Interview – Ministerin Beatrix Karl: Kampf „um jeden Cent“ für die Medizin-Unis!

25.06.2010 | Politik

Optimistisch, dass die Quotenregelung beim Medizinstudium auch europarechtlich hält, zeigt sich Wissenschaftsministerin Beatrix Karl im Gespräch mit Ruth Mayrhofer. Weitere Themen: die klinische Forschung, die noch immer ausständige Harmonisierung der Curricula sowie die Reform der Ärzte-Ausbildung.

ÖÄZ: Bei Ihrer Antrittsrede im Parlament haben Sie gesagt, dass „Wissenschaft und Forschung unsere beste Zukunftsinvestition“ sind. Kann man das nicht nur als Ihr persönliches Credo, sondern auch als Ihr politisches Grundsatzprogramm verstehen?
Karl: Absolut! Denn: Wissenschaft und Forschung sind wichtige Innovationsmotoren und die Jobs der Zukunft entstehen dort, wo Wissen ist. Kurz: Wissen schafft Arbeit und bringt Wohlstand. Und wir dürfen auch nicht vergessen: Österreich hat keine Rohstoffe wie etwa Erdöl – unser Rohstoff sind die klugen Köpfe dieses Landes, die wir entsprechend fördern und fordern müssen.

Sie haben noch vor Ihrer Bestellung zur Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung gemeint, dass „der Ansturm auf österreichische Hochschulen insbesondere durch Studierende aus Deutschland durch eine EU-Regelung gebremst“ werden müsse. Welche Entwicklungen sind dazu im Gange?

Wir haben mit dem so genannten „Notfallparagraphen“ in der Novelle zum Universitätsgesetz ein Instrument in der Hand, das im Herbst bei der Publizistik nun erstmals eingesetzt wird. Das heißt, es wird an den Unis Wien, Salzburg und Klagenfurt in Publizistik Aufnahmeverfahren geben. Allerdings haben wir gesehen, dass dieser Notfallparagraph nur bedingt praxistauglich ist. Ich habe mich mit Unterrichtsministerin Schmied daher darauf geeinigt, eine Studieneingangsphase Neu auszuarbeiten. Darüber hinaus halte ich es für sehr wichtig, das Thema Hochschulzugang auch auf europäischer Ebene intensiv zu diskutieren. Dazu habe ich nach Gesprächen mit EU-Kommissarin Vassiliou auch bereits mit meinem belgischen Amtskollegen Kontakt aufgenommen, um die im Juli beginnende belgische EU-Ratspräsidentschaft für intensive Diskussionen zu nutzen.

Beim Medizinstudium steht die Quotenregelung immer wieder im Zeichen der Kritik. Diese läuft 2013 aus; Sie haben für eine Verlängerung des Moratoriums bis 2017 votiert. Welche Argumente werden Sie dafür ins Treffen führen?
Das Moratorium für die Human- und Zahnmedizin gilt bis einschließlich 2012. Da der Beobachtungszeitraum allerdings nur auf fünf Jahre ausgelegt ist, ein Medizinstudium aber mindestens sechs Jahre dauert, habe ich für eine fünfjährige Verlängerung plädiert. Damit können wir das Verhalten der Studierenden von Studienbeginn bis Studienabschluss besser verfolgen und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen. Schließlich geht es ja um die Beurteilung, ob die deutschen Studierenden nach Abschluss auch in Österreich als Ärzte tätig sind oder ins Ausland gehen. Nach dem Urteil im Fall Bressol könnte es nun aber generell sein, dass wir das Moratorium nicht mehr benötigen, da die Quotenregelung an sich nach Bressol bei entsprechender Datenlieferung europarechtlich halten dürfte. Ich habe mit der EU-Kommission vereinbart, dass wir bis 2012 weiterhin regelmäßig unsere Daten vorlegen und bin optimistisch, dass wir zu einer guten Lösung kommen.

Sie haben bei Ihrer Antrittsrede im Parlament erläutert, dass sich „Studiengebühren bewährt“ hätten, wüssten jedoch, dass solche politisch derzeit nicht umsetzbar wären. Welche Qualitätsverbesserungen ließen sich Ihrer Meinung nach durch Studiengebühren in welcher Höhe erreichen?

Ich stehe dazu, dass ich Studienbeiträge gekoppelt an einen Ausbau der Stipendien für sinnvoll halte. Wir haben zum Beispiel gesehen, dass sich die Studienbeiträge positiv auf die Studiendauer, die Abschlussrate und die Drop-out Quote ausgewirkt haben. Im Übrigen empfiehlt auch die OECD Studienbeiträge und sie sind in zahlreichen Ländern üblich. Allerdings: Der Koalitionspartner SPÖ ist derzeit nicht bereit dazu, daher ist eine Einführung derzeit auch kein Thema.

Sie haben sich für eine Förderung der Medizinischen Forschung an den Universitätskliniken ausgesprochen. Welche Schritte sind gerade im Laufen, um diesem Ziel zumindest näher zu kommen als bisher?
Im Zuge der Ökologisierung des Steuersystems hat mir Finanzminister Josef Pröll 100 Millionen Euro für Wissenschaft und Forschung in Aussicht gestellt. Einen Teil davon möchte ich in die medizinische Forschung investieren. Weiters möchte ich die klinische Forschung als wichtigen Teil der medizinischen Forschung stärken. Dazu soll es gemeinsam mit dem Wissenschaftsfonds FWF und in enger Abstimmung mit den drei Medizinischen Universitäten ein Pilotprogramm geben.

Wie soll die Finanzierung der Medizinischen Universitäten in den kommenden Jahren gesichert werden?
Die Finanzierung der Medizinischen Universitäten ist – wie auch die Finanzierung der anderen Universitäten – bis 2012 über die Leistungsvereinbarungen geregelt. Daran wird sich nichts ändern; das Budget für die Universitäten ist also gesichert. Im Herbst stehen dann die Budgetverhandlungen an, dabei geht es auch um das Uni-Budget ab 2013. Und Sie können sich sicher sein: Ich werde um jeden Cent für die Unis kämpfen!

Die Curricula der medizinischen Universitäten in Wien, Innsbruck und Graz sind derzeit noch immer unterschiedlich. Wann werden diese harmonisiert werden?

Die Harmonisierung der Curricula ist mir ein großes Anliegen und ich werde diesbezüglich Gespräche mit den Rektoren führen. Im Vordergrund stehen derzeit aber die Weiterentwicklung des EMS-Tests beziehungsweise des Aufnahmeverfahrens für das Medizinstudium sowie auch die Überarbeitung hinsichtlich Einführung des klinisch praktischen Jahres im Medizinstudium.

Wie stehen Sie zur Errichtung einer Medizinischen Universität in Linz? Bisher gab es ja allein vom Bund keinerlei Unterstützung dafür.

In erster Linie geht es darum, den Ärztebedarf zu erheben. Denn die Grundlage für eine neue Medizin-Uni wäre ja ein entsprechender Bedarf an Ärztinnen und Ärzten. Gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und der Ärztekammer haben wir daher eine Ärztebedarfsstudie in Auftrag gegeben. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werde ich die entsprechenden Gespräche führen.

Zur angestrebten Reform der Ärzte-Ausbildung nach deutschem Vorbild (Turnusverkürzung durch Praxisjahr, Teilapprobation, Facharzt-Ausbildung für Allgemeinmediziner, etc.). Wie sehen die Pläne für eine Umsetzung dafür konkret aus?
Mir geht es in erster Linie darum, den Ärzteberuf wieder attraktiver zu machen. Dazu bin ich momentan in Gesprächen mit der Ärztekammer, den Rektoren der Medunis, Medizinern, etc. Ich möchte unter anderem die Ausbildungszeit verkürzen, wobei die Qualität der Ausbildung nicht darunter leiden darf. Derzeit müssen Turnusärzte oft diverse Hilfstätigkeiten und organisatorische Aufgaben übernehmen, eine fundierte Ausbildung bleibt dabei auf der Strecke. Auch bei Ärzten zeigt sich in einer IFES-Umfrage im Auftrag der Ärztekammer, dass sie durchschnittlich nur 63 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Betreuung der Patientinnen aufwenden können. Das kann nicht sein. Ich trete daher für eine Entlastung der Ärzte ein, etwa mit einem neuen Berufsbild: Ähnlich wie in Deutschland kann ich mir einen medizinischen Assistenten vorstellen, der Ärzte sowie Pflegepersonal von bürokratischen und organisatorischen Aufgaben entlastet. Ein weiteres Anliegen ist mir – ebenso wie Minister Stöger – die Aufwertung der Allgemeinmediziner.

Zur Person

Mag. Dr. Beatrix Karl

Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung

Geb. 1967 in Graz
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz
1991 Mag. iur., 1995 Dr. iur.;
Habilitation 2003 (Ao. Univ. Prof.)

1991 – 2001: Universitätsassistentin an der Karl-Franzens-Universität Graz
2001 – 2003: Assistenzprofessorin an der Karl-Franzens-Universität Graz
2005 – 2007: Mitglied des European Committee of Social Rights des Europarates
Mitglied des Hochschulrates der Pädagogischen Hochschule Steiermark

30.10. 2006 – 26.1.2010:
Abgeordnete zum Nationalrat (ÖVP)
2009: Generalsekretärin des ÖAAB
Seit 26.1.2010: Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2010