Europäisches Praxis-Assessment: Potenziale erkennen – Effizienz steigern

25.05.2010 | Politik

Seit einem Jahr haben auch österreichische Ärzte die Möglichkeit, ihre Ordinationen nach dem Europäischen Praxis-Assessment zu zertifizieren. EPA wird mittlerweile in zehn EU-Ländern angewandt und ermöglicht, Arbeitsprozesse in der Ordination weiter zu optimieren.

Eine Ordinationshilfe, ein Karteikasten und ein volles Wartezimmer … wer heute eine Ordination führt, weiß, dass es dazu wesentlich mehr braucht, von der Organisation der Arbeitsprozesse über das Termin- und Informationsmanagement bis hin zur Zufriedenheit der Mitarbeiter: Modernes Qualitätsmanagement hat längst in den Ordinationen Einzug gehalten. Die Praxis- Evaluierung ist ja bereits seit einiger Zeit verpflichtend. Darüber hinaus entscheiden sich immer mehr Ärzte dazu, ihre Ordination weiterführenden Maßnahmen des Qualitätsmanagements zu unterziehen. „Ich weiß, dass eine gewisse Routine betriebsblind macht. Das möchte ich vermeiden und meine eigene Arbeit selbst überprüfen“, sagt etwa Erwin Ploberger, Unfallchirurg im oberösterreichischen Enns. Er war einer der ersten, der seine Ordination im Vorjahr dem Europäischen Praxis-Assessment (EPA) unterzogen hat.

EPA ist vor zehn Jahren von einer Gruppe von Qualitätsexperten aus dem hausärztlichen Arbeitsbereich gemeinsam mit der deutschen Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen worden. Institutionen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, der Schweiz, Slowenien, Großbritannien und auch die Österreichische Ärztekammer waren an der Entwicklung beteiligt. „Wir waren auf der Suche nach einem geeigneten seriösen Qualitätsmanagement-System, das auch für unsere Situation in Österreich passt“, sagt Wolfgang Ziegler, Leiter der EPA-Projektgruppe des Ärztlichen Qualitätszentrums, das die EPA-Einführung und Abwicklung in Österreich betreut, „EPA hat eine sehr praxisnahe Struktur und ist auch für kleinere Ordinationen, wie wir sie ja meist haben, sehr gut geeignet.“ Mittlerweile wird EPA in zehn EU-Ländern erfolgreich angewendet und hat im Vorjahr den renommierten European Health Award gewonnen, der grenzüberschreitende Initiativen in der Gesundheitsversorgung auszeichnet.

Vorteile für Motivierte

EPA ist freiwillig und bietet die Möglichkeit, über die verpflichtende Praxis-Evaluierung hinaus Arbeitsprozesse in der Arztordination weiter zu optimieren. „Ein wichtiger Faktor ist der Vergleich mit anderen. Er ermöglicht es, die eigene Ordination besser einzuschätzen und motiviert dazu, die eigenen Leistungen zu optimieren“, sagt Ziegler. Die Ordination kann für EPA ein Zertifikat erhalten, wenn sie den Kriterien entspricht. Mit diesem kann wiederum der hohe Qualitätsstandard der Praxis nach außen kommuniziert werden.

Alle gängigen Qualitätsmaßnahmen wie die Patientenbefragung, die Zuweiserbefragung und das Musterordinationshandbuch wurden in EPA eingebunden. Auch die gesetzlich vorgeschriebene, von jeder Ordination zu absolvierende Praxis-Evaluierung durch die ÖQMed ist in EPA eingebaut. Alles, was im Zuge der Evaluierung durch die ÖQMed gemacht wurde, wird für EPA angerechnet. Ein weiterer Vorteil: In der Ordination ist keine Vorbereitung nötig, die schriftlichen Unterlagen sind sehr minimal. Gestartet wird mit einer Erhebung des Ist-Stands. Gemeinsam mit einem Visitor – speziell ausgebildeten niedergelassenen Ärzten – werden die Stärken und Schwächen analysiert.

„Man bemerkt selbst nicht alles, und man hat im Ordinationsalltag auch gar keine Zeit, ständig Arbeitsabläufe zu hinterfragen“, sagt Erwin Rebhandl, Allgemeinmediziner aus Haslach in Oberösterreich, der seine Ordination bereits im Rahmen des Pilotversuchs vor einigen Jahren EPA unterzogen hat. „Der Zeitaufwand für EPA ist nicht hoch, man investiert einen bis eineinhalb Tage, und der Effekt ist groß! Da kann die Wartezeit für die Patienten optimiert werden, Abläufe werden optimiert, auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter wird abgefragt … es ist für das gesamte Team sehr hilfreich, sich einmal intensiv mit dem Praxisbetrieb auseinanderzusetzen!“, so das Resümee von Rebhandl. (SAM/SCHÜ)

Fünf Schritte zur lernenden Praxis

Jede Praxis ist anders. Und jede Praxis ist mit ihrem Qualitätsmanagement auch unterschiedlich weit. EPA nimmt auf die individuellen Praxisbedingungen Rücksicht und führt in einen strukturierten Lernprozess mit folgenden Meilensteinen und Zielen:

Vorbereitung: Einbindung und Information des gesamten Praxisteams zu den Inhalten und Abläufen von EPA.

Evaluation: Erarbeitung des Ist-Zustands der Praxis: Selbstbewertung, Mitarbeiter- und Patientenbefragung, gegebenenfalls Zuweiserbefragung, Praxisbegehung mit Arztinterview.

Moderierte Teambesprechung: Mit Unterstützung eines geschulten Visitors erfährt man, welche Potenziale im Praxisteam stecken. Erste konkrete Qualitätsverbesserungen werden vereinbart.

Benchmarking: Man erhält unmittelbar die Ergebnisse der Praxis und den Vergleich mit anderen Praxen – und lernt aus den Erfahrungen der Kollegen.

Qualitätsprojekte: Das Ärztliche Qualitätszentrum begleitet und unterstützt den Arzt bei der weiteren Umsetzung der Qualitätsziele, beispielsweise durch das Ordinationshandbuch mit Qualitätsmanagement-Materialien für die Praxis und Workshops zu ausgewählten Qualitätsmanagement-Themen.