„Patienten müssen Vorrang haben vor Bürokratie“: Interview – Landeshauptmann Josef Pühringer

10.02.2010 | Politik


„Patienten müssen Vorrang haben vor Bürokratie“

Das sagt der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, der nach der Wahl im Oktober 2009 das Gesundheitsressort mit-übernommen hat. Mit Ruth Mayrhofer spricht er über seine Pläne, Ziele, und darüber, welche Akzente in Sachen Gesundheit er in den kommenden Jahren setzen will.

ÖÄZ: Nach den Wahlen in Oberösterreich haben Sie auch das Gesundheitsressort übernommen und es dadurch sehr deutlich zur „Chefsache“ erklärt. Warum dieser Schritt?
Pühringer: Der Bereich Gesundheit ist ein großes Zukunftsthema. Besonders im Hinblick auf die immer älter werdende Gesellschaft sehe ich diesen Bereich als eine enorme Herausforderung, die großer Sensibilität, aber auch einer richtigen Weichenstellung bedarf. Drei Ziele stehen dabei für mich im Mittelpunkt. Erstens muss in Oberösterreich auch weiterhin eine ausgewogene flächendeckende Gesundheitsversorgung, die mit dem medizinischen Fortschritt Schritt hält, sichergestellt werden. Diese beiden Komponenten müssen aber auch – und das ist das dritte Ziel – für die öffentliche Hand finanzierbar bleiben. Als Finanzreferent des Landes Oberösterreich stelle ich mich dieser Herausforderung.

Welche Prioritäten werden Sie in Sachen Gesundheit in Oberösterreich setzen oder anders gefragt: An welchen Defiziten werden Sie ganz besonders arbeiten?

Die große Herausforderung der Gesundheitspolitik liegt sowohl in der Spitalsfinanzierung als auch in der Weiterentwicklung und Zusammenführung des intramuralen mit dem niedergelassen Bereich. Hier brauchen wir Lösungen. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit wird in der Vorsorgemedizin liegen. Der Großteil der finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen nimmt derzeit der heilende Bereich ein, nur 20 Prozent gehen in die Gesundheitsvorsorge beziehungsweise Gesundheitsförderung. Wenn man aber bedenkt, dass der Gesundheitszustand des Menschen zu rund 60 Prozent vom sozialen Umfeld, vom Arbeitsplatz, von der Ernährung und vom allgemeinen Lebensstil abhängt, dann sieht man, dass es hier Umstrukturierungspotential gibt. Zudem sehe ich in der Vorsorgeinformation noch großes Potential. Aufgrund der auf uns zukommenden demographischen Entwicklung wird die altersmedizinische Versorgung eine zentrale Stellung einnehmen. Zudem zählt die Palliativmedizin zu meinen Herzensanliegen. Ein weiterer Schwerpunkt meiner gesundheitspolitischen Arbeit wird die medizinische Aus- und Weiterbildung einnehmen. Oberösterreich setzt hier mit der Fachhochschule für Gesundheitsberufe ab dem nächsten Jahr einen Meilenstein um.

Nach wie vor gibt es keine klare Entscheidung für oder gegen eine Medizinische Universität in Linz. Was tun Sie, um dieses ja von Ihnen explizit erwünschte Projekt Wirklichkeit werden zu lassen?

Die Fakten sprechen klar für eine Medizin-Universität in Oberösterreich: Wir haben viele ausgezeichnete Medizin-Professoren und gut ausgerüstete Spitäler. Das heißt, personell als auch infrastrukturell bieten wir beste Voraussetzungen für eine Medizin-Uni, um den prognostizierten Mehrbedarf an Ärztinnen und Ärzten, der an den bereits bestehenden Universitäten in Österreich nicht mehr abgedeckt werden kann, auch entgegenwirken zu können. Wir haben daher bereits im April 2009 gemeinsam mit der Stadt Linz sowohl ein breites Proponenten-Komitée als auch eine Initiativplattform auf die Beine gestellt, die das Projekt überparteilich forciert.

Auch Oberösterreich steuert in den nächsten Jahren auf einen Ärztemangel speziell im niedergelassenen Bereich zu. Welche Strategien haben Sie dagegen?
Wir brauchen zukünftig mehr Ärzte, das steht fest. Wissenschaftliche, voneinander unabhängige Studien attestieren insbesondere dem Raum Oberösterreich in den kommenden Jahren einen Medizinermangel. Mit der Errichtung einer Medizinischen Universität in Oberösterreich, die unser oberstes politisches Ziel ist, kann dieser Entwicklung entgegengearbeitet werden. Zudem soll aber auch eine bessere Vernetzung des niedergelassenen Bereichs mit dem spitalsambulanten Bereich langfristige Lösungen bieten.

Sie haben bei einer Veranstaltung der Interessensgemeinschaft der Geistlichen Ordenshäuser gesagt, dass die Zukunft der Spitäler in Oberösterreich nicht in Schließungen, sondern in Kooperationen liegen wird. Wie stellen Sie sich das konkret vor?
Vorab: Die Gesundheitsversorgung muss immer auf der Höhe der Zeit sein. Das heißt, dass sie sich auch mit der Gesellschaft mit entwickeln muss und es daher immer wieder Veränderungen bedarf. Ich sehe in sinnvollen Kooperationen, wie sie in Oberösterreich zum Beispiel in den Krankenhäusern Steyr und Enns als auch im Krankenhaus Grieskirchen und im Klinikum Wels gelebt werden, gute Synergien. Hier arbeitet ein Unternehmen mit einer einheitlichen Leitung und Verantwortung an zwei Standorten. Durch diese Zusammenarbeit ergibt sich nicht nur ein jährliches Kostendämpfungspotential in Millionenhöhe, sondern auch eine krankenhausübergreifende Optimierung der Ressourcen. Die 24-Stunden Erst- und Grundversorgung wird den Patienten wohnortnah und in hoher Qualität angeboten. Stärken, wie das medizinische Know-how, werden gebündelt.

Der tragische Fall, dass 2008 eine Frau bei der Geburt ihres Kindes im Krankenhaus Gmunden verblutet ist, wäre – so sagen Experten – durch eine administrative Entlastung der Spitalsärzte, wie zum Beispiel in Skandinavien üblich, vermeidbar gewesen. Am 1. November 2009 stellen Sie dazu in der oberösterreichischen „Rundschau am Sonntag“ fest, dass Sie sich „ansehen werden, wie man Ärzte von Bürotätigkeiten entlasten kann“. Gibt es dazu schon klare Pläne?
Die Patienten müssen Vorrang haben vor der Bürokratie. Dokumentation ist fraglos notwendig, jedoch muss dies nach dem Motto geschehen: soviel Dokumentation wie sinnvoll, nicht so viel wie irgendwie möglich. Die primäre Aufgabe des Krankenhauspersonals ist es, zu heilen, zu betreuen und zu pflegen. Ich verstehe die Ängste der Ärzte, dass sie durch überzogene Dokumentationspflichten zu viel Zeit für Administration und zu wenig für die Patienten aufbringen können. Das Land Oberösterreich hat deshalb unter Einbindung der Ärztekammer für Oberösterreich gemeinsam mit den Krankenanstaltenträgern eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Richtlinien und Standards für eine zeitgemäße und praxisorientierte Dokumentation entwickeln soll.

Zum Abschluss eine private Frage: Auf Ihrer Website ist zu lesen, dass Antoine de Saint-Exupéry Ihr Lieblingsschriftsteller ist. Welches Zitat aus seinen Werken kommt Ihrer Lebens- und Berufseinstellung am nächsten?
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.


Steckbrief Josef Pühringer

• Geboren am 30.10.1949 in Traun/Oberösterreich
Verheiratet, drei Kinder
• Ab 1970: Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität Linz
• 1970-1976: Während des Studiums Religionslehrer
• 1976: Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften
• 1976: Eintritt als Beamter in die Kulturabteilung beim Amt der oberösterreichischen Landesregierung
• Seit 1973 in der Kommunalpolitik in Traun tätig.
• 1974-1983: Landesobmann der JVP Oberösterreich
• 1984-1995: ÖVP-Bezirksparteiobmann, Linz-Land
• 1979-1987: Landtagsabgeordneter
• 1987-1995: Landesrat
• Seit 1995: Landesparteiobmann der ÖVP Oberösterreich
• Seit 2.3.1995: Landeshauptmann von Oberösterreich
• Seit 23.10.2009 als Landeshauptmann ebenso zuständig für das Finanz- und Gesundheitsressort der oberösterreichischen Landesregierung

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2010