Interview – Dr. Othmar Haas: Unerwünschte Polarisierung

15.08.2010 | Politik

Die Polarisierung der Politik habe letztlich zum Scheitern der Koalition mit der Fraktion „Wahlärzte und Spitalsärzte Kärnten“ um Peter Wellik in der Kärntner Ärztekammer geführt. Wie es dazu gekommen ist, erklärt der Kärntner Ärztekammer-Präsident Othmar Haas im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.


ÖÄZ: Wieso haben Sie die Koalition mit den Wahlärzten in der Kärntner Ärztekammer beendet?

Haas: Ausschlaggebend war der Wohlfahrtsfonds. So wie viele andere Bundesländer haben auch wir in Kärnten demografische und ökonomische Herausforderungen zu bewältigen: zum einen hat es 2007 und 2008 schlechtere Erträge gegeben, und zum zweiten haben wir einstimmig unsere Rendite-Erwartungen von sechs auf vier Prozent revidiert. Somit ist Handlungsbedarf gegeben. Das unbedingte Ziel unseres Koalitionspartners, der Gruppe um Peter Wellik, war es, analog wie in Niederösterreich einen Pensionssicherungsbeitrag einzuführen. Aber nach Meinung von Fachexperten und auch nach der Meinung der breiten politischen Mehrheit – also auch der ehemaligen alten Opposition und auch der Zahnärzte – ist das nicht notwendig und wird auch aus rechtlichen Gründen als riskant erachtet. Das hat dazu geführt, dass in der vorletzten Vollversammlung in der Kärntner Ärztekammer die Vizepräsidentin, Frau Dr. Eveline Fasching, von den Wahlärzten Dringlichkeitspunkte auf die Tagesordnung gesetzt hat, die nicht abgesprochen waren.

Waren es dringliche Dinge?
Nein. Es ist wieder darum gegangen, einen Pensionssicherungsbeitrag vorzubereiten. Ein weiterer Punkt war die geplante Veröffentlichung eines politischen Interviews zum Pensionssystem von Wellik im redaktionellen Teil der Kärntner Ärztezeitung, in dem er eine andere Meinung als die mit breiter Mehrheit in der erweiterten Vollversammlung gefasst wurde, kundtun wollte. Das habe ich als Präsident abgelehnt und gleichzeitig angeboten, einen Leserbrief zu verfassen und diesen als persönliche Meinung zu kennzeichnen.

In einer Aussendung wirft Ihnen Wellik unter anderem Diskussionsverweigerung vor und dass es keine Meinungsvielfalt gibt.
Das ist seine Sicht der Dinge. Ich habe ihm schriftlich mitgeteilt, dass er seine Position als Leserbrief veröffentlichen kann, von dieser Vorgangsweise war im Übrigen das ganze Präsidium informiert. Er ist auf diesen Vorschlag nicht eingegangen und hat in einem fraktionellen Rundschreiben an alle Ärzte seine Meinung kund getan. In diesem Rundschreiben heißt es u.a., „welche Motive dieser Vorgangsweise zugrunde liegen und ob dies eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit darstellt, soll jeder für sich selbst beurteilen“. Indirekt wird mir vorgeworfen, dass ich die Meinungs- und Pressefreiheit beschneide und dies ist für mich nicht Stil einer Regierungspartei. Das kann die Opposition schreiben, aber nicht der Regierungspartner.

Hat es noch weitere Konfliktpunkte gegeben?
Es hat zum Schluss noch einige andere Kleinigkeiten gegeben. Zum einen wurde von der Wahlärztefraktion ebenso wie von Präsident Reisner in Niederösterreich der neue Vertrag mit der SVA abgelehnt. Das war aber nur noch das Tüpfelchen
auf dem „i“. Schon davor bei der Vollversammlung der ÖÄK im Dezember 2009 ist ja die Wahlärztefraktion zusammen mit den Funktionären der niederösterreichischen Ärztekammer aus der Sitzung ausgezogen. Und auch hier muss ich sagen: Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass man die Interessen von Kärnten vertritt, sondern die Interessen einer übergeordneten Gruppierung. Hier ist eine Polarisierung erfolgt, die wir nicht haben wollen. In Wirklichkeit wurde also von dieser Gruppierung zunehmend in der Regierung Oppositionspolitik betrieben. Ich habe schon längere Zeit den Eindruck gehabt, dass ich mit jemandem zusammenarbeite, der diese Zusammenarbeit gar nicht will. Und aus all den genannten Gründen habe ich im Vorstand gesagt: so geht es nicht weiter und im Mai die Zusammenarbeit beendet. Neuwahlen waren kein Thema. Also hat es nur zwei Möglichkeiten gegeben: das Spiel der freien Kräfte oder aber Koalition neu. Man hat sich auf eine Koalition neu geeinigt. Was uns dabei natürlich schon sehr gewundert hat, ist, dass sich ein anderes Bundesland, nämlich Niederösterreich, in die Vorgänge in Kärnten eingemischt hat via Presseaussendung und dergleichen. Das ist eine Polarisierung der Politik, bei der gewisse Grenzen des Tabus überschritten wurden. Das war für mich ein Vorgang, den es noch nie gegeben hat: dass sich ein Bundesland oder genauer gesagt der Präsident eines Bundeslandes dazu erdreistet, die Vorgänge in einem anderen Bundesland zu kommentieren und zu kritisieren.

Wie ist es nun tatsächlich um den Wohlfahrtsfonds bestellt?
Weil wir genau sehen, dass es Herausforderungen gibt, wenn man bis 2020 nichts macht, haben wir uns zu einem Weg der Konsolidierung entschlossen und das auch öffentlich thematisiert. Im Prinzip gibt es drei Optionen: Die eine ist: Nichts zu tun, die Pensionisten bekommen weiter die gleichen Erhöhungen wie in der Vergangenheit und die Aktiven zahlen mehr und mehr. Das würde uns in einigen Jahren in Schwierigkeiten bringen. Das ist der Status quo. Sonst gibt es im Prinzip zwei Lösungsmöglichkeiten: eine Mischung zu nehmen und zu sagen, die Pensionisten erhalten sehr bescheidene Erhöhungen und die Aktiven zahlen etwas mehr als die Inflation, das ist die von mir favorisierte Lösung und unser Weg. Was die anderen angedacht haben: Die Jungen zahlen gleich viel und die Pensionen werden gekürzt. Davor scheue ich zurück, weil ich einfach glaube, dass das rechtlich nicht hält und uns in Schwierigkeiten bringt. Und wir reden von Erhöhungen von maximal 15 Euro pro Monat und Kollege. Wenn man das ein Pyramidenspiel nennt und das kommt noch dazu vom Koalitionspartner, so ist das nicht tragbar.

Wie wird die Standespolitik mit der Koalition neu ablaufen?
Ich glaube, dass sich die Standespolitik im Wesentlichen nicht ändern wird, weil wir einen breiten Konsens haben. Wir haben gerade im Bereich der Spitäler riesige Probleme und wir werden uns bemühen, die Zusammenarbeit zu suchen; das Land hat einen großen Schuldenberg auch wegen der Probleme mit dem Klinikum Klagenfurt. Da ist es mir auch durchaus wichtig, dass bei den Funktionären in der Ärztekammer die Mannschaft im Spitalsbereich breiter aufgestellt ist als früher. In der Politik selbst wird sich nichts ändern. Wir werden versuchen, eine ausgewogene Interessensvertretung zu machen mit sozialer Kompetenz auch den Patienten gegenüber und selbstverständlich werden weiterhin die Interessen der Wahlärzte vertreten. Das wird von einem bewährten Team übernommen, das das schon vorher gemacht hat.

In Kärnten gibt es ja derzeit heftige Diskussion rund um das neue Gesetz für die Kärntner Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft (KABEG). Kritiker sprechen ja sogar von einem „Spitalsverschlechterungsgesetz“. Wie ist die aktuelle Situation?
Man kann das Gesetz positiv und negativ sehen. Natürlich ist es eine politische Umfärbung von rot zu blau-schwarz. Aus Sicht eines Unternehmens sind manche Punkte für mich nachvollziehbar, dass man einfach in der Zentrale mehr steuern möchte. Gewisse Bündelungen machen durchaus Sinn. Aber man muss es auch aus Sicht der Mitarbeiter sehen: Medizin ist keine Produktionsstätte, sondern sie lebt sehr viel vom individuellen Engagement, vom Können. Daher halte ich nicht viel davon, wenn man die ganze Sache per Gesetz verordnet, sondern man muss das Ganze durch Überzeugung machen. Aber es ist natürlich auch manches nicht richtig, dass es innerhalb der KABEG unterschiedliche Urlaubsregelungen oder auch unterschiedliche PR-Kampagnen gibt. Dass man manches zusammenführt, macht durchaus Sinn. Was uns gestört hat, war die Art und Weise, wie man es drübergezogen hat. Wenn man ein Gesetz mit derart weitreichenden Änderungen plant und man will es im Konsens machen, spricht nichts dagegen, sich an die demokratischen Usancen zu halten, die Beteiligten einzubinden und den Entwurf zum Beispiel auch an die Ärztekammer zu schicken. Das ist alles nicht geschehen. Und in einer retrospektiven Analyse, die wir gerade vornehmen, fällt uns auf, dass es einige Ungereimtheiten gibt, die durch die Eile bei der Gesetzeswerdung gar nicht aufgefallen sind.

Was wird die Ärztekammer Kärnten unternehmen?
Wir schauen uns das an und werden eine Stellungnahme abgeben. Wir werden selbstverständlich kritisch darauf reagieren, wenn wir den Eindruck haben, dass nur noch Ökonomen und Betriebswirte und Manager zu den Experten im Gesundheitswesen gehören und man die Ärzte als die eigentlichen Experten nicht zur Kenntnis nehmen will.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2010