der­nisse – 100 Ein­griffe pro Zen­trum und 30 Erst­ein­griffe bei CA/​Operateur pro Jahr – erfüllt der­zeit nur das LKH Kla­gen­furt. Aus­rei­chende Fall­zah­len wei­sen Kla­gen­furt, Vil­lach und St. Veit vor. Wenn die­ses Pro­jekt umge­setzt wird, wird es zukünf­tig im Eli­sa­be­thi­nen­spi­tal in Kla­gen­furt, in Frie­sach, Spit­tal und Wolfs­berg keine Ange­bote mehr geben.

Früh­ge­bur­ten mit weni­ger als 1.000 Gramm wären Kla­gen­furt vor­be­hal­ten, weil nur hier und in Vil­lach, dem zwei­ten vor­ge­se­he­nen peri­na­to­lo­gi­schen Schwer­punkt­kran­ken­haus, qua­li­fi­zierte Ultra­schall­dia­gnos­tik vor­han­den ist.

Gynä­ko­lo­gi­sche Onko­lo­gie würde nur in Vil­lach und Kla­gen­furt betrie­ben wer­den, das Implan­tie­ren von Herz­schritt­ma­chern und von Aor­ten­stents sollte der Lan­des­haupt­stadt vor­be­hal­ten sein. Die Abdo­mi­nal­chir­ur­gie sollte von Wolfs­berg nach Kla­gen­furt kom­men und in Frie­sach, bei den Eli­sa­be­thi­nen und in Spit­tal wegen zu gerin­ger Fall­zah­len nicht mehr vor­ge­nom­men wer­den. Die Min­dest­fall­zah­len nach dem Öster­rei­chi­schen Struk­tur­plan Gesund­heit für Ösophagus‑, Magen- und Pan­kre­as­re­sek­tion wür­den der­zeit nur in St. Veit und Wolfs­berg erreicht.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2010