Interview – Vize-Präs. Günther Wawrowsky: Konstruktion statt Destruktion

15.07.2010 | Politik



Das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, ist das Credo des Kurienobmanns der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Günther Wawrowsky, wie er im Gespräch mit der ÖÄZ erklärt.


ÖÄZ: Die rasche Beendigung des vertragsfreien Zustandes mit der SVA hat einige Kritik hervorgerufen. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Wawrowsky: Ich glaube, wenn man ein vierjähriges Moratorium mit der SVA beendet und für die Kollegen in Summe eine vierprozentige Honorarerhöhung ausverhandelt, kann man zu Recht von einem Erfolg sprechen. Darüber hinaus ist all das, was wir zusätzlich vereinbart haben wie etwa die Aufwertung der Gesprächsmedizin oder auch das Anreizsystem für die Präventivmedizin zukunftsweisend. Wie das alles im Detail aussehen wird, werden die Gespräche in den nächsten Wochen zeigen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dadurch insgesamt eine entscheidende Verbesserung für die Versorgung unserer Patienten erzielt haben.

Besonders heftige Kritik kam ja aus Niederösterreich.
Das ist richtig. Beleidigende Presseaussendungen und einseitige, tendenziöse Informationen der Ärztinnen und Ärzte, wie ich es gerade am Beispiel der SVA-Verhandlungen erleben musste, bewirken eine Verunsicherung der Kollegen, die unbegründet und noch dazu gar nicht notwendig ist. Ebenso wie bei anderen Projekten in Niederösterreich gab es auch in diesem Fall keine klärenden Vorgespräche. Offensichtlich ist es hier das Ziel, anders Denkende mit allen Mitteln herab zu würdigen, ohne selbst bei Verhandlungen aktiv mitgewirkt zu haben. Jedes Mittel scheint dafür recht zu sein. In Niederösterreich herrscht noch immer oder vielleicht schon wieder Wahlkampf. Aber: bis zur nächsten Wahl sind es noch zwei Jahre!

Aber die standespolitische Auseinandersetzung ist doch üblich.
Die Frage ist nur, wie man diese Auseinandersetzung führt und ob eine sachliche Diskussion auch möglich ist. Ich denke, jeder Arzt, der aufmerksam die Entwicklungen in Niederösterreich verfolgt hat, merkt, welcher Wandel sich hier vollzogen hat: Hier hat es in den letzten drei Jahren einen Schwenk in der Standespolitik gegeben. War früher noch die Vielfalt der Meinungen gegeben, so ist es heute nur noch die Meinung der Kammerspitze, die zählt. Das zeigt sich etwa ganz besonders am Consilium, den Mitteilungen der Ärztekammer für Niederösterreich. Hier wird die Standespolitik im Gegensatz zu früher ja nur noch einseitig wiedergegeben.

Worin liegt die Ursache für diese Entwicklung?

Das Verhältnis des niederösterreichischen Präsidenten zur Vertretung der niedergelassenen Ärzte in Niederösterreich hat sich in den letzten Jahren eklatant verschlechtert. Es liegt aber sicherlich nicht nur an den handelnden Personen, dass die Standesvertretung in Niederösterreich so zerrissen ist. Es sind auch die Inhalte.

Was meinen Sie konkret?
Das System der kassenärztlichen Versorgung soll aufgelöst werden. Der Präsident der niederösterreichischen Ärztekammer, der ja bekanntlich Wahlarzt ist, will offensichtlich, dass es flächendeckend nur mehr ein Wahlarztsystem gibt. Ich hingegen bin ein Anhänger der medizinischen Versorgung auf der Basis unseres bewährten Sozialversicherungssystems. Sicherlich sind auch in diesem System Verbesserungen immer möglich. Das Kennzeichen der Standespolitik, wie sie derzeit von der niederösterreichischen Kammerspitze praktiziert wird, ist die Konfrontation mit allen, mit der Politik, mit den Krankenkassen, aber auch mit den politisch anders Denkenden innerhalb der Ärzteschaft. Das ist nicht mein Stil. Ich bin ein Mensch, der nach dem Konsens strebt, der ein ausgewogenes Verhältnis zur Politik sucht, eine solide Vertragspartnerschaft mit den Krankenkassen anstrebt und eine geeinte Ärzteschaft will.

Wie ist das Verhältnis der niederösterreichischen Ärztekammer zur ÖÄK und den anderen Landes-Ärztekammern?
Ich denke, wenn sich hier die niederösterreichische Standesvertretung in Isolation begibt – sowohl gegenüber den anderen Ärzten und der Ärztevertretung in ganz Österreich, darüber hinaus noch in Isolation zur Landespolitik, Bundespolitik und auch noch gegenüber den Krankenkassen – dann kann das im Letzten nur zum Nachteil für unsere Patienten sein. Dass es für uns Ärzte insgesamt auch nicht förderlich ist, muss ich wohl nicht extra betonen. Ich werde sicherlich alles dazu beitragen, dass die niederösterreichischen Ärztinnen und Ärzte weiterhin als Gesprächspartner akzeptiert und respektiert werden. Ich sehe die Ärzteschaft als unabdingbaren, zentralen Teil der medizinischen Versorgung dieses Landes, aber damit ist sie auch verantwortlich dafür, dass die gut funktionierenden Versorgungsstrukturen erhalten bleiben. Dafür ist konstruktives Miteinander und nicht destruktives Gegeneinander erforderlich.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2010